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Der Neue Weg ins All

Raumfahrt. - Die Entwicklung neuer Raumtransportsysteme ist momentan ziemlich zum Erliegen gekommen. Die Europäer haben ihren wiederverwendbaren Gleiter Hermes schon vor Jahren begraben, die Russen ihre Buran-Fähren ins Museum gestellt, und selbst die Amerikaner haben die Entwicklung eines Nachfolgers für die Space Shuttles vorerst eingestellt. Im Bonner Wissenschaftszentrum will man diesen Zeichen der Zeit ab heute trotzen und stellt den ''Neuen Weg ins All'' vor - Raumtransporter der nächsten Generation - eine Ausstellung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

    Von Guido Meyer

    Fünf Jahre ist es jetzt her, dass die Russen mit einer ihre Sojus-Raketen die Weltraumkapsel MIRKA ins All geschossen haben. Ihr Zweck war lediglich, wieder zurückzukommen; neue Verfahren zum Wiedereintritt sollten dabei erprobt werden. Nun wird die Original-Kapsel als Teil der Ausstellung "Der Neue Weg ins All" zu sehen sein.

    Im Mittelpunkt dieser neuen Ausstellung der Deutschen Forschungsgemeinschaft steht die Entwicklung einer neuen Generation von Raumfahrzeugen, die einmal wie normale Flugzeuge auf ganz normalen Flughäfen starten und auch wieder landen sollen.

    Und zwar segelnd, also ohne eigenen Antrieb, so Dieter Hüsken von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zwar hatte die MIRKA-Kapsel mit einem flugzeugähnlichen Raumschiff noch wenig gemein, wohl aber wurden an ihr zum Beispiel hitzefeste Kacheln getestet.

    Wir präsentieren Hitzeschutzmaterialien, die geeignet sind, den extremen Temperaturen zu widerstehen, die Raumfahrzeuge beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu bewältigen haben. Aus diesem Material wird zum Beispiel die Nasenkappe eines Experimentalflugzeugs gefertigt. Das ist also die Spitze. Genau diese Nasenkappe werden wir in der Ausstellung neben einer Vielzahl anderer Exponate zeigen.

    Die Firmen MAN und Astrium entwickeln derzeit diese hitzefesten Kacheln für das künftige Rettungsfahrzeug der Internationalen Raumstation (ISS), das sogenannte CRV, Crew Return oder Rescue Vehicle, dessen Finanzierung aber derzeit in den Sternen steht. Ein Testmodell jedoch gibt es schon, das X-38. Jens-Peter Kemper von MAN.

    Das X-38 ist ja ein Experimentalflieger, ein Experimentalflugzeug, und dient dazu, Technologien zu erproben. Man muss diesen X-38 für einen dann bemannten Weltraumeinsatz qualifizieren. X-38 fliegt ohne Astronauten. CRV ist für Menschen gebaut. Und darum muss über das eigentliche Experiment X-38 hinaus noch Etliches getan werden, um daraus einen bemannten Flieger zu machen. Aber vom Konzept her sind die dann identisch.

    X-38 sieht aus wie eine Kreuzzug aus dem US-Spaceshuttle und dem einst geplanten europäischen Raumgleiter Hermes. Bei Wiedereintrittstemperaturen von fast 1800 Grad Celsius müssen sowohl die Nasenkappe am Bug als auch die Triebwerke hinten, ihre Abdeckungen, Schrauben und Dichtungen aus Vollkeramik sein. Burkhard Behrens, bei Astrium zuständig für den Bereich Thermodynamik.

    Das Shuttle-System, so wie es jetzt eingesetzt wird, ist eigentlich eine sehr gute TPS, also Temperatur-Schutz-Methode, für den Shuttle. Hier, bei dem X-38 in dem Nasenbereich, sind die Temperaturen durch die Mission und durch die Konfiguration dieses Trägers so hoch, dass die Shuttle-Kacheln das nicht mehr aushalten können.

    Die sind nämlich nur für maximal 1300 Grad Celsius ausgelegt. Aber es geht ja auch um einen Neuen Weg ins All, und der präsentiert die Ergebnisse aus vierzehn Jahren Forschung an drei von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichen an Hochschulen in Aachen, München und Stuttgart. Dazu gehört auch das Modell eines künftigen Space Hoppers. Dieter Hüsken.

    Besonders auffällig ist ein 6 Meter langes Windkanalmodell der Unterstufe. Wir haben hier eine Unterstufe, die huckepack eine Oberstufe gesattelt hat. Diese Unterstufe transportiert die Oberstufe bis etwa 30 Kilometer Höhe. Dort trennen sich beide Stufen. Die Unterstufe kehrt zurück zur Ausgangsposition, und die Oberstufe tritt den Flug in die Erdumlaufbahn an, und nach abgeschlossener Mission kehren beide Stufen wieder zurück zum Flughafen. Dieses Modell dient der Messung von Kräften und Momenten, die beim Flug durch die Luftströmung entstehen.

    ELAC nennt sich dieses von der RWTH Aachen entwickelte Modell, aus dem einmal der unbemannte, europäische Raumgleiter Phoenix entstehen könnte. Johann Spies, beim Bremer Weltraumkonzern Astrium zuständig für die Entwicklung neuer Transportsysteme.

    Unser Ziel ist es, die heutigen Ein-Weg-Träger-Systeme zu unterbieten in den Kosten. Wir wollen damit den Transport in den Weltraum erschwinglicher machen. Und mittelfristig auch sicherer, indem bei jedem Flug ein deutlich geringerer Anteil als heute an Flughardware verloren geht. Der größte Teil kommt zum Erdboden zurück und kann wiederverwendet werden.

    Phoenix hat 3 Triebwerke, ist mit schwarzen und weißen Kacheln verkleidet und gleitet auf 2 Tragflächen antriebslos zurück zur Erde - hat äußerlich also durchaus Ähnlichkeiten mit den Raumfähren der NASA. Aber: Die Variante aus der Alten Welt hat keine Fenster, denn es sitzen keine Astronauten in ihm.

    Um das Startszenario zu bedienen, das als Referenz für die Entwürfe diente - also wie's in den nächsten 20, 25 Jahren erwartet wird -, bräuchten wir eine Flotte von drei Geräten. Eins davon mag dann in einem länger dauernden Wartungszyklus sein, zwei müssten operationell einsatzbereit sein.

    Drei Schiffe also, als deren Landepunkt kleine europäische Inseln im Atlantik vorgesehen sind - zum Beispiel die Azoren -, die etwa vier-einhalb-tausend Kilometer vom europäischen Raketenbahnhof in Kourou entfernt liegen und über ausreichend lange Pisten verfügen. Die müssen nämlich mindestens drei Kilometer lang sein und etwa 50 Meter breit. Nach der Landung soll das Mini-Shuttle dann per Schiff zurück zum Startplatz transportiert. Derzeit arbeiten Astrium, OHB und ZARM - alle aus Bremen - an Phoenix. Im kommenden Jahr soll ein Prototyp dieses europäischen Raumgleiters erstmals einen Landeanflug demonstrieren.