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Der Platz in der Geschwisterfolge

In Leverkusen-Schlebusch wohnt die fünfköpfige Familie Stoffel: Der achtjährige Jakob spielt mit seinem Gameboy, die sechsjährige Florentine leert genüsslich eine Chipstüte, und Luzie, vier Jahre alt, möchte ein Brot mit Schokoladencreme. Ein ganz normaler Nachmittag bei Familie Stoffel. Und während Vater Paul in der Küche seine jüngste Tochter mit Essen versorgt, nutzt Florentine die Chance, von ihren Geschwistern zu erzählen.

Armin Himmelrath |
    Florentine: Mein Bruder heißt Jakob und meine Schwester heißt Luzie und ich heiß Florentine.

    Autor: Dann erzähl doch mal, wie ist das denn, einen großen Bruder und eine kleine Schwester zu haben?

    Florentine: Besonders schrecklich. Weil die kleine Schwester immer heult und weil der Bruder immer direkt zuhaut.

    Luzie: Der darf viel länger als die Flo nach draußen.

    Der große Bruder dürfe außerdem beim Autofahren vorne sitzen, im Kino Harry-Potter-Filme ansehen und abends auch noch länger aufbleiben. Ungerecht sei das, sagt die kleine Luzie, ...

    ... wenn der Jakob länger draußen bleiben darf als wir, weil der größer ist. Und dass die Flo...

    Flo: Hey, du sollst nicht über mir reden.

    Luzie: Flo ist die frechste.

    Flo: Ich hab doch gesagt, dass du nicht wegen mir reden sollst. Hey, du!

    Solche Auseinandersetzungen über die Frage, wer was darf und wer sich ungerecht behandelt fühlt, seien völlig normal, sagt Anja, die Mutter. Außenstehende hätten dafür allerdings oft kein Verständnis. Vor allem, wenn solche Kritiker selber keine Erfahrungen mit drei oder mehr Kindern in einer Familie hätten, sei das richtig ärgerlich, sagt Anja.

    Man muss immer wieder mit Vorurteilen kämpfen, weil es kommt dann so ein Schubladendenken. Die Leute meinen, das mittlere Kind wäre immer unterdrückt, hätte keine klare Position in der Geschwisterreihe, und ich hab dann das Gefühl, ich müsste noch ein viertes kriegen, damit das mittlere sich normal entwickelt. Und dem Druck gebe ich nicht stand. Ist das denn so, dass das Mittlere so Probleme hat? Ja, aber ich glaub, die haben andere Ursachen.

    Flo: Mami, was redest du da für einen Quatsch.

    Anja: Das war gerade das mittlere Kind. Nein, ich glaub, das ist einfach Persönlichkeitssache. Das hat nichts mit der Position in der Geschwisterreihe zu tun, sondern mit der Persönlichkeit des Kindes.

    Wer seine Kinder als eigenständige Charaktere wahrnehme und nicht nur als Objekte der Erziehung, der komme nicht daran vorbei, sich von der Illusion allumfassender elterlicher Gerechtigkeit zu verabschieden, sagt Vater Paul. Eine Gleichbehandlung für alle gebe es ohnehin nicht.

    Na klar behandelt man die unterschiedlich, aber die sind ja auch alle verschieden. Aber ich glaub nicht, dass das mittlere Kind, aufgrund dessen, dass es das mittlere ist, anders behandelt wird.

    Dass beim Umgang der Eltern mit ihren Kindern auch bestimmte Rahmenbedingungen eine Rolle spielen, streitet Paul allerdings nicht ab.

    Der Abstand zwischen Jakob und Flo ist ja länger gewesen wie zwischen Florentine und Luzie. Also, wenn das dritte Kind zu schnell kommt, dass man dann weniger Zeit hat für das mittlere. Könnte sein.