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Der Ostseestör kommt zurück

Der letzte große Stör in der Oder wurde in den 1960-er Jahren gefangen. Doch seit etwa 15 Jahren bemüht sich die Gesellschaft zur Rettung des Störs, den Fisch in den großen Flüssen wieder anzusiedeln.

Von Eva Firzlaff |
    "Schön tief hier. Passt."

    Jörn Gessner vom Leibnitz-Institut für Fischerei in Berlin gießt den ersten Bottich mit vielen kleinen Stören ins Wasser. Die sind etwa 15 Zentimeter groß und haben schon die charakteristische Störnase. Eine Steinbuhne schützt die kleinen fürs Erste vor der Strömung.

    "Die Stelle gefällt den Stören, weil die von hier aus gleich in tiefes Wasser abtauchen. Man kann das auch schön sehen, sobald sie Wasser berühren, geht es gleich in Richtung Boden. Die Fische werden sich jetzt ein bisschen akklimatisieren. Aber spätestens, wenn heute Abend die Sonne untergeht, die sind nachtaktiv, dann werden sie sich auf den Weg machen ins Untere Odertal."

    Ihre ersten ein, zwei Jahre werden die Störe in der Oder und im Stettiner Haff verbringen, dann wandern sie raus in die Ostsee. Und erst nach 12 bis 16 Jahren – erst dann sind sie geschlechtsreif – werden die, die bis dahin überlebt haben, zurückkommen.

    "Das passiert meistens im späten Frühjahr. Sie brauchen etwa zwei Monate, bis sie ihre Laichplätze erreicht haben, sich dann fortpflanzen und die Alttiere sofort wieder abwandern in die Küstenregionen. Dieses Prozedere kann sich über Jahrzehnte wiederholen. Die Tiere werden bis zu 150 Jahre alt, das heißt, sie haben eine gute Chance, wenn sie alle drei bis vier Jahre sich vermehren, trotz dieses langen Generationszyklus eine erhebliche Fruchtbarkeit zu erreichen."

    Und doch war der Ostseestör ausgestorben. Ein Grund war die Gier nach Kaviar.

    "Seit ungefähr 1840 sind vornehmlich die Fische auf der Laichwanderung gefangen worden, um Kaviar zu erzeugen, Fleisch war ein Nebenprodukt, in dem Fall, ursprünglich war das anders. Ursprünglich wusste keiner von den Fischern, was er mit dem Rogen anfangen sollte, da wurde der Stör gefischt, weil das Fleisch wertvoll und wichtig war."

    Auch die zunehmende Wasserverschmutzung hat dem Stör geschadet. In anderen Flüssen versperren Wehre und Schleusen ihm den Weg in seine Laichgebiete. In der Elbe wurde gerade bei Geesthacht eine extragroße Fischtreppe gebaut, nur weiter in die Havel geht es noch nicht, denn in einen normalen Fischaufstieg passt kein erwachsener Stör.

    "Wir reden von Weibchen, die im Minimum 1,60 bis 1,70 Meter lang sind und um die 30 bis 40 Kilogramm wiegen, wenn sie das erste Mal zurückkommen. Aber die durchaus Längen von über vier Meter und Massen von über 300 Kilogramm erreichen können."

    Michael Tautenhahn, stellvertretende Leiter des Nationalparks Unteres Odertal, verweist auf die Vorteile der Oder für die Rückkehr des Störs.

    "Dass die Oder erstens noch sehr weit durchgängig ist. Sie ist also ohne Querbauwerke wie Wehre und Staubauwerke durchgängig bis in die Mündung der Warthe und von der Warthe bis in die Drawa. Und dort liegen potenzielle Laichgebiete, die uns sehr geeignet erscheinen. Die Laichplätze liegen in den Flüssen über kiesigen Stellen, wo eine gewisse Strömung und Tiefe vorhanden ist. Die Wasserqualität in der Oder ist ach so gut immerhin, dass wir dem Stör dort gute Chancen einräumen."

    Auch in Polen werden junge Störe ausgesetzt, in der Weichsel. Litauen macht mit.

    Frankreich stellt Jungfische bereit, die in der Elbe ausgesetzt werden. Und warum der ganze Aufwand?

    "Der Stör ist auch historisch ein wichtiger Bestandteil der großen Flüsse. Letztlich gehört er hier rein. Der zweite Grund ist, der Stör hat sehr unterschiedliche Lebensraumbedürfnisse, auch die ökologischen Nischen, die viele andere Wanderfischarten nutzen. Was wir für den Stör machen, auch in Verbesserung der Lebensräume, kommt anderen Fischarten zugute, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden."

    Ein Teil der ausgesetzten Störe trägt eine kleine Marke auf dem Rücken. Und wer einen Stör fängt – Angler oder Fischer – ist gebeten, die Zahlen der Marke an die Gesellschaft zur Rettung des Störs oder den Nationalpark zu übermitteln und vor allem den Fisch wieder ins Wasser zu setzten. So wie Lutz Zimmermann, Fischer in der Nähe von Schwedt.

    "Ich habe von diesen markierten, die ausgesetzt wurden, schon einige Störe gefangen, habe die Fangmeldung gemacht, habe sie wieder schwimmen lassen. Die waren vom Gewicht so bis zu einem Kilo und von der Größe so 30 bis 40 Zentimeter. Ist unterschiedlich gewesen. Auf die großen warten wir ja noch, dass die mal irgendwann zurückkommen. Das ist ja noch nicht so weit."