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Der Olympia-Veteran

Dressurreiter Hiroshi Hoketsu qualifizierte sich im März für die Olympischen Sommerspiele von London. Im Alter von 71 Jahren. Dabei gleicht es fast einem Wunder, dass der Japaner noch nach London fahren kann.

Von Arne Lichtenberg |
    "A little quicker Hiroshi, that is too less. Quicker, quicker! Activity! Gut, gut. Enough! One step forward and again Piaffe.”"

    Die Worte von Dressurtrainer Ton de Ridder sind streng. In einer Mischung aus Deutsch und Englisch ruft der niederländische Dressurausbilder seinem Schützling Hiroshi Hoketsu klare Anweisungen zu. Der Japaner sitzt souverän im Sattel. Strebsam nimmt er sich die Kommandos seines Trainers zu Herzen. Sein Pferd Whisper gehorcht und so kann Hoketsu seine Trainingsrunden auf dem Dressurparcours sicher fortsetzen.

    Doch nicht immer lief es so gut wie aktuell. Noch im November 2011 hatte der 71jährige Japaner seinen Olympia-Traum fast schon begraben müssen. Sein Pferd Whisper lahmte. Die Ärzte waren ratlos und wollten schon operieren, als ein Freund Hoketsus den Dressurreiter bat mit Whisper nach Amsterdam zu kommen. Dort untersuchte ein befreundeter Tierarzt das Pferd und übernahm die Behandlung. Die Anwendungen schlugen an und Hoketsu konnte das erste Turnier nach monatelanger Pause erfolgreich absolvieren. Doch die Zeit für die Olympia-Qualifikation war denkbar knapp. Hokestu benötige mehrere Turnierstarts in Portugal, Spanien und Frankreich und das in nur fünf Wochen.
    ""Turnierstarts in fünf aufeinanderfolgenden Wochen sind schon für ein gesundes Pferd normalerweise sehr, sehr schwierig. Wir mussten wirklich nicht, ob sie das schaffen würde. Aber wir haben uns dann entschlossen es doch zu versuchen."

    Das Risiko wurde belohnt. Anfang März war die Qualifikation für Hoketsu und sein Pferd geschafft. Andächtig spricht der zurückhaltende Japaner von einem Wunder. Ungläubig schüttelt er den Kopf, wenn er an seine überraschende Qualifikation denkt. Der Japaner redet ruhig, fast etwas schüchtern. Seine 71 Jahre sieht man ihm nicht an. Seine Augen sind wach, auch seine Haare sind noch fast komplett schwarz, nur vereinzelt finden sich ein paar graue Strähnen. Kein Gramm Fett ist an seinem Körper zu erkennen. Ein richtiges Geheimrezept, warum er in einem so hohen Alter immer noch Leistungssport betreiben kann, hat er aber nicht.

    "Zum Glück hat sich mein Körpergewicht seit dem Verlassen der Universität nicht verändert, das hat mir sehr geholfen, um weiter im Reitsport aktiv zu bleiben. Bemühe ich mich, um mein Gewicht zu halten? Nicht wirklich. Ich esse was immer ich mag. Ich denke, ich bin glücklicherweise einfach mit einer guten Körperkonstitution auf die Welt gekommen."

    Sein Trainer Ton de Ridder sieht das jedoch etwas anders.

    "Man muss Herrn Hoketsu auch ein ganz großes Kompliment machen. Er lebt eigentlich sehr gesund, sehr kalorienbewusst, macht viel Gymnastik, geht auch spazieren und joggen. Also er tut auch selber sehr viel dafür."

    Der 71jährige Japaner ist ehrgeizig und sehr perfektionistisch. Die Organisation und den Reiseablauf seiner Turniere plant er akribisch. Anders wären seine Erfolge wahrscheinlich auch gar nicht zu realisieren. 1964 nahm Hoketsu zum ersten Mal an den Olympischen Spielen teil. Damals noch als Springreiter. Als später seine Sehschärfe nachließ und er Probleme beim Abschätzen der Distanzen zum nächsten Hindernis hatte, wechselte er zur Dressur. In dieser Disziplin qualifizierte er sich für Seoul 1988 und für Peking 2008, wo er auch schon der älteste Teilnehmer unter den Athleten war. Kaum ein anderer als Hoketsu kann besser beurteilen, wie sich die Olympischen Spiele im Laufe der Zeit gewandelt haben.

    "Den größten Unterschied, denn ich bemerkt habe ist, dass die Leute sagen oder denken, die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist das wichtigste. Aber heute stecken viele Leute, auch das Japanische Olympische Komitee, viel Geld in die Sportarten, wo sie Medaillen gewinnen können."

    Trotz ihrer Veränderung haben die Olympischen Spiele für Hiroshi Hoketsu ihre Faszination behalten. Deshalb wechselte der Japaner auch im Jahr 2003 auf den Hof des renommierten niederländischen Dressurausbilders Ton de Ridder in der Nähe von Aachen. Hoketsu hatte gerade seinen beruflichen Ruhestand angetreten, wollte aber in der Dressur vorankommen. Seine Leistung wird auch im Alter von 71 Jahren nicht schlechter.

    "Ich glaube, dass meine Leistungen heute besser sind, als früher als ich noch jünger war. Das liegt natürlich auch am Pferd, denn ein besseres Pferd beschert Dir bessere Ergebnisse. Aber ich fühle auch, dass ich mein Reiten immer noch verbessere. Das ist die größte Motivation für mich, um weiter zu machen."

    Motivieren will er mit seinen guten Leistungen auch jüngere Athleten, damit sie weiter dem Sport treu bleiben und wenn er dafür ein Vorbild sein könne, dann würde es ihn sehr freuen, sagt er. In London wird Hoketsu diesmal nur im Einzel an den Start gehen. Eine japanische Dressurmannschaft, wie noch 2008 in Peking, wird es nicht geben. Hoketsus Trainer Ton de Ridder bedauert das sehr.

    "Diese nukleare Katastrophe letztes Jahr hat auch in Japan doch vieles ausgelöst, dass Investoren wegblieben, dass Sponsoren wegblieben. Die haben im Moment ganz andere Sorgen. Das hat schon momentan diese Weiterentwicklung, die schon da war in Japan, so ein bisschen gebremst."

    Auch wenn Hiroshi Hoketsu sein hohes Alter kaum anzumerken ist, bei einem Punkt macht es sich dann doch bemerkbar.

    "Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich zu alt um eine neue Sprache zu lernen. Wenn ich Zeit habe, dann nehme ich Privatunterricht. Aber gewöhnlich bin ich nur für zwei bis drei Wochen in Aachen und dann fahre ich auf Turniere. Und wenn ich anschließend von den Wettkämpfen zurück komme, habe ich normalerweise alles vergessen, was ich gelernt habe. Also sind die Sprachkurse rausgeschmissenes Geld."