Die Suche nach dem Ausweg aus dem Treibhaus Erde wird in der See von Ochotsk zu einer Fahrt durch die Kälte. Die Luft über diesem Randmeer zwischen der Halbinsel Kamtschatka und dem sibirischen Festland ist heute gerade mal über den Gefrierpunkt geklettert - und das mitten im Juni.
Graublau und eisig liegt das Meer vor uns, die Bugwellen schäumen türkisfarben nach beiden Seiten weg. Im Sommer, drei bis vier Monate lang, ist dieses nährstoffreiche Meer voller Kieselalgen, so genannter Diatomeen. Diese Algen sorgen dafür, dass die Ozeane einiges von dem Treibhausgas Kohlendioxid schlucken, wie der Meeresgeologe Dr. Ralf Tiedemann vom GEOMAR-Forschungszentrum in Kiel schildert:
Die See von Ochotsk ist aufgrund dieser hohen Diatomeen-Blüten auch eine Kohlenstoff-Falle. Das heißt: es wird CO2 aus der Atmosphäre heraus gezogen, eben über die Photosynthese, die im Oberflächenwasser abläuft; und das organische Material wird dann zum Meeresboden verfrachtet, wo es praktisch weg gespeichert wird. Und dadurch wird erneut CO2 wieder heraus gezogen aus der Atmosphäre.
Ralf Tiedemann will durch Analyse der Sedimentschichten vom Meeresgrund erfahren, wie effektiv diese "CO2-Falle Ozean" in der See von Ochotsk in den vergangenen 350.000 Jahren funktioniert hat. Wie ein Baumkuchen der Klimageschichte verraten diese Ablagerungen viel über die Klimaschwankungen in vergangenen Zeiten.
Dieses Wissen soll helfen, die Rolle der Ozeane im globalen Kohlenstoffkreislauf besser verstehen zu lernen. Denn für das Treibhausgas Kohlendioxid ist der Weltozean sowohl Senke als auch Quelle, sagt Michael Sarnthein:
Insgesamt hat der Ozean etwa 60 Mal so viel Kohlenstoff wie die gesamte Atmosphäre; wenn der also nur einen ganz kleinen "Blaserl" macht, dann hat die Atmosphäre schon einen mächtigen Hieb bekommen. Und umgekehrt, wenn wir im Ozean viel aufnehmen, dann kann die Atmosphäre rasch verlieren. Wir rechnen nach den Untersuchungen von dem Joint Oceanographic Flux Study-Programm, JACOFS abgekürzt, dass etwa zwei Fünftel der anthropogen, also vom Menschen verursachten CO2-Produktion aus dem Verbrennen fossiler Brennstoffe, dass diese Größe wieder in den Ozeanen aufgenommen wird, zur Zeit.
40 Prozent Kohlendioxid versinken also in den Weltmeeren, doch viel davon atmen sie früher oder später wieder aus. Nur ein Bruchteil des vom Menschen verursachten CO2 sinkt tief genug, dass es wirklich für lange Zeit von der Atmosphäre ferngehalten wird. Michael Sarnthein:
Am Ozeanboden, sagen wir in 2.000, 3.000 Metern, kommt dann überhaupt nur noch ein Prozent an. Die ozeanischen Tiefenwässer, die sind ja bis 2.000, 3.000 Jahre alt, oder sogar 4.000 Jahre; das ist schon ein ganz schöner Zeitraum; und damit ist es weg, das ist kein Problem. Wenn wir 100, 150 Jahre Zeit hätten, heute mit jedem Verbrennen aufhörten, dann wäre das ganze Problem gelöst.
Jedes Jahr ein Prozent in die Tiefsee und in 100 Jahren ist genügend Kohlendioxid im Meer verschwunden. Eine schöne, eine einfache, aber auch eine unrealistische Rechnung. Wie weit die Menschen davon entfernt sind, wird sich in diesen Tagen auf dem Weltklimagipfel in Bonn zeigen.
Die lichtgrüngelben Kieselalgen in der See von Ochotsk allein werden jedenfalls keinen schnellen Ausweg aus dem Treibhaus Erde weisen können - auch dann nicht, wenn sie nachts hell aufleuchten, so wie es Ralf Tiedemann bereits erlebt hat:
Man muss sich dann nämlich nur mal vorne richtig an den Bug stellen, von dem Schiff, und in das Kielwasser vorne gucken und dann sieht man, dass diese fluroszierenden Algen, wenn sie angestoßen werden, Energie abgeben, Licht! Und das sieht wunderschön aus. Daran kann man zum Beispiel auch Hochproduktionszonen erkennen - vom Schiff aus.