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Der österreichische Impressionist

Carl Schuch, 1846 in Wien geboren, wollte von Anfang an ein großer Landschaftsmaler werden. Die Ausstellung "Ein europäischer Maler" erzählt vom künstlerischen Prozess, denn viele Bilder genügten seinen Ansprüchen nicht und er vernichtete sie. In seinem Leben stellte er nur ganze zwei Bilder aus.

Von Beatrix Novy |
    Wenn die stehende Rede vom "lebenslangen Lernen" einmal auf einen Menschen zugetroffen hat, dann auf Carl Schuch. Der lebte allerdings im noch halbwegs gemütlichen 19. Jahrhundert. Und er hätte es, von Haus aus vermögend, nicht einmal nötig gehabt, überhaupt etwas zu lernen oder zu arbeiten, ein Privileg, das andere ja durchaus in Anspruch nahmen. Nicht so Carl Schuch. Er nahm seinen Malerberuf ernst, sehr ernst, und stellte in seinem Leben doch nur ganze zwei Bilder aus. Unbekannt ist, wie viele er vernichtet hat, weil sie ihm nicht ausgereift erschienen, weil er sie gleich noch einmal, diesmal aber besser, wahrhaftiger malen wollte. Der Gegenstand, das war vielleicht ein Küchentisch, ein Bund Möhren, ein krummer Holzbalken über dem Eingang einer Schmiede, ein Blumenstrauß. Außer dem Porträt einer italienischen Wirtstochter, einem Selbstporträt und denen der Malerkollegen finden sich in dieser Ausstellung keine Darstellungen von Menschen. Stattdessen Stillleben und Landschaften.

    Carl Schuch, 1846 in Wien geboren, schon als kleines Kind verwaist, aber aufs Beste ausgebildet, intelligent und sprachgewandt, Carl Schuch also wollte von Anfang an ein großer Landschaftsmaler werden, und diesem, wegen seines kompromisslosen Perfektionanspruchs im Grunde unerreichbaren Ziel reiste er buchstäblich hinterher: nach Italien, Belgien, Holland, der Schweiz, auch Ansichten von brandenburgischen Dörfern finden sich im Werk dieses Wieners.
    Schuch lebte nacheinander in München, Venedig, Paris, um dort, im Kreis arrivierter Maler, die vielen kleinen, aufbauenden Lern- und Fortschritte zu machen, die er sich verordnet hatte. Den Schlüssel zur Darstellung der Natur fand sein analytischer Geist in der Farbe.

    In der Begegnung mit einem Schuch-Bild könnte man ja auf den allerersten Blick glauben, es mit einem Exemplar der epigonalen, massenhaften Landschaftsmalerei zu tun zu haben, die sich vom Sujet herleitet und eben all die friedvollen Hügel und Wälder und Wiesen abmalte. Ein näherer Blick auf den frühen Schuch oder auch ein vergleichender auf seinen damaligen Malerkollegen Wilhelm Trübner zeigt, wie ganz anders die Bilder dieser beiden Künstler entstanden: Viele einzelne Pinselstriche komponieren von innen her den Gegenstand, in bewusster Kombination verschiedenster Farben, die Striche geben dem Ganzen tatsächlich ein eckiges Gepräge. Neben Trübner schätzte Schuch in München besonders Wilhelm Leibl - als den "echtesten Künstler unter den Realisten" -, wandte sich aber doch wieder ab vom Leibl-Kreis, wollte unabhängig bleiben. Er studierte die Impressionisten, bewunderte Courbet und Cézanne; aber er musste doch unbedingt "selbst sehen und selbst finden". Er sah, dass die Farbe der realen Welt sich, je näher der Blick kommt, immer weiter differenziert, immer noch weitere Nuancen offenbart. Und er fand, dass man sich diesem Reichtum mit dem Pinsel in aberhundertfachen Versuchen annähern müsse, um – nein, nicht die Natur, aber ihre Entsprechung auf der Leinwand zu haben. Schuch, der sich in der moderne Farbtheorie seiner Zeit auskannte, wusste: Alles wird "viel farbiger, wenn man die Farben, statt sie zu vermischen, mehr nebeneinander hinsetzt und sich auf der Netzhaut mischen lässt."
    Deutlich erzählt die Ausstellung vom künstlerischen Prozess: das Bild mit den Äpfeln, deren Konturen unter der von innen her entwickelten Farbkomposition verwischt sind. Die Wiederholungen: viermal dieselbe tote Ente, nur leicht unterschiedlich. Motive sind zweitrangig, Stillleben Übung: Was passiert, wenn das Licht so oder so einfällt, mit Porree Käseglocke Äpfel – Äpfel Karotte Blechdose – Äpfel Birnen Karaffe? Ein Bund Spargel: gemalt mit so ziemlich jeder Farbe außer Weiß; aber das mischt sich auf der Netzhaut zum Spargelhaften. Aufgelöst, schon fast abstrakt dann die Ansicht vom Waldinneren beim Wildbach Doubs in Frankreich, neben dem Großen Küchenstilleben Schuchs berühmtestes Bild – obwohl er wirklich berühmt nie war, nur bewundert. Das Belvedere, das zu seinen ersten Erwerbern zählte, stellt ihn jetzt in die richtige, die erste Reihe - neben Cézanne, Corot, Courbet.