Der Vers eines Gedichts vermag uns in Schwermut zu stürzen, Melodien können Jubel oder Tränen auslösen – aber wollen wir wirklich wissen, was in solchen Momenten mit uns geschieht? Die Schönheit eines Objekts wird doch keineswegs schöner, die Rührung keineswegs tiefer, wenn uns ein Wissenschaftler erklärt, welche Prozesse in unserem Gehirn ablaufen oder welche kulturellen Prägungen dafür verantwortlich sind, dass uns ein Kunstwerk ergreift. Jahrhundertelang hat sich hauptsächlich die Philosophie um ästhetische Theoriebildung gekümmert, die Soziologen haben irgendwann auch mitgemischt und gesellschaftliche Rahmenbedingungen erforscht – die Naturwissenschaftler jedoch haben sich rausgehalten.
Das soll sich nun ändern. Ästhetische Empfindungen lassen sich ja schließlich nicht nur philosophisch reflektieren, sondern auch methodisch erforschen und messen. Empiriker vortreten, bitte. Die Max-Planck-Gesellschaft hat die Gründung eines Instituts für empirische Ästhetik mit Sitz in Frankfurt beschlossen. Den Plan dazu ausgeheckt haben zwei Max-Planck-Direktoren, der Psychologe und Neurowissenschaftler Ulman Lindenberger und der Linguist Wolfgang Klein. Die Leitfrage des neuen Instituts erklärt Lindenberger so:
"Wie kommt es, dass Menschen, und vor allen Dingen in Bezug auf Artefakte – uns geht es also tatsächlich um das Kunstschöne – so empfinden, wie sie empfinden, und wie kommt es, dass zum Beispiel dasselbe Artefakt ganz unterschiedliche Valenzen auslösen kann, von hässlich bis schön, von Desinteresse bis Begeisterung. Wir stehen vor dem Rätsel, dass auf der einen Seite alle Menschen so etwas wie ein Schönheitsempfinden haben, und es auf der anderen Seite eine enorme Variabilität gibt in den Gegenständen, die dieses Empfinden auslösen."
Da es Max-Planck-Institute für bildende Kunst bereits in Florenz und Rom gibt, will man die Forschungsfelder in Frankfurt vorerst auf Literatur und Musik einschränken. Vier Direktoren oder Direktorinnen sollen das neue Institut leiten: Zu einem Literatur- und einem Musikwissenschaftler werden sich, wenn die zurzeit noch laufenden Berufungsverfahren abgeschlossen sind, ein Kognitionsforscher und ein Soziologe gesellen.
Das verspricht einerseits empirische Rezeptionsforschung herkömmlichen Stils, also mittels Befragungen, darüber hinaus aber neurologische Tests. Dem Experiment soll eine gewichtige Rolle zukommen. Man nehme zum Beispiel die Erkenntnis aus der Musiksoziologie, dass der Basso Ostinato, ein durchgehender tiefer Basston, auf dem dann Kompositionen aufbauen, in sehr vielen, vielleicht sogar in allen Kulturen der Welt als Mittel genutzt wird. Und dann könnte man doch den Verdacht hegen, sagt Ulman Lindenberger,
"dass dieser tiefe Ton, der da so die ganze Zeit mitschwingt, unmittelbar physiologische Wirkungen hätte. Und dass das dafür sprechen könnte, dass diese Kunstform in so vielen Kulturen anzutreffen sei. Das ist natürlich eine Frage, wo man sofort in die Empirie einsteigen könnte. Indem man sich beispielsweise anschaut, was passiert mit dem Hautwiderstand, was passiert mit dem Herzschlag, was passiert mit dem generellen Erregungszustand und so weiter."
Bei solchen Worten malt man sich unwillkürlich Situationen aus, in denen Probanden, mit diversen Apparaten verdrahtet, dem Hören von Musik oder auch Poesie ausgesetzt werden, um dann ihre Reflexe und Hirnströme zu messen. Worin der Erkenntnisgewinn liegt, wenn ästhetisches Empfinden im Blick auf neuronale oder vegetative Muster geprüft wird, steht dahin. Dass die Industrie ein Interesse haben könnte, Produkte zu entwickeln, deren Ästhetik unser Unbewusstes besonders stark animiert, leuchtet ein. Nun sind aber Max-Planck-Institute keine Datenlieferanten für Marketingabteilungen. Ihr Metier ist die Grundlagenforschung.
Zwei Gefahren erwarten die empirische Ästhetik. Sie will sich der konkreten Fülle schöner Gegenstände widmen und könnte daher erstens Gefahr laufen, sich in Einzelheiten zu verzetteln. Die zweite Gefahr ist die naturwissenschaftliche, insbesondere hirnphysiologische Verkürzung der Phänomene. "Neuro-Reduktionismus" lautet dafür der böse Vorwurf. Aber so, dass die empirische Forschung die philosophische Reflexion ersetzt, wollen die Max Plancker nicht verstanden werden:
"Das wollen wir natürlich nicht. Wir hätten gern ein Institut, in dem die Kunst in ihrer Komplexität zur Geltung kommt, und man trotzdem versucht, sich ihr mit empirischen Methoden zu nähern. Das ist eigentlich der Anspruch, den wir an das Institut anlegen."
Das soll sich nun ändern. Ästhetische Empfindungen lassen sich ja schließlich nicht nur philosophisch reflektieren, sondern auch methodisch erforschen und messen. Empiriker vortreten, bitte. Die Max-Planck-Gesellschaft hat die Gründung eines Instituts für empirische Ästhetik mit Sitz in Frankfurt beschlossen. Den Plan dazu ausgeheckt haben zwei Max-Planck-Direktoren, der Psychologe und Neurowissenschaftler Ulman Lindenberger und der Linguist Wolfgang Klein. Die Leitfrage des neuen Instituts erklärt Lindenberger so:
"Wie kommt es, dass Menschen, und vor allen Dingen in Bezug auf Artefakte – uns geht es also tatsächlich um das Kunstschöne – so empfinden, wie sie empfinden, und wie kommt es, dass zum Beispiel dasselbe Artefakt ganz unterschiedliche Valenzen auslösen kann, von hässlich bis schön, von Desinteresse bis Begeisterung. Wir stehen vor dem Rätsel, dass auf der einen Seite alle Menschen so etwas wie ein Schönheitsempfinden haben, und es auf der anderen Seite eine enorme Variabilität gibt in den Gegenständen, die dieses Empfinden auslösen."
Da es Max-Planck-Institute für bildende Kunst bereits in Florenz und Rom gibt, will man die Forschungsfelder in Frankfurt vorerst auf Literatur und Musik einschränken. Vier Direktoren oder Direktorinnen sollen das neue Institut leiten: Zu einem Literatur- und einem Musikwissenschaftler werden sich, wenn die zurzeit noch laufenden Berufungsverfahren abgeschlossen sind, ein Kognitionsforscher und ein Soziologe gesellen.
Das verspricht einerseits empirische Rezeptionsforschung herkömmlichen Stils, also mittels Befragungen, darüber hinaus aber neurologische Tests. Dem Experiment soll eine gewichtige Rolle zukommen. Man nehme zum Beispiel die Erkenntnis aus der Musiksoziologie, dass der Basso Ostinato, ein durchgehender tiefer Basston, auf dem dann Kompositionen aufbauen, in sehr vielen, vielleicht sogar in allen Kulturen der Welt als Mittel genutzt wird. Und dann könnte man doch den Verdacht hegen, sagt Ulman Lindenberger,
"dass dieser tiefe Ton, der da so die ganze Zeit mitschwingt, unmittelbar physiologische Wirkungen hätte. Und dass das dafür sprechen könnte, dass diese Kunstform in so vielen Kulturen anzutreffen sei. Das ist natürlich eine Frage, wo man sofort in die Empirie einsteigen könnte. Indem man sich beispielsweise anschaut, was passiert mit dem Hautwiderstand, was passiert mit dem Herzschlag, was passiert mit dem generellen Erregungszustand und so weiter."
Bei solchen Worten malt man sich unwillkürlich Situationen aus, in denen Probanden, mit diversen Apparaten verdrahtet, dem Hören von Musik oder auch Poesie ausgesetzt werden, um dann ihre Reflexe und Hirnströme zu messen. Worin der Erkenntnisgewinn liegt, wenn ästhetisches Empfinden im Blick auf neuronale oder vegetative Muster geprüft wird, steht dahin. Dass die Industrie ein Interesse haben könnte, Produkte zu entwickeln, deren Ästhetik unser Unbewusstes besonders stark animiert, leuchtet ein. Nun sind aber Max-Planck-Institute keine Datenlieferanten für Marketingabteilungen. Ihr Metier ist die Grundlagenforschung.
Zwei Gefahren erwarten die empirische Ästhetik. Sie will sich der konkreten Fülle schöner Gegenstände widmen und könnte daher erstens Gefahr laufen, sich in Einzelheiten zu verzetteln. Die zweite Gefahr ist die naturwissenschaftliche, insbesondere hirnphysiologische Verkürzung der Phänomene. "Neuro-Reduktionismus" lautet dafür der böse Vorwurf. Aber so, dass die empirische Forschung die philosophische Reflexion ersetzt, wollen die Max Plancker nicht verstanden werden:
"Das wollen wir natürlich nicht. Wir hätten gern ein Institut, in dem die Kunst in ihrer Komplexität zur Geltung kommt, und man trotzdem versucht, sich ihr mit empirischen Methoden zu nähern. Das ist eigentlich der Anspruch, den wir an das Institut anlegen."