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Der Philantrop und der Ameisenbär

Der US-Geschäftsmann Douglas Tompkins machte mit den Modemarken Esprit und The North Face ein Vermögen. Dann verschrieb er sich ganz dem Naturschutz. Jetzt will er im Nordosten Argentiniens einen riesigen Nationalpark schaffen. Dafür bekommt er von der Bevölkerung nicht nur Beifall.

Von Viktoria Eglau | 07.08.2012
    Die Iberá-Sümpfe in Argentiniens nordwestlicher Provinz Corrientes: ein Paradies der Artenvielfalt. Nicht nur der südamerikanische Chajá-Vogel ruft hier. Es gibt insgesamt 350 Vogelspezies, über 150 Tierarten und rund 1400 Pflanzenspezies. In dem mehr als eine Million Hektar großen Feuchtgebiet, das aus Sümpfen, Lagunen, Bächen und Trockenland besteht, soll – wenn es nach der Stiftung des Öko-Philantropen Douglas Tompkins ginge – der größte Nationalpark Argentiniens entstehen.

    "Wir wollen, dass der bereits existierende Naturschutzpark der Provinz Corrientes und das Land unserer Stiftung zusammengelegt werden, um daraus einen Nationalpark zu machen. Wenn die Provinz ihr Land der argentinischen Nationalregierung überließe, würden wir unseren Besitz dazugeben, und es entstünde ein riesiger Nationalpark: 700.000 Hektar groß."

    Erklärt Ignacio Jimenez, rechte Hand des US-Amerikaners Douglas Tompkins, Gründer der Textilmarken Esprit und The North Face. Jimenez arbeitet für Tompkins‘ Naturschutz-Stiftung Conservation Land Trust, kurz CLT, die im Feuchtgebiet Esteros del Iberá 150.000 Hektar Land besitzt. Der Philantrop selbst ist gerade auf seinen Ländereien in Patagonien – und damit für das deutsche Radio nicht zu bekommen. Aber der millionenschwere Ökoaktivist, der vor zwei Jahrzehnten seine Unternehmensanteile verkaufte und anfing, in Südamerika ausgedehnte Flächen zu erwerben, verbreitet seine Philosophie in einer Reihe von Videos.

    "In einer stressigen Welt bieten Nationalparks den Menschen die Möglichkeit der spirituellen Erneuerung. Für unser Glück sind die Einsamkeit in der Natur und die Schönheit unberührter Landschaften absolut unverzichtbar. Nationalparks sind ein Ort für Reflexion und Kontemplation."

    Tompkins‘ Conservation Land Trust kauft Grundstücke, um sie dem Staat zu schenken – wenn dieser mitspielt und das Land in Nationalparks verwandelt. Das gelang zum Beispiel im Süden Chiles mit seinen atemberaubenden Gebirgslandschaften, wo aus einem militärischen Gebiet und Ländereien des CLT der Corcovado-Nationalpark geschaffen wurde. Doch wo auch immer Douglas Tompkins diese Strategie verfolgt, stößt er zunächst auf Ablehnung.

    "Eine der größten Herausforderungen ist die Überwindung politischen Widerstands. Denn die Nutzung von Land ist eine hochpolitische Angelegenheit. Straßenbaufirmen, Landwirte, Gasbohrunternehmen, Staudamm-Bauer oder Stadtentwickler – sie alle verfolgen ihre eigenen Interessen. Aber es ist wahrlich keine weise Idee, jeden Quadratmeter eines Landes und jede seiner Landschaften wirtschaftlich auszubeuten."

    In Südamerika hat Öko-Philantropie, anders als in den USA, keine Tradition. Das erklärt wohl das Misstrauen, mit dem viele Menschen dem Esprit-Gründer begegnen - sagt Ignacio Jimenez, Tompkins‘ Mitarbeiter im Conservation Land Trust:

    "Wenn ein Amerikaner hier jede Menge Land kauft, und erklärt, er wolle auf diesem Land die Natur schützen, und es später der Öffentlichkeit schenken, entstehen gewaltige Konflikte. Denn so etwas haben die Leute noch nie erlebt. Also glauben sie, es steckten andere Absichten dahinter. Hinzu kommt das verbreitete Misstrauen gegenüber US-Amerikanern."

    Als Douglas Tompkins mit dem Landkauf in der argentinischen Provinz Corrientes begann, verbreitete sich bald das Gerücht, er wolle das Wasser aus dem Feuchtgebiet stehlen. Heute haben sich die Gemüter beruhigt, das Engagement des Philantropen wird anerkannt.

    "Der CLT setzt sich für die Bewahrung der Natur ein. Tompkins‘ Stiftung ist für uns ein wichtiger Verbündeter. Ich begrüße es, dass sie hier arbeitet."

    versichert Vicente Fraga, der in der Regierung von Corrientes für den Naturschutz zuständig ist. Die Iberá-Sümpfe erklärte die Provinz 1983 zum Schutzgebiet. In dessen Mitte liegt ein Naturschutzpark – das bedeutet: noch strengere ökologische Auflagen. Der Nationalpark, den Tompkins sich wünscht, hätte die allerhöchste Schutzkategorie. Doch Vicente Fraga hält ihn für keine gute Idee.

    "Ich bin dagegen, dass die Nationalregierung ins Spiel kommt. Dieses Schutzgebiet muss weiterhin von unserer Provinz verwaltet werden. Das können wir selbst. Es ist unsere Herausforderung in Corrientes, die Iberá-Sümpfe zu schützen."

    Nicht nur die Provinzregierung, auch die meisten Bewohner des Feuchtgebiets sind gegen einen Nationalpark. So muss sich der CLT in Geduld üben, und hoffen, dass die Ablehnung irgendwann in Zustimmung umschlägt. Derweil wirbt die Stiftung durch ihre praktische Arbeit für das Projekt. Auf ihrem Besitz hat sie das natürliche Ökosystem mit seiner Biodiversität wieder hergestellt. Unzählige Tierarten, darunter Wasserschweine und Sumpfhirsche, können aus nächster Nähe beobachtet werden. Dem Conservation Land Trust ist es sogar gelungen, den ausgestorbenen Ameisenbären wieder anzusiedeln – dafür verantwortlich ist die Dänin Karina Lerdrup Spoerring:

    "Wir holen Ameisenbären aus anderen Provinzen Argentiniens, wo sie in freier Wildbahn leben, und lassen sie hier in den Iberá-Sümpfen frei. Wir überwachen sie solange, bis wir sehen, dass sie sich in ihrer neuen Umgebung gut eingelebt haben."

    Zwei Dutzend Ameisenbären gibt es inzwischen wieder im Feuchtgebiet, acht wurden dort geboren: eine neue Attraktion für Ökotouristen. Das Kalkül von Tompkins‘ Stiftung: Je stärker die Bewohner der Iberá-Sümpfe auf den Tourismus setzten, desto unvermeidbarer werde dort die Schaffung eines Nationalparks.