Wir sind eine kleine Firma, die 1997 in Kroatien gegründet wurde. Wir haben uns auf die biologische Mikroforschung spezialisiert. Es geht um Mikroorganismen, mit denen sehr verschmutztes Industriewasser gereinigt werden kann. Wir arbeiten auch außerhalb Kroatiens mit der pharmazeutischen Branche zusammen. Unser bester Kontakt in Ungarn ist die Firma Gedeon Richter. Das ist strategisch für uns sehr wichtig, denn Ungarn wird demnächst Mitglied der EU sein.
Auf der Budapester Ökotechnik-Messe im Herbst 2002 ging es vielen Umwelttechnikunternehmen darum, den ost-europäischen Ökomarkt zu erobern. Und zu ihnen gehört auch der Geschäftsführer Veljko Matic der Firma "Eco-Engineering” aus dem kroatischen Rijeka, der hier in Ungarn neue Vertriebspartner sucht. Als zukünftige Brücke zur EU, sind die Länder der Beitrittskandidaten für diese Branche ganz besonders interessant, da die kleinen osteuropäischen Ökofirmen sich auf dem westeuropäischen Markt alleine nicht behaupten können.
Auf dem westlichen Markt haben wir noch einen schweren Stand, weil man auf diesem Markt "groß” sein muss und wir sind das nicht. Deshalb suchen wir strategische Partner, die uns da unterstützen können. Denn wir haben natürlich das gleiche Know-How wie westliche Firmen, aber wir haben wesentlich weniger Geld.
253 europäische Umweltunternehmen haben sich auf dieser Messe in Budapest vorgestellt. 22 davon kamen aus den Ländern Mittel- und Osteuropas und 55 allein aus Deutschland. Dort stagniert zur Zeit die Umwelttechnik-Branche, da die meisten Firmen und Kommunen bereits modern ausgestattet sind. Der deutsche Markt ist gesättigt und so eröffnen Ungarn und die anderen EU-Beitrittskandidaten neue Marktchancen. Nach Angaben des ungarischen Wirtschaftsministeriums ist nämlich erst ein Drittel aller Kommunen an Kläranlagen angeschlossen und auch in punkto Sondermüllverbrennung und Verpackungsabfälle hat Ungarn, wie die anderen mittelosteuropäischen Staaten, noch einiges nachzuholen.
Denn wie in Polen und Tschechien, so sah es auch in Ungarn vor 199O mit der Abfallentsorgung düster aus. Fast 1OO Prozent der kommunalen Abfälle wurde deponiert. Auf Halden und Deponien gelangten über 5O Prozent Gewerbeabfälle, zu denen bis zu 3 Millionen Tonnen Sonderabfälle pro Jahr gehörten. Seit Beginn der Neunziger Jahre hat sich das jedoch erheblich gebessert. Zumindest, was die Gewerbeabfälle betrifft, erklärt György Viszkei, der Direktor von Öko-Pannon, dem ungarischen 'Grünen Punkt'.
In Ungarn ist die Sammlung von Verpackungsabfällen in Industrieunternehmen sehr entwickelt. Das bedeutet, dass fast 9O Prozent aller Verpackungsabfälle in Industrieunternehmen getrennt gesammelt wird und auch verwertet wird. Die Situation ist ganz anders in den Gemeinden, wo Haushaltsabfälle nur an wenigen Orten gesammelt wird und auch verwertet wird. Es wird heute etwa von sechs bis sieben Prozent der Bevölkerung, das bedeutet von etwa sechs bis siebenhunderttausend Bürgern Abfall getrennt gesammelt und einer unserer Aufgaben ist es, diese Anzahl zu vergrößern und im Jahr 2OO5 von etwa vier Millionen Bürgern zu sammeln und dann im Jahre 2OO8 von sieben bis acht Millionen.
Bis zum Jahre 2O15 - so die Bestimmungen der EU-Kommission - müssen sich alle Beitrittskandidaten an die EU-Öko-Standarts angepasst haben. Diese Umstellung wird den Staat Ungarn etwa 1,5 Billionen Forint kosten, das heißt umgerechnet 6,2 Milliarden Euro . 45O.OOO Euro entfallen dabei allein auf die Abwasserentsorgung. Und eben deshalb erwartet Anna Szekely, die Vorsitzende des "Vereins der ungarischen Umweltunternehmen”, dass die Umwelttechnikbranche weiter wächst.
In Ungarn begann die Industrie- und Gewerbetätigkeit für den Umweltschutz Anfang der Neunziger Jahre. Seitdem entwickelt sich sowohl die Zahl der Öko-Unternehmen, als auch die Zahl unserer Mitglieder explosionsartig. Zu Beginn bestanden wir aus 26 Firmen, heute zählen wir 26O Mitglieder. Dazu gehören auch Kleinstfirmen wie Erzeuger von Bio-Schuhen oder Containerfirmen für medizinischen Sonderabfall oder Verpackungsproduktion. Für unsere Umweltschutzindustrie ist der künftige EU-Beitritt Ungarns von großer Bedeutung, denn die ISPA-Zuschüsse und andere Förderungsmassnahmen der EU werden dafür sorgen, dass die Branche wirtschaftlich weiter expandiert.
Was nicht nur für die Umwelttechnik gilt, sondern auch für die Ökoprodukte aus dem Agrarbereich. Die ersten Biolandbetriebe gab es in Ungarn bereits um 198O, während sich der ökologische Anbau in den anderen Staaten Mittel- und Osteuropas erst nach der politischen Wende langsam etablieren konnte. Heute bewirtschaften in Ungarn landesweit 732 Betriebe 1OO.OOO Hektar Land nach den Richtlinien der EU Bioverordnung 2O92/91. In der Tschechischen Republik gibt es 473 Betriebe auf rund 11O OOO Hektar Land und in Polen rund 181 Betriebe auf 5OOO Hektar.
Ungarn ist deshalb auch im Agrarbereich osteuropäischer Marktführer, denn nur im Jahr 2OO1 wurden dort rund 45OOO Tonnen Ökoware produziert. In erster Linie Getreide, Mais, Sonnenblumen und Kürbisse, Arznei- und Gewürzpflanzen. Thomas Dosch, der Vorstandsvorsitzende von "Bioland” erklärt, dass Ungarn diesen Erfolg seinen guten Böden, seinem sonig-warmen Klima und bestimmten Hilfsstoffen zu verdanken hat.
Aus Ungarn kommt besonders Getreide und hochwertiger Backweizen. Dadurch, dass da die Böden sehr gut sind, das heißt die Nährstoffgehalte von Natur aus sehr gut und vorteilhaft für das Getreide. Aber auch aufgrund der Möglichkeit, dort konventionelle Gülle einzusetzen, erreichen die sehr hohe Klebergehalte. Klebergehalte das sind Eiweiße, die verbessern die Backeigenschaft.
In Polen sind dagegen die Sonderkulturen stark vertreten, wozu alle Beerensorten, Obst und auch Gemüse zählen. Und Tschechien exportiert zur Zeit - so Thomas Dosch - vor allem biologischen Buch-weizen.
Tschechien hat ähnliche Bedingungen wie bei uns. Da ist die Vorteilhaftigkeit der Produkte nicht so gegeben wie in Ungarn. Auch aus Tschechien wird zum Teil Getreide gekauft. Buchweizen. Auch etwas, was bei uns nicht angebaut wird. Buchweizen ist eine Frucht, die extensiv angebaut werden muss, damit sie gut gedeiht. Also solche Früchte werden exportiert. Zum Teil dann auch Fruchtzubereitungen. Aber das alles in einem wesentlich kleineren Rahmen, als das in Ungarn der Fall ist.
Die angestrebte EU-Osterweiterung wird somit erhebliche Auswirkungen auf den innereuropäischen Öko- und Umweltmarkt haben und schon jetzt fürchten sich viele westeuropäische Firmen und Öko-Bauern vor der Konkurrenz aus dem Osten. Lohn- und Produktionskosten sind in Mittel- und Osteuropa wesentlich niedriger als in Westeuropa. Seit 1997 gibt es in diesen Ländern außerdem staatliche Fördermittel für die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft. In Ungarn werden Kontroll- und Laborgebühren bis zu 7O Prozent gefördert. Die Kosten für ausgesuchte Betriebsmittel wie Saatgut, Stallmist und spezielle Hilfsstoffe, wie zugelassene Pflanzenschutzmittel zu 4O Prozent.
Das jährliche Budget des ungarischen Landwirtschaftsministeriums für diese Fördermaßnahmen war zwischen 1997 und 2OO1 mit umgerechnet 414.OOO Euro konstant und wurde im letzten Jahr auf 7 Millionen Euro erhöht. In der Tschechischen Republik hat das Landwirtschaftsministerium ein "Agro-Umweltpunkteprogramm” eingeführt, das jeden Hektar des ökologischen Landbaus mit 2OO bis 23O Euro subventioniert. Und seit 2OO2 können die europäischen ISPA-Zuschüsse für Großinvestitionen in Umweltbereich beantragt werden. All das macht sich preislich bemerkbar. Die mittel- und osteuropäischen Betriebe können billiger produzieren und billiger verkaufen. Thomas Dosch hierzu
Also wenn ein Verarbeitungsbetrieb in Deutschland also in Polen beispielsweise Weizen einkauft, dann bezahlt er etwa 26 bis 28 Euro für einen Doppelzentner, für hundert Kilo. In Deutschland etwa 2 bis 2,5 Euro mehr für einen Doppelzentner. Und das macht auf die Menge gerechnet natürlich erheblich aus. Selbst der Transport frisst also diese Mehrkosten nicht auf.
Aus diesem Grund ist die osteuropäische Öko-Landwirtschaft extrem exportorientiert. Von rund 45.OOO Tonnen Bioware hat Ungarn allein im Jahr 2OO1 36.OOO Tonnen exportiert, das heißt 8O Prozent der Gesamtproduktion. In den anderen EU-Beitrittsländern sieht es ähnlich aus, so dass viele Umwelt- und Agrarexperten mittlerweile sogar von der "Exportfalle” sprechen, da die osteuropäische Ökoproduktion die Entwicklung der Binnenmärkte vollkommen vernachlässigt. Das ungarische Landwirtschaftsministeriums will zwar die Anbaufläche für die ökologische Landwirtschaft bis zum Jahre 2OO5 auf rund 4OO.OOO Hektar vergrößern, doch das führt nicht automatisch zu einer Erweiterung des internen Absatzmarktes. Denn solange Bioprodukte in Ungarn, Tschechien und Polen noch bis zu 5O Prozent teurer sind, als die konventionellen Waren, wird das Interesse der Konsumenten dafür nicht zunehmen. Wobei die Bio-Produkte in Tschechien bis heute noch nicht einmal mit einem besonderen Qualitätssiegel erkennbar ausgezeichnet sind.
Tamas Mokry, Geschäftsführer der ungarischen Firmengruppe Biokorn GmbH und ehemaliger Generalsekretär des Fachverbandes "Biokultura” meint, dass die ungarische Öko-Agrarpolitik von Anfang an exportorientiert war und sich fast ausschließlich an der großen Nachfrage im Westen orientiert.
Die Nachfrage nach Ökoprodukten ist in den westlichen Ländern sogar größer als das dortige Angebot, das heißt, sie ist größer als die Menge, die dort überhaupt angebaut werden kann, während die Inlandsnachfrage eher gering ist, weil die Konsumenten die erhöhten Preise dieser Waren nicht bezahlen können. In diesem Jahr wurden in Ungarn zwischen 5O.OOO und 6O.OOO Tonnen Bioprodukte hergestellt und die gehen deshalb wieder zu neunzig Prozent auf den westlichen Markt.
Und das unterscheidet eben Umwelttechnik von Bio-Produktion, meint Anna Szekely, die Vorsitzende des "Vereins der ungarischen Umweltunternehmen”. Die Umwelttechnik hängt als Dienstleistung weniger von der Kaufkraft einzelner Privatpersonen, als vielmehr von inländischen Firmen und staatlichen Einrichtungen ab, die sie in Anspruch nehmen. Sie stellt somit einen Sektor dar, der innerhalb der mittel- und osteuropäischen Staaten expandiert.
Dienstleistungen werden immer vor Ort in Anspruch genommen. Deshalb ist für die osteuropäische Umwelttechnik der eigentliche Markt Osteuropa. Einige unserer Firmen haben in Rumänien, in der Slowakei oder in Tschechien schon viele so genannte Joint-Ventures gegründet. Hier ist es eher so, dass westliche Firmen in Osteuropa strategische Partner suchen, um der osteuropäischen Konkurrenz standhalten zu können.
Der ungarische Bio-Export - so Tamas Mokry - erwartet dagegen von der angestrebten Zollunion mit der EU einen weiteren, grossen Aufschwung. Denn, so erklärt er:
Es ist zwar auch jetzt schon möglich, gewisse Produkte zollfrei in die Union einzuführen. Aber das ist alles mit einem großen Aufwand an Verwaltung verbunden. Und wenn das einmal wegfällt, wird sich die Marktposition der ungarischen Bio-Produkte natürlich weiter verbessern.
Deutsche Öko-Spezialisten betrachten diesen osteuropäischen Biomarkt und seine Exportbegeisterung jedoch mit etwas mehr Skepsis. Zu ihnen gehört auch Lutz Ribbe, der Direktor der Stiftung Euronatur. Seiner Meinung nach führt diese extreme Exportorientierung oftmals zu einer falschen Umwelt- und Agrarpolitik. Wie etwa in Polen, wo agrarpolitisch tendenziell eher die Grossbetriebe und weniger die ökologischen Kleingehöfte und Kleinbetriebe staatlich gefördert und subventioniert werden.
Eine solche Politik ist natürlich vom Umweltschutz her erst mal kritisch zu sehen. Die Kleinstrukturen werden abgeschrieben, als unmodern, ja ich will schon fast sagen: diffamiert. Und Modernität macht sich dann an Größe und Traktorausstattung fest und eben nicht an der Frage, wie produziert wird.
Eine noch immer mangelhafte Logistik in Verarbeitung, Vertrieb und Marketing kommt als zusätzlich hemmender Faktor hinzu. Deshalb - so Lutz Ribbe - sei zumindest in naher Zukunft ein osteuropäischer Exportboom nicht zu erwarten.
Ende der Achtziger, Anfang der neunziger Jahre war’s so, dass quasi alle osteuropäischen Staaten im Agrarbereich einen Handelsüberschuss hatten mit der Europäischen Union. Das betrifft jetzt primär nicht den Öko-Bereich, sondern generell den Agrarbereich. Und das war ja dann auch die Zeit, wo die Ängste im Westen losgingen, nach dem Motto: oh wei, oh wei, was kommt da auf uns zu ? Die werden billig produzieren. Die Arbeitskosten sind gering, wenn die jetzt ein bisschen Geld in die Hand kriegen, dann überfahren die uns. Dieses Bild hat sich komplett gedreht. Mit Ausnahme von Ungarn. Ungarn hat immer noch einen Handelsbilanzüberschuss. Die anderen Länder haben ein Handelsbilanzminus. Das heißt, sie sind zu Netto-Importeuren geworden von Agrarprodukten.
Außerdem gibt es in Polen eine hohe Quote an Selbstversorgungswirtschaft. Während die großen Städte wie Warschau boomen, leidet gerade der ländliche Raum unter Arbeitslosenquoten von bis zu 5O Prozent. Viele, die dort Landbau betreiben, weil sie keine andere Erwerbsquelle mehr haben, stehen dem ökologischen Landbau zwar nahe, da sie so gut wie keine Pflanzenschutzmittel benutzen, aber das allein genügt noch nicht. Lutz Ribbe hierzu:
Es gibt ja 2 Millionen Bauernhöfe in Polen noch. Sehr sehr viele Kleinstrukturen. Bauern, die kein Geld haben, intensiv zu produzieren. Diese Bauern sind relativ nah’ am ökologischen Landbau, aber sie sind nicht zertifiziert. Das heißt, sie haben also nicht die geschlossenen Systeme wie bei uns. Sie haben nicht die Kontrollsysteme in der Form, sondern sie...ich sag’s jetzt mal ein bisschen übertrieben, wurschteln stückweit vor sich hin. Und sagen: wir sind doch eigentlich Ökobauern, obwohl sie’s real nicht sind. Sie könnten’s aber sein. Das heißt von der Struktur her würde Polen eigentlich ideale Ansätze bieten, relativ schnell große Teile ihrer Fläche auf den zertifizierten ökologischen Landbau umzustellen.
Doch nicht nur in Polen ist die Zertifizierung ein Problem. Die von den mittel- und osteuropäischen Regierungen erlaubte Teilbetriebsumstellung der Gehöfte auf ökologischen Landbau weist viele Unregelmäßigkeiten auf. Grundsätzlich erlaubt auch die EU-Ökoverordnung eine zeitlich begrenzte Teilbetriebsumstellung, weil sich Betriebe so kostengünstiger auf den "ökologischen Landbau” einstellen können. Betriebe dürfen deshalb beispielsweise in der Tierhaltung Bio-Kühe haben und gleichzeitig Hühner in Käfigen. Oder ganz bestimmte Flächen ökologisch bewirtschaften und andere wieder nicht. Thomas Dosch, der Vorstandsvorsitzende von "Bioland” fürchtet jedoch, dass diese Teilbetriebsumstellungsregelung in Mittel -und Osteuropa zur Dauereinrichtung wird.
Jeder Betrieb braucht seine Zeit, um seine Flächen komplett umzustellen. Ein Grossbetrieb muss sich mindestens zwei Jahre Zeit nehmen. Es darf bei uns höchstens fünf Jahre brauchen, bis der komplette Betrieb umgestellt ist. Aber dann muss Schluss sein. Die EG-Ökoverordnung schreibt es nicht explizit vor und natürlich ist es dann auch wieder kostengünstiger für die Betriebe, teils teils zu wirtschaften. Es wäre in den Ländern, beispielsweise in Ungarn auch nicht schwerer umzusetzen, als bei uns. Es ist nur so, dass sich dort auch die Regierung und die dortigen Verbände entschieden haben, möglichst kostengünstig zu produzieren. Eben unter Exportgesichtspunkten.
Und daneben seien in Mittel- und Osteuropa - so Thomas Dosch - noch andere Unregelmäßigkeiten zu beobachten, die von westeuropäischen Kontrollunternehmen entweder nicht immer entdeckt oder nicht konsequent genug geahndet werden.
Ja, dass zum Beispiel ein Düngemittel eingesetzt wurde, das nicht zugelassen war. Oder dass ein Betrieb mehr Ware verkauft hat, als es uns plausibel war. Das heißt, er hat so viel Ware verkauft, dass wir uns nicht vorstellen konnten, dass die alle auf der eigenen Fläche gewachsen sein kann. Und das legt dann den Verdacht nahe, dass der konventionelle Ware zugehandelt hat.
Deshalb sorgt sich Thomas Dosch weniger um die niedrigen Einkaufspreise der Ökoprodukte aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, als vielmehr um die Einhaltung der ökologischen Produktionsstandarts. Das eine bedingt natürlich das andere, denn wer viel und billig produzieren will, der wird sich kaum an dem vorgeschriebenen Kreislaufsystem des zertifizierten ökologischen Landbaus orientieren, wo nur so viel Tiere gehalten werden dürfen, wie die Fläche erlaubt. Und wo ein Betrieb nur mit dem Mist düngt, den seine eigenen Tiere abgeben. Der exportorientierte Produzent, der viel produzieren muss, ist nämlich immer auf "inputs” von außen angewiesen. Denn, so Thomas Dosch
Wer kostengünstig produzieren will, der macht eben gerade das, was gesetzlich notwendig ist, aber auch nicht mehr. Wir haben den Anspruch mehr zu machen. Aber das erschwert natürlich die Bedingungen für unsere Betriebe. Wir können das am Markt stückweit umsetzen, indem wir eben eigene Warenzeichen verwenden, unsere regionale Produktion in den Vordergrund stellen. Bioland-Warenzeichen ist bekannt. Demeter-Warenzeichen ist bekannt. Um eben auch deutlich zu machen, dass es darauf ankommt, vor Ort die Umweltleistungen eines ökologischen Betriebes zu erzeugen und in Anspruch zu nehmen. Und nicht nur die Produkte weltweit durch die Gegend zu schippern.
Dabei geht es Thomas Dosch keineswegs darum, den deutschen Markt vor vermeintlichen Eindringlingen zu schützen. Ganz im Gegenteil. Die Ökologie, so sagt er, sei eine gesamteuropäische Aufgabe, wobei es den deutschen Öko-Produzenten vor allem darum gehe, wirtschaftliches Wachstum mit einer verbesserten Anwendung und Durchsetzung von Öko-Standarts zu verbinden.
Wir haben hier eine lange Tradition des ökologischen Landbaus. Wir haben damit Know-How-Vorteile und wir haben ein großes Interesse daran, dass sich der Ökolandbau europaweit und auch weltweit durchsetzt. Also, hier geht es überhaupt nicht drum, Märkte von unserer Seite zu schützen. Es ist wichtig, auch aus Umweltgründen, aber auch aus strukturellen Gründen den Ökolandbau voranzubringen.
Auf der Budapester Ökotechnik-Messe im Herbst 2002 ging es vielen Umwelttechnikunternehmen darum, den ost-europäischen Ökomarkt zu erobern. Und zu ihnen gehört auch der Geschäftsführer Veljko Matic der Firma "Eco-Engineering” aus dem kroatischen Rijeka, der hier in Ungarn neue Vertriebspartner sucht. Als zukünftige Brücke zur EU, sind die Länder der Beitrittskandidaten für diese Branche ganz besonders interessant, da die kleinen osteuropäischen Ökofirmen sich auf dem westeuropäischen Markt alleine nicht behaupten können.
Auf dem westlichen Markt haben wir noch einen schweren Stand, weil man auf diesem Markt "groß” sein muss und wir sind das nicht. Deshalb suchen wir strategische Partner, die uns da unterstützen können. Denn wir haben natürlich das gleiche Know-How wie westliche Firmen, aber wir haben wesentlich weniger Geld.
253 europäische Umweltunternehmen haben sich auf dieser Messe in Budapest vorgestellt. 22 davon kamen aus den Ländern Mittel- und Osteuropas und 55 allein aus Deutschland. Dort stagniert zur Zeit die Umwelttechnik-Branche, da die meisten Firmen und Kommunen bereits modern ausgestattet sind. Der deutsche Markt ist gesättigt und so eröffnen Ungarn und die anderen EU-Beitrittskandidaten neue Marktchancen. Nach Angaben des ungarischen Wirtschaftsministeriums ist nämlich erst ein Drittel aller Kommunen an Kläranlagen angeschlossen und auch in punkto Sondermüllverbrennung und Verpackungsabfälle hat Ungarn, wie die anderen mittelosteuropäischen Staaten, noch einiges nachzuholen.
Denn wie in Polen und Tschechien, so sah es auch in Ungarn vor 199O mit der Abfallentsorgung düster aus. Fast 1OO Prozent der kommunalen Abfälle wurde deponiert. Auf Halden und Deponien gelangten über 5O Prozent Gewerbeabfälle, zu denen bis zu 3 Millionen Tonnen Sonderabfälle pro Jahr gehörten. Seit Beginn der Neunziger Jahre hat sich das jedoch erheblich gebessert. Zumindest, was die Gewerbeabfälle betrifft, erklärt György Viszkei, der Direktor von Öko-Pannon, dem ungarischen 'Grünen Punkt'.
In Ungarn ist die Sammlung von Verpackungsabfällen in Industrieunternehmen sehr entwickelt. Das bedeutet, dass fast 9O Prozent aller Verpackungsabfälle in Industrieunternehmen getrennt gesammelt wird und auch verwertet wird. Die Situation ist ganz anders in den Gemeinden, wo Haushaltsabfälle nur an wenigen Orten gesammelt wird und auch verwertet wird. Es wird heute etwa von sechs bis sieben Prozent der Bevölkerung, das bedeutet von etwa sechs bis siebenhunderttausend Bürgern Abfall getrennt gesammelt und einer unserer Aufgaben ist es, diese Anzahl zu vergrößern und im Jahr 2OO5 von etwa vier Millionen Bürgern zu sammeln und dann im Jahre 2OO8 von sieben bis acht Millionen.
Bis zum Jahre 2O15 - so die Bestimmungen der EU-Kommission - müssen sich alle Beitrittskandidaten an die EU-Öko-Standarts angepasst haben. Diese Umstellung wird den Staat Ungarn etwa 1,5 Billionen Forint kosten, das heißt umgerechnet 6,2 Milliarden Euro . 45O.OOO Euro entfallen dabei allein auf die Abwasserentsorgung. Und eben deshalb erwartet Anna Szekely, die Vorsitzende des "Vereins der ungarischen Umweltunternehmen”, dass die Umwelttechnikbranche weiter wächst.
In Ungarn begann die Industrie- und Gewerbetätigkeit für den Umweltschutz Anfang der Neunziger Jahre. Seitdem entwickelt sich sowohl die Zahl der Öko-Unternehmen, als auch die Zahl unserer Mitglieder explosionsartig. Zu Beginn bestanden wir aus 26 Firmen, heute zählen wir 26O Mitglieder. Dazu gehören auch Kleinstfirmen wie Erzeuger von Bio-Schuhen oder Containerfirmen für medizinischen Sonderabfall oder Verpackungsproduktion. Für unsere Umweltschutzindustrie ist der künftige EU-Beitritt Ungarns von großer Bedeutung, denn die ISPA-Zuschüsse und andere Förderungsmassnahmen der EU werden dafür sorgen, dass die Branche wirtschaftlich weiter expandiert.
Was nicht nur für die Umwelttechnik gilt, sondern auch für die Ökoprodukte aus dem Agrarbereich. Die ersten Biolandbetriebe gab es in Ungarn bereits um 198O, während sich der ökologische Anbau in den anderen Staaten Mittel- und Osteuropas erst nach der politischen Wende langsam etablieren konnte. Heute bewirtschaften in Ungarn landesweit 732 Betriebe 1OO.OOO Hektar Land nach den Richtlinien der EU Bioverordnung 2O92/91. In der Tschechischen Republik gibt es 473 Betriebe auf rund 11O OOO Hektar Land und in Polen rund 181 Betriebe auf 5OOO Hektar.
Ungarn ist deshalb auch im Agrarbereich osteuropäischer Marktführer, denn nur im Jahr 2OO1 wurden dort rund 45OOO Tonnen Ökoware produziert. In erster Linie Getreide, Mais, Sonnenblumen und Kürbisse, Arznei- und Gewürzpflanzen. Thomas Dosch, der Vorstandsvorsitzende von "Bioland” erklärt, dass Ungarn diesen Erfolg seinen guten Böden, seinem sonig-warmen Klima und bestimmten Hilfsstoffen zu verdanken hat.
Aus Ungarn kommt besonders Getreide und hochwertiger Backweizen. Dadurch, dass da die Böden sehr gut sind, das heißt die Nährstoffgehalte von Natur aus sehr gut und vorteilhaft für das Getreide. Aber auch aufgrund der Möglichkeit, dort konventionelle Gülle einzusetzen, erreichen die sehr hohe Klebergehalte. Klebergehalte das sind Eiweiße, die verbessern die Backeigenschaft.
In Polen sind dagegen die Sonderkulturen stark vertreten, wozu alle Beerensorten, Obst und auch Gemüse zählen. Und Tschechien exportiert zur Zeit - so Thomas Dosch - vor allem biologischen Buch-weizen.
Tschechien hat ähnliche Bedingungen wie bei uns. Da ist die Vorteilhaftigkeit der Produkte nicht so gegeben wie in Ungarn. Auch aus Tschechien wird zum Teil Getreide gekauft. Buchweizen. Auch etwas, was bei uns nicht angebaut wird. Buchweizen ist eine Frucht, die extensiv angebaut werden muss, damit sie gut gedeiht. Also solche Früchte werden exportiert. Zum Teil dann auch Fruchtzubereitungen. Aber das alles in einem wesentlich kleineren Rahmen, als das in Ungarn der Fall ist.
Die angestrebte EU-Osterweiterung wird somit erhebliche Auswirkungen auf den innereuropäischen Öko- und Umweltmarkt haben und schon jetzt fürchten sich viele westeuropäische Firmen und Öko-Bauern vor der Konkurrenz aus dem Osten. Lohn- und Produktionskosten sind in Mittel- und Osteuropa wesentlich niedriger als in Westeuropa. Seit 1997 gibt es in diesen Ländern außerdem staatliche Fördermittel für die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft. In Ungarn werden Kontroll- und Laborgebühren bis zu 7O Prozent gefördert. Die Kosten für ausgesuchte Betriebsmittel wie Saatgut, Stallmist und spezielle Hilfsstoffe, wie zugelassene Pflanzenschutzmittel zu 4O Prozent.
Das jährliche Budget des ungarischen Landwirtschaftsministeriums für diese Fördermaßnahmen war zwischen 1997 und 2OO1 mit umgerechnet 414.OOO Euro konstant und wurde im letzten Jahr auf 7 Millionen Euro erhöht. In der Tschechischen Republik hat das Landwirtschaftsministerium ein "Agro-Umweltpunkteprogramm” eingeführt, das jeden Hektar des ökologischen Landbaus mit 2OO bis 23O Euro subventioniert. Und seit 2OO2 können die europäischen ISPA-Zuschüsse für Großinvestitionen in Umweltbereich beantragt werden. All das macht sich preislich bemerkbar. Die mittel- und osteuropäischen Betriebe können billiger produzieren und billiger verkaufen. Thomas Dosch hierzu
Also wenn ein Verarbeitungsbetrieb in Deutschland also in Polen beispielsweise Weizen einkauft, dann bezahlt er etwa 26 bis 28 Euro für einen Doppelzentner, für hundert Kilo. In Deutschland etwa 2 bis 2,5 Euro mehr für einen Doppelzentner. Und das macht auf die Menge gerechnet natürlich erheblich aus. Selbst der Transport frisst also diese Mehrkosten nicht auf.
Aus diesem Grund ist die osteuropäische Öko-Landwirtschaft extrem exportorientiert. Von rund 45.OOO Tonnen Bioware hat Ungarn allein im Jahr 2OO1 36.OOO Tonnen exportiert, das heißt 8O Prozent der Gesamtproduktion. In den anderen EU-Beitrittsländern sieht es ähnlich aus, so dass viele Umwelt- und Agrarexperten mittlerweile sogar von der "Exportfalle” sprechen, da die osteuropäische Ökoproduktion die Entwicklung der Binnenmärkte vollkommen vernachlässigt. Das ungarische Landwirtschaftsministeriums will zwar die Anbaufläche für die ökologische Landwirtschaft bis zum Jahre 2OO5 auf rund 4OO.OOO Hektar vergrößern, doch das führt nicht automatisch zu einer Erweiterung des internen Absatzmarktes. Denn solange Bioprodukte in Ungarn, Tschechien und Polen noch bis zu 5O Prozent teurer sind, als die konventionellen Waren, wird das Interesse der Konsumenten dafür nicht zunehmen. Wobei die Bio-Produkte in Tschechien bis heute noch nicht einmal mit einem besonderen Qualitätssiegel erkennbar ausgezeichnet sind.
Tamas Mokry, Geschäftsführer der ungarischen Firmengruppe Biokorn GmbH und ehemaliger Generalsekretär des Fachverbandes "Biokultura” meint, dass die ungarische Öko-Agrarpolitik von Anfang an exportorientiert war und sich fast ausschließlich an der großen Nachfrage im Westen orientiert.
Die Nachfrage nach Ökoprodukten ist in den westlichen Ländern sogar größer als das dortige Angebot, das heißt, sie ist größer als die Menge, die dort überhaupt angebaut werden kann, während die Inlandsnachfrage eher gering ist, weil die Konsumenten die erhöhten Preise dieser Waren nicht bezahlen können. In diesem Jahr wurden in Ungarn zwischen 5O.OOO und 6O.OOO Tonnen Bioprodukte hergestellt und die gehen deshalb wieder zu neunzig Prozent auf den westlichen Markt.
Und das unterscheidet eben Umwelttechnik von Bio-Produktion, meint Anna Szekely, die Vorsitzende des "Vereins der ungarischen Umweltunternehmen”. Die Umwelttechnik hängt als Dienstleistung weniger von der Kaufkraft einzelner Privatpersonen, als vielmehr von inländischen Firmen und staatlichen Einrichtungen ab, die sie in Anspruch nehmen. Sie stellt somit einen Sektor dar, der innerhalb der mittel- und osteuropäischen Staaten expandiert.
Dienstleistungen werden immer vor Ort in Anspruch genommen. Deshalb ist für die osteuropäische Umwelttechnik der eigentliche Markt Osteuropa. Einige unserer Firmen haben in Rumänien, in der Slowakei oder in Tschechien schon viele so genannte Joint-Ventures gegründet. Hier ist es eher so, dass westliche Firmen in Osteuropa strategische Partner suchen, um der osteuropäischen Konkurrenz standhalten zu können.
Der ungarische Bio-Export - so Tamas Mokry - erwartet dagegen von der angestrebten Zollunion mit der EU einen weiteren, grossen Aufschwung. Denn, so erklärt er:
Es ist zwar auch jetzt schon möglich, gewisse Produkte zollfrei in die Union einzuführen. Aber das ist alles mit einem großen Aufwand an Verwaltung verbunden. Und wenn das einmal wegfällt, wird sich die Marktposition der ungarischen Bio-Produkte natürlich weiter verbessern.
Deutsche Öko-Spezialisten betrachten diesen osteuropäischen Biomarkt und seine Exportbegeisterung jedoch mit etwas mehr Skepsis. Zu ihnen gehört auch Lutz Ribbe, der Direktor der Stiftung Euronatur. Seiner Meinung nach führt diese extreme Exportorientierung oftmals zu einer falschen Umwelt- und Agrarpolitik. Wie etwa in Polen, wo agrarpolitisch tendenziell eher die Grossbetriebe und weniger die ökologischen Kleingehöfte und Kleinbetriebe staatlich gefördert und subventioniert werden.
Eine solche Politik ist natürlich vom Umweltschutz her erst mal kritisch zu sehen. Die Kleinstrukturen werden abgeschrieben, als unmodern, ja ich will schon fast sagen: diffamiert. Und Modernität macht sich dann an Größe und Traktorausstattung fest und eben nicht an der Frage, wie produziert wird.
Eine noch immer mangelhafte Logistik in Verarbeitung, Vertrieb und Marketing kommt als zusätzlich hemmender Faktor hinzu. Deshalb - so Lutz Ribbe - sei zumindest in naher Zukunft ein osteuropäischer Exportboom nicht zu erwarten.
Ende der Achtziger, Anfang der neunziger Jahre war’s so, dass quasi alle osteuropäischen Staaten im Agrarbereich einen Handelsüberschuss hatten mit der Europäischen Union. Das betrifft jetzt primär nicht den Öko-Bereich, sondern generell den Agrarbereich. Und das war ja dann auch die Zeit, wo die Ängste im Westen losgingen, nach dem Motto: oh wei, oh wei, was kommt da auf uns zu ? Die werden billig produzieren. Die Arbeitskosten sind gering, wenn die jetzt ein bisschen Geld in die Hand kriegen, dann überfahren die uns. Dieses Bild hat sich komplett gedreht. Mit Ausnahme von Ungarn. Ungarn hat immer noch einen Handelsbilanzüberschuss. Die anderen Länder haben ein Handelsbilanzminus. Das heißt, sie sind zu Netto-Importeuren geworden von Agrarprodukten.
Außerdem gibt es in Polen eine hohe Quote an Selbstversorgungswirtschaft. Während die großen Städte wie Warschau boomen, leidet gerade der ländliche Raum unter Arbeitslosenquoten von bis zu 5O Prozent. Viele, die dort Landbau betreiben, weil sie keine andere Erwerbsquelle mehr haben, stehen dem ökologischen Landbau zwar nahe, da sie so gut wie keine Pflanzenschutzmittel benutzen, aber das allein genügt noch nicht. Lutz Ribbe hierzu:
Es gibt ja 2 Millionen Bauernhöfe in Polen noch. Sehr sehr viele Kleinstrukturen. Bauern, die kein Geld haben, intensiv zu produzieren. Diese Bauern sind relativ nah’ am ökologischen Landbau, aber sie sind nicht zertifiziert. Das heißt, sie haben also nicht die geschlossenen Systeme wie bei uns. Sie haben nicht die Kontrollsysteme in der Form, sondern sie...ich sag’s jetzt mal ein bisschen übertrieben, wurschteln stückweit vor sich hin. Und sagen: wir sind doch eigentlich Ökobauern, obwohl sie’s real nicht sind. Sie könnten’s aber sein. Das heißt von der Struktur her würde Polen eigentlich ideale Ansätze bieten, relativ schnell große Teile ihrer Fläche auf den zertifizierten ökologischen Landbau umzustellen.
Doch nicht nur in Polen ist die Zertifizierung ein Problem. Die von den mittel- und osteuropäischen Regierungen erlaubte Teilbetriebsumstellung der Gehöfte auf ökologischen Landbau weist viele Unregelmäßigkeiten auf. Grundsätzlich erlaubt auch die EU-Ökoverordnung eine zeitlich begrenzte Teilbetriebsumstellung, weil sich Betriebe so kostengünstiger auf den "ökologischen Landbau” einstellen können. Betriebe dürfen deshalb beispielsweise in der Tierhaltung Bio-Kühe haben und gleichzeitig Hühner in Käfigen. Oder ganz bestimmte Flächen ökologisch bewirtschaften und andere wieder nicht. Thomas Dosch, der Vorstandsvorsitzende von "Bioland” fürchtet jedoch, dass diese Teilbetriebsumstellungsregelung in Mittel -und Osteuropa zur Dauereinrichtung wird.
Jeder Betrieb braucht seine Zeit, um seine Flächen komplett umzustellen. Ein Grossbetrieb muss sich mindestens zwei Jahre Zeit nehmen. Es darf bei uns höchstens fünf Jahre brauchen, bis der komplette Betrieb umgestellt ist. Aber dann muss Schluss sein. Die EG-Ökoverordnung schreibt es nicht explizit vor und natürlich ist es dann auch wieder kostengünstiger für die Betriebe, teils teils zu wirtschaften. Es wäre in den Ländern, beispielsweise in Ungarn auch nicht schwerer umzusetzen, als bei uns. Es ist nur so, dass sich dort auch die Regierung und die dortigen Verbände entschieden haben, möglichst kostengünstig zu produzieren. Eben unter Exportgesichtspunkten.
Und daneben seien in Mittel- und Osteuropa - so Thomas Dosch - noch andere Unregelmäßigkeiten zu beobachten, die von westeuropäischen Kontrollunternehmen entweder nicht immer entdeckt oder nicht konsequent genug geahndet werden.
Ja, dass zum Beispiel ein Düngemittel eingesetzt wurde, das nicht zugelassen war. Oder dass ein Betrieb mehr Ware verkauft hat, als es uns plausibel war. Das heißt, er hat so viel Ware verkauft, dass wir uns nicht vorstellen konnten, dass die alle auf der eigenen Fläche gewachsen sein kann. Und das legt dann den Verdacht nahe, dass der konventionelle Ware zugehandelt hat.
Deshalb sorgt sich Thomas Dosch weniger um die niedrigen Einkaufspreise der Ökoprodukte aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, als vielmehr um die Einhaltung der ökologischen Produktionsstandarts. Das eine bedingt natürlich das andere, denn wer viel und billig produzieren will, der wird sich kaum an dem vorgeschriebenen Kreislaufsystem des zertifizierten ökologischen Landbaus orientieren, wo nur so viel Tiere gehalten werden dürfen, wie die Fläche erlaubt. Und wo ein Betrieb nur mit dem Mist düngt, den seine eigenen Tiere abgeben. Der exportorientierte Produzent, der viel produzieren muss, ist nämlich immer auf "inputs” von außen angewiesen. Denn, so Thomas Dosch
Wer kostengünstig produzieren will, der macht eben gerade das, was gesetzlich notwendig ist, aber auch nicht mehr. Wir haben den Anspruch mehr zu machen. Aber das erschwert natürlich die Bedingungen für unsere Betriebe. Wir können das am Markt stückweit umsetzen, indem wir eben eigene Warenzeichen verwenden, unsere regionale Produktion in den Vordergrund stellen. Bioland-Warenzeichen ist bekannt. Demeter-Warenzeichen ist bekannt. Um eben auch deutlich zu machen, dass es darauf ankommt, vor Ort die Umweltleistungen eines ökologischen Betriebes zu erzeugen und in Anspruch zu nehmen. Und nicht nur die Produkte weltweit durch die Gegend zu schippern.
Dabei geht es Thomas Dosch keineswegs darum, den deutschen Markt vor vermeintlichen Eindringlingen zu schützen. Ganz im Gegenteil. Die Ökologie, so sagt er, sei eine gesamteuropäische Aufgabe, wobei es den deutschen Öko-Produzenten vor allem darum gehe, wirtschaftliches Wachstum mit einer verbesserten Anwendung und Durchsetzung von Öko-Standarts zu verbinden.
Wir haben hier eine lange Tradition des ökologischen Landbaus. Wir haben damit Know-How-Vorteile und wir haben ein großes Interesse daran, dass sich der Ökolandbau europaweit und auch weltweit durchsetzt. Also, hier geht es überhaupt nicht drum, Märkte von unserer Seite zu schützen. Es ist wichtig, auch aus Umweltgründen, aber auch aus strukturellen Gründen den Ökolandbau voranzubringen.