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Der Nord-Süd-Transfer für Erneuerbare Energien

Erneuerbare Energien aus Deutschland sind heiß begehrt. Im Gelsenkirchener Wissenschaftspark erlebt das sein Leiter Heinz-Peter Schmitz-Borchert gleich zu Beginn, als er vor fünf Jahren den Job übernahm. Damals kam der Kronprinz von Saudi-Arabien mit einer Delegation vorbei:

Von Frank Stach |
    Erneuerbare Energien aus Deutschland sind heiß begehrt. Im Gelsenkirchener Wissenschaftspark erlebt das sein Leiter Heinz-Peter Schmitz-Borchert gleich zu Beginn, als er vor fünf Jahren den Job übernahm. Damals kam der Kronprinz von Saudi-Arabien mit einer Delegation vorbei:

    Der kam hier hin, um das Solarkraftwerk auf dem Dach zu betrachten und sich über die Techniken informieren zu lassen. Und da haben wir auch die Idee geboren, als Demonstrationsort und Verkaufsschaufenster zu fungieren. Denn zwei Jahre später kam nämlich eine Bestellung, die wir an eine der Firmen weitergeben konnten, um die Wildhüterhütten in den saudischen Nationalparks zu bestücken. Das ist jetzt genau das, was mit der chinesischen Delegation passiert.

    Zehn Chinesen aus der Kommission für Staatsplanung hören auf der Fachtagung in Gelsenkirchen interessiert zu. Sie sind deshalb in der Stadt mitten im Ruhrgebiet, weil die Chinesen das Kohleland Nordrhein-Westfalen sehr schätzen. China deckt seinen Energiebedarf größten Teils durch Kohlekraftwerke. Doch diese Energie für Metropolen mit funktionierenden Stromnetzen ist in ländlichen Gegenden keine Lösung. Der Physiker Wolfgang Jung war bereits in China und hat dort bereits erste Kontakte geknüpft:

    Es gibt in China ein offizielles Programm, das von der Staatsplanungskommission gemanagt wird, was die Elektrifizierung in ländlichen Gemeinden in Westchina zum Ziel hat. Es ist ein sehr gut ausgestattetes Programm. Das mit internationalen Mitteln noch mitfinanziert wird. Da geht es ganz konkret um Installation von Solarstromsystemen in Dörfern.

    Bereits jetzt gehören in Chinas ländlichen Regionen solarthermische Anlagen zum Straßenbild. Auf dem Dach sammelt ein verspiegelter Kollektor die Sonnenwärme ein, die damit Leitungs- und Heizungswasser erhitzt.

    Insbesondere für diese solarthermischen Anlagen ist China zur Zeit weltweit der größte Markt. Die Kommission für Staatsplanung hat nun den Auftrag, auch die Stromversorgung mehr und mehr dort, wo es wirtschaftlich Sinn macht, mit erneuerbaren Energien zu organisieren. Doch die Chinesen sind selbstbewusst, sagt Wolfgang Jung:

    Es gehört sicher zur Kooperation auch dazu, dass technologische Kapazitäten in den Zielländern aufgebaut werden. Es geht nicht nur um Lieferung ab Werk hier in Deutschland. Sondern auch darum, dass Technologie schrittweise in den Zielländern selbst hergestellt werden. Das versteht man unter Technologietransfer.

    Technologietransfer, um die Energiearmut in ländlichen Regionen abzubauen. Auf dem Gelsenkirchener Kongress über Zukunftsenergien für den Süden werden konkrete Zahlen genannt. Weltweit haben 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Strom. 2,4 Milliarden sind auf die umweltschädigende Verbrennung von Holz, Stroh oder Viehdung angewiesen. In vielen Metroplen des Südens verschlechtert sich durch steigenden Energiebedarf die städtische Luftqualität. Die Fachleute sind sich einig: neue und erneuerbare Technologien können ihr Potenzial entfalten, um Energie- und Umweltprobleme zu mindern. Doch lassen sich die Konzepte westlicher Industrieländer ärmeren Ländern nicht einfach aufprägen. Kooperation lautet der Ansatz, sagt Wolfgang Jung, der die Fachtagung organisiert hat:

    Viele Schwellenländer haben halt den Ehrgeiz und auch zu Recht, dort eigene Kompetenz aufzubauen. Wenn man als Unternehmen in die Länder rein will, kommt man nicht daran vorbei, Kooperationen dort mit dem Privatsektor einzugehen. Man muss eben sehen, dass das Kernknowhow gewinnbringend dort auch eingesetzt wird.

    Der Geschäftsführer des Wissenschaftsparks Gelsenkirchen Heinz Peter Schmitz Borchert sieht die Exportchancen der Techniken für Zukunftsenergien. Gemeint sei damit aber nicht die im Ruhrgebiet gebaute Solaranlage, die dann in asiatische oder afrikanische Länder verschickt werden, der Export in die Schwellenländer funktioniere anders:

    Man kann hier exemplarisch nachvollziehen, wie es der Wirtschaft hier gehen wird. Wir werden Knowhow verkaufen und in Kooperation mit Unternehmen vor Ort dort die Anlagen installieren. Es ist kaum denkbar, dass Exportkosten sich noch rechnen, wenn Komplettanlagen geliefert werden. Es geht nur über die Kette Informationstransfer, Kapitaltransfer, Arbeit und Einsatz vor Ort. Und so was findet auf solchen Kongressen statt, es werden Gespräche über Möglichkeiten geführt.

    Dazu dient auch das Forum 'Focus on China'. Vertreter der Stadtregierung Pekings sprechen über ihre Energieprojekte in der Millionenstadt. 2008 werden die olympischen Spiele dort die Menschen wieder weltweit begeistern. In Peking wollen die Verantwortlichen auch mit grünen Spielen glänzen. Anregungen und Kontakte nehmen die Chinesen gerne mit nach Hause. Und vielleicht gibt es auch in zwei Jahren wieder einen Anruf im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. Dann aber wird es wohl um mehr gehen als darum, Wildhütten mit Solaranlagen auszustatten.