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Der Oligarch soll es richten

In der amerikanischen Basketball-Liga NBA spielen immer mehr Ausländer wie der Würzburger Dirk Nowitzki. Jetzt will zum ersten Mal ein europäischer Club-Besitzer mitmischen. Er erwarb die Mehrheitsanteile an den New Jersey Nets, einem der Kellerkinder, und strebt nach Höherem.

Von Jürgen Kalwa |
    Wenn die Mannschaft ständig verliert und in einer Saison gleich drei Trainer verschleißt, gerät ein Club irgendwann in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auch in den USA, wo man in den populären Mannschaftssportarten keinen Abstieg kennt und Fernsehlizenzen in Milliardenhöhe eingespielt werden. Niemand identifiziert sich gerne mit einem "Loser”. Nicht die Zuschauer, die zuhause bleiben. Und auch nicht die Sponsoren, ohne deren Geld das Geschäft nun mal nicht läuft.

    Mitunter hat die sportliche Misere sogar grundlegende Konsequenzen. So wie vor einigen Monaten beim Basketball-Club New Jersey Nets. Das Team wechselte für einen Schnäppchenpreis seinen Besitzer. Der neue Mehrheitsanteilseigner ist einer der reichsten Männer der Welt und begrüßte die Anhänger per Internet-Video mit den Worten:

    ""Hello Nets fans. I want to tell you how thrilled I am to be the new owner of the team. And I want to bring all of us a championship.”"

    Die Meisterschaft soll es sein, sagte Michail Prochorow, der, wenn er Englisch spricht, seinen russischen Akzent nicht verbergen kann. Auch die Vorgabe für die neue Saison, die in dieser Woche beginnt, ist für einen Tabellenletzten nicht gerade unbescheiden: Die Playoffs sind das Ziel.

    An die Stimme und das Gesicht des Oligarchen aus Moskau, der nach einer Schätzung des Wirtschaftsmagazins Forbes ein Vermögen von 13 Milliarden Dollar besitzt und nebenbei Präsident des russischen Biathlon-Verbandes ist, müssen sich amerikanische Basketballfans erst noch gewöhnen. Eine New Yorker Boulevardzeitung verspottet das Team bereits als New Jersey Nyets. Njet ist russisch für "Nein”. Anders als etwa in der Premier League in England, wo ausländische Teambesitzer den Ton angeben, ist dieser Investoren-Typos in den USA eine absolute Rarität.

    Dass der 2,03 Meter lange Prochorow, der sein Milliarden-Vermögen im russischen Nickel- und Goldbergbau verdient hat, auch im amerikanischen Sport zu einer Größe werden möchte, liegt an seinem ebenso großen Ego. Das stellte er ganz unverblümt in der Magazinsendung "60 Minutes” dar. Da mimte der 45jährige den energiegeladenen Typen, der im Ozean mit Jet-Skis herumbraust und sich mit Kickboxen fit hält.

    Tatsächlich ist seine Übernahme der Nets weniger ein Zeichen von Stärke als ein Eingeständnis von Schwäche. Die Liga und ihre 30 Clubs kämpfen fast überall mit Einnahmeverlusten. Diese Entwicklung ist denn auch das zentrale Thema der laufenden Tarifgesprächen zwischen dem Ligamanagement und der Spielergewerkschaft. Die vertritt die 450 Profis, darunter den Würzburger Dirk Nowitzki von den Dallas Mavericks. Commissioner David Stern will einen neuen Rahmentarifvertrag, der die Gehälter um insgesamt ein Drittel senken soll. Die einstige Boomsportart hat die Grenzen des Wachstums erreicht.

    Die Probleme der Nets, an denen übrigens der erfolgreiche Rapper Jay-Z seit ein paar Jahren einen kleinen Anteil hält, haben eher hausgemachte Probleme. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Club soll von seinem alten Standort über den Hudson in den New Yorker Stadtteil Brooklyn umziehen und dort eine andere Zuschauerschicht ansprechen und eine neue Arena mit Leben erfüllen. Die Halle ist Teil einer riesigen spekulativen Multifunktionsimmobilie, die nicht nur einen neuen Namen für das Team mit sich bringen wird - vermutlich Brooklyn Nets. Sondern dazu kommen jede Menge Schulden, die nur Eigentümer mit tiefen Taschen abtragen können. Einer wie Prochorow - mit einem Mienenspiel, das vor Fernsehkameras mehr als nur Selbstbewusstsein ausstrahlt, sondern eine eigenwillige Mischung aus Überheblichkeit und aus dem Bedauern darüber, dass ihm Journalisten angesichts der anspruchsvollen Ziele immer mit so viel Skepsis begegnen. Michail Prochorow:

    "”Unsere Lust auf Siege ist wirklich groß. Als erster ausländischer Besitzer will ich ein Team mit Spielern und Fans aus aller Welt aufbauen. Ich bin sicher, ich kann die Besten der Besten überzeugen, zu den Nets zu kommen.”"

    Wie stark die Überzeugungskraft wirklich ist, zeigte sich bei Gesprächen über einen Spielertausch, der mit Carmelo Anthony einen der Stars der Liga nach New Jersey bringen soll. Sein gegenwärtiger Club, die Denver Nuggets, sagten "Njet.” So wie LeBron James, einer der Topspieler der NBA, der im Sommer lieber nach Miami wechselte. Den werden die Fans deshalb nur gelegentlich zu sehen bekommen. Immerhin: Sein erster Besuch steht für Sonntag in einer Woche auf dem Programm. Was heißt: Die Halle dürfte dann zum ersten Mal seit langem wieder ausverkauft sein.