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"Der Pergola-Garten ist das Herzstück der Gärten"

Peter Joseph Lenné ist einer der berühmtesten Gartenarchitekten Preußens. Allerdings entpuppt sich dieser in Wahrheit als echtes Rheinländer-Kind. Auf seinen Spuren geht der Sonntagsspaziergang durch Gärten an der Burg Stolzenfels und Koblenz entlang.

Von Katrin Kühne | 01.04.2013
    "Also hinaus aus der Jacht, das Schloss durchrannt, wie rasend,.. nach der Jacht zurück,…bei Ehrenfels, Pfalzburg und alle den 1000 anderen göttlichen Burgen und Felsen und Strömungen vorbei; ich war matt vor Seligkeit!"

    Das notiert der 20-jährige Kronprinz Friedrich Wilhelm 1815 begeistert ins Tagebuch bei seiner ersten Rheinfahrt. Große Teile des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz waren in der Folge des Wiener Kongresses gerade zu Preußen gekommen. Besonders von einer grandiosen Burgruine hoch über dem Rhein ist der spätere König von Preußen fasziniert.

    "Schloss Stolzenfels ist ein Schloss, das ursprünglich von dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten im 13.Jahrhundert. erbaut worden ist, dann im pfälzischen Erbfolgekrieg wurde das Schloss zerstört und seitdem ist es als Ruine überkommen. Und die Ruine Stolzenfels wurde ihm dann von der Stadt Koblenz zum Geschenk gemacht. Was er aber zunächst nicht annahm. Sondern erst zur seiner Hochzeit mit Elisabeth Ludovica von Bayern."

    Schon bald lässt sich der Architektur-und Gartenbegeisterte Preußenprinz Pläne von Stararchitekt Karl Friedrich Schinkel zum Ausbau der Ruine vorlegen. Auch ein von Bäumen flankierter Weg vom Ufer auf den steilen Burgberg ist geplant. Eben diesen wandern die Kunsthistorikerin Rita Hombach und ich gerade hinauf. Der spätere Generaldirektor der Königlich-Preußischen Gärten Peter Joseph Lenné ist eventuell schon in die Arbeiten involviert. Der geniale Landschaftsarchitekt wird von Nachkommen der Preußen bis heute gern als ihr Lenné vereinnahmt.

    "Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden."

    Tatsächlich entpuppt sich der so preußisch korrekte, aber auch humorvolle Potsdamer Gartendirektor als ein echtes Rheinländer Kind. 1789 in eine Gärtnerdynastie hineingeboren und aufgewachsen ist er direkt am Rheinufer in Bonn. Das Landschaftsbild seiner Heimat:
    "Die kristallenen Fluten des Rheins, die Rebengelände, waldbedeckten Höhen und bemoosten Burgtrümmer"

    Wie es in einer Jubiläumsgrußadresse an ihn heißt - hat Lenné in der Folge erfolgreich nach Norden, an Spree und Havel exportiert. 1840 besteigt der Kronprinz als Friedrich Wilhelm IV. den preußischen Thron und erklärt Stolzenfels am Rhein flugs zu seiner offiziellen Sommerresidenz. Nun geht es endlich so richtig los mit dem Wiederaufbau der Burgruine durch Schinkel und mit dem von Lenné geplanten Bergpark.

    "Das wesentliche Gestaltungsprinzip ist die Bildung nach dem Vorbild der Natur. Wir erleben also hier in diesem Landschaftspark Natur, aber es ist eine idealisierte Natur. "

    Rita Hombach und ich wandern auf dem Serpentinenweg weiter Richtung Burg Stolzenfels. Im dank des Gartenarchitekten schattigen Tal des Gründgesbaches öffnen sich immer wieder überraschende Blicke durch die Laubbäume.

    "Eines der Vorbilder ist die Landschaftsmalerei. Da kommen zum Beispiel solche Stilmittel her, wie der gerahmte Blick."

    Etwa auf die 1836 fertiggestellte St. Menas-Kapelle, wo wiederum die Aussicht auf den Fluss lockt. Wir spazieren über ein Viadukt, das Architekt Schinkel majestätisch über das enge Tal geführt hat. Als wir zurückschauen, 'rahmen' dessen Bögen den Blick ins Rheintal.

    "Und umgekehrt funktioniert das natürlich auch, also der Blick, hier in diese Kehre hier, in diese sehr bewegte Topografie, wird auch von diesem Brückenbogen in die umgekehrte Richtung gerahmt."

    Die Lennéschen Sichtachsen ins Tal, auf das Viadukt, auf die romantisch-gotische "Klause" waren im Laufe der 170 Jahre seit der Fertigstellung völlig zugewachsen. Erst seit den 1990ern wurden die Sichtachsen "mit der silbernen Axt", wie einst der preußische Gartenfürst Pückler formulierte, vorsichtig wieder freigelegt. Zur Eröffnung der Bundesgartenschau in Koblenz vor zwei Jahren konnte die Rekonstruktion des Bergparks abgeschlossen werden. Dabei wurden auch die raffinierten akustischen Elemente wieder erlebbar gemacht, denn einen MP3-Player hatte man damals beim Spaziergang nicht zur Hand. Der Gründgesbach war von Lenné zu Teichen aufgestaut worden, von wo das Wasser heute wieder hörbar teils als munteres Bächlein, teils als rauschende Kaskade zu Tale strömt.

    "Der Pergola-Garten ist das Herzstück der Gärten hier direkt am Schloss. Wir haben hier einmal diese Situation, dass hier eine Ummauerung vorhanden ist. Das bietet sich natürlich an für einen hortus conclusus, für einen geschlossenen Garten, wie er aus der mittelalterlichen Tradition überliefert ist. Zweiter Punkt, wir haben den zentralen Brunnen, wir haben diese kleinen Buchseinfassungen und diese Beetformen, diese sind orientiert an einer gotischen Fensterrose."

    Da Gärten aus dieser Epoche nicht überlebt hatten, greifen Friedrich Wilhelm und sein Gartenbaumeister ganz im Geiste des Historismus auf dieses dekorative Kirchen-Bauelement der Gotik als Brunnen-Schmuckumrandung zurück. Schon bei den Planungen 1836 schreibt der Kronprinz über den zukünftigen Pergola-Garten mit den noch zu bauenden Arkaden:

    "Durch welche Bogen man hinab ins Gärtchen schaute.., mit seinen Rosen, Rebdächern und Brunnen."

    Und einer kleinen Skulptur des rheinischen Recken Siegfried, die auf uns Nachgeborene unfreiwillig komisch wirkt.

    Die preußische Sommerresidenz ist ganz Ausdruck der schwelgerischen Rheinromantik, der sich im 19.Jahrhundert Künstler wie Könige mit großer Leidenschaft hingeben.

    Beim Anblick des hellgelb verputzten Schlosses Stolzenfels mit zinnenbekröntem Burgfried fühlt sich der Preußennachfahre sofort erinnert:
    Kiek ma, Schloss Babelsberg am Rhein?!"

    Oder ist es umgekehrt ein gelbes Backstein- Stolzenfels an der Havel? Tatsache ist, dass das Babelsberg des zum Kronprinzen aufgestiegenen königlichen Bruders Wilhelm, 48 Meter hoch über der Havel und das Stolzenfels des Regenten, 74 Meter hoch über dem Rhein, mit ihren Parks von Lenné und Schinkel zeitgleich und parallel in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts errichtet beziehungsweise ausgebaut wurden.

    Ein weiteres, großartiges Beispiel Lennéscher Gartenkunst am Rhein wurde im Rahmen der BUGA vor zwei Jahren in Koblenz wieder eröffnet - die für die preußischen Royals umgestalteten Gärten des Kurfürstlichen Schlosses. Die Rekonstruktion des hinteren, zum Rhein durch eine Mauer abgeschlossenen königlichen Privatgartens gestaltete sich höchst abenteuerlich. Christine Kirchner von der BUGA-Planung erinnert sich noch gut daran:

    "Wir wussten nie, hat es diese Pergolen, hat es sie eigentlich gegeben oder nicht. Wir wussten auch lange nicht, hat es diese seitlichen Flügel überhaupt gegeben. Da tauchten noch mal neue Zeichnungen auf. -Nämlich damit hat Lenné den Rhein auch in den Garten geholt. Weil, wenn man auf diesen Seitenflügeln lief, konnte man, kann man noch heute, über die Mauer drüber gucken und hatte damit das Wasser im Garten."

    Elegant hat so Lenné den relativ kleinen Garten optisch erweitert.
    Kurz vor seiner endgültigen Rückkehr an seinen geliebten Rhein, nach Koblenz, ist der grandiose Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné nach einem ebenso arbeitsreichen wie künstlerisch höchst erfolgreichen Leben 1866 in Preußen verstorben.



    Der Katalog zur Ausstellung
    P.J.Lenné - Eine Gartenreise im Rheinland", 2011

    die am 23.März auf der Festung Ehrenbreitstein Koblenz wiederaufgenommen wird.

    Zu Schloss Babelsberg, Potsdam der Katalog zur Ausstellung
    Nichts gedeiht ohne Pflege", 2001