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Der politische Kollateralschaden der Angriffe auf Libyen

Der Beschluss zur UN-Resolution 1973 zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung kam spät - und demonstrierte alles andere als Einigkeit. Insbesondere Deutschlands Enthaltung ist bemerkenswert - wenngleich im historischen Kontext nicht ganz neu.

Von Barbara Roth und Peter Philipp | 21.03.2011
    Hunderte von Marschflugkörpern und Bomben sind seit dem Wochenende auf diverse Ziele in Libyen niedergegangen – auf Flugabwehrpositionen entlang der Mittelmeerküste, an den strategisch wie wirtschaftlich wichtigen Öl-Orten, auf einen libyschen Militärkonvoi auf dem Weg nach Bengasi und sogar - letzte Nacht - auf ein vierstöckiges Gebäude in "Bab Al Aziziyeh", jedem Hauptquartier von Oberst Muammar al Gaddafi, das bereits 1986 von den Amerikanern schwer beschädigt wurde und seitdem als Symbol des Widerstandswillens des Gaddafi-Regimes unrepariert geblieben ist.

    Amerikanische Medien sprechen bereits vom "Krieg in Libyen" und nicht mehr allein von der Einrichtung einer Flugverbotszone zum Schutz der Zivilbevölkerung. Langsam mehren sich weltweit, besonders aber in Europa, Warnungen, dass die Anti-Gaddafi-Koalition sich auf britisches, vor allem aber französisches Betreiben, auf eine "Mission Impossible" eingelassen haben könnte. Sollte Gaddafi am Ende doch recht behalten? Immerhin hatte er bereits vor Tagen den französischen Staatspräsidenten, Nicolas Sarkozy, verhöhnt:

    "Und sieh mal einer an: Frankreich hat angefangen, seinen Kopf zu erheben und von einem Angriff auf Libyen zu sprechen. Denkst du etwa, es ist leicht, Libyen anzugreifen, du Idiot? Wir werden euch schlagen. Wir haben euch in Algerien geschlagen, wir haben euch in Vietnam geschlagen ... Wir haben euch geschlagen. Ihr wollt uns schlagen? Dann kommt doch und versucht es ..."

    Der vermeintliche Papiertiger im Elysée-Palast hatte seit Beginn des Protests in Libyen zielstrebig an einer Intervention in Libyen gearbeitet. War ihm die eigene Kungelei mit den inzwischen gestürzten Präsidenten Tunesiens und Ägyptens, Ben Ali und Mubarak, oder gar der eher herzliche Umgang mit Gaddafi in den letzten Jahren peinlich? Man weiß es nicht. Auf jeden Fall wollte Sarkozy eine führende Rolle übernehmen beim Versuch, in Tripolis einen Machtwechsel herbeizuführen.

    Für jede Veränderung der Machtverhältnisse, auch für eine Intervention zum Schutz der gefährdeten Zivilisten, wäre aber die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates und nötig – idealerweise auch der Arabischen Liga. Die beide jedoch aus rechtlichen Gründen nur im Ausnahmefall bereit sind, sich in die internen Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.
    Doch der Vormarsch der libyschen Regierungstruppen auf die Zentren des Widerstandes war bereits in vollem Gange und ein blutiges Ende des Aufstandes zeichnete sich immer deutlicher ab. Eile war geboten und so überwand die Arabische Liga am 12. März ihre bisherigen Widerstände. Liga-Generalsekretär Amre Moussa:

    "Was die Flugverbotszone betrifft, so hat sie ein Ziel: die Zivilbevölkerung zu schützen. Ohne Rücksicht auf irgendeinen Präzedenzfall: Wir wollen die Zivilbevölkerung in Libyen schützen – nach all den Berichten von Angriffen und Verlusten und einer sehr gespannten, einer sehr blutigen Lage dort."

    Gleichzeitig aber stellte die Liga klar, man wolle keine fremde Militär-Intervention in Libyen – schon gar nicht von Seiten der NATO, die in den Augen der meisten Araber diskreditiert ist. Dennoch war durch diese Erklärung der Weg frei zu den Vereinten Nationen. Dort brachte der Libanon im Auftrag der Arabischen Liga einen Antrag ein, die Flugverbotszone über Libyen zu erzwingen. Die Resolution 1973 kam rascher zustande, als man es aufgrund der bisherigen Trägheit aller internationalen Instanzen hatte erwarten können. Nicht nur das: Sie ging über die geforderte Flugverbotszone selbst hinaus, wie aus der Erklärung der amerikanischen UN-Botschafterin, Susan Rice, hervorgeht:

    "Am 12. März rief die Arabische Liga den Sicherheitsrat auf, eine Flugverbotszone einzurichten und andere Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten zu ergreifen. Die heutige Resolution ist eine kraftvolle Antwort auf diese Bitte und die dringenden Bedürfnisse vor Ort. Diese Resolution verlangt eine sofortige Waffenruhe und ein völliges Ende der Gewalt und der Angriffe gegen Zivilisten. Auf Bitten des libyschen Volkes und der Arabischen Liga hat der Sicherheitsrat die Anwendung von Gewalt erlaubt – einschließlich der Durchsetzung einer Flugverbotszone - um Zivilisten und zivile Gegenden zu schützen, die von Oberst Gaddafi, seinen Geheimdienst- und Sicherheitskräften wie auch seinen Söldnern angegriffen wurden."

    In Tripolis erschien nur Stunden nach Verabschiedung der Resolution 1973 überraschend der libysche Außenminister, Mussa Kussa, vor der Presse und versicherte – demonstrativ zerknirscht – dass sein Land diese Resolution natürlich respektieren werde. Denn nichts liege der Regierung in Tripolis mehr am Herzen, als die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Aus diesem Grunde sei man auch zu einer sofortigen Einstellung aller Kampfhandlungen bereit:

    "Mein Land wird sein Bestes tun, positiv mit dieser Resolution umzugehen. Die Jamahariya legt großen Wert darauf, die Zivilisten zu schützen und bietet ihnen jede notwendige humanitäre Hilfe und die Respektierung der Menschenrechte - entsprechend internationalem und humanitärem Gesetz. Und sie verpflichtet sich auch zum Schutz aller Ausländer in Libyen wie auch ihres Besitzes."

    Eine Erklärung, deren Sinn bis heute unklar ist. Denn das Regime von Oberst Gaddafi hatte ganz offensichtlich nicht vor, wirklich Ruhe einkehren zu lassen und schon gar nicht, die in den letzten Tagen eroberten Orte wieder aufzugeben. Im Gegenteil: Der Vormarsch der Truppen ging weiter.

    Erstaunlicherweise hatte es bei der Abstimmung über die Resolution 1973 kein Veto eines der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gegeben. Ebenso erstaunlich aber war für viele, dass Deutschland sich der Stimme enthielt - wie auch Russland, China, Indien und Brasilien. Denn Deutschland ist ein Partner Frankreichs, Englands und der USA. Nur wenige Stunden später dann die nächste Überraschung, diesmal in Paris: Nicolas Sarkozy eröffnete einen Sondergipfel zum Libyenkonflikt mit der Erklärung, dass Frankreich bereits begonnen habe, die Beschlüsse des Sicherheitsrates um- und durchzusetzen – und zwar zunächst allein:

    "Die Teilnehmer sind übereingekommen, alle notwendigen – vor allem: militärischen – Mittel einzusetzen, um den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu dem ihnen gebührenden Respekt zu verhelfen. Deswegen werden sich unsere Luftstreitkräfte - in Absprache mit unseren Partnern – jeder Aggression der Flugzeuge von Oberst Gaddafi gegen die Bevölkerung von Bengasi widersetzen. In diesem Moment verhindern unsere Flugzeuge Luftangriffe auf die Stadt. In diesem Moment sind andere französische Flugzeuge bereit, gegen Panzerfahrzeuge zu intervenieren, die unbewaffnete Zivilisten bedrohen könnten."

    Die ersten Stunden schienen von den Flügen der französischen Luftwaffe beherrscht. In der darauf folgenden Nacht aber feuerten amerikanische und britische Kriegsschiffe ihre ersten Salven von Marschflugkörpern ab und es gab keinen Zweifel mehr: Der Krieg hatte begonnen.

    Auch Oberst Gaddafi muss das verstanden haben. Ohne jedoch die richtigen Konsequenzen zu ziehen. In der ihm eigenen Mischung von Bauernschläue und jeglichem Mangel an Realitätsverständnis ließ er von seinem Sprecher aus einem offenen Brief an US-Präsident Barack Obama zitieren:

    "An meinen geschätzten Freund, Präsident Barack Hussein Obama. Wir befinden uns im Kampf mit der Organisation 'Al Qaida'. Was würdest du tun? Würdest du zulassen, dass sie sich mit Waffengewalt in amerikanischen Städten breitmacht? Sag mir, was du tun würdest, damit ich ebenso verfahren kann."

    US-Präsident Obama beeindruckte diese Erklärung nicht sonderlich: Hatte er sich zunächst weitgehend zurückgehalten und bestenfalls von der Notwendigkeit gesprochen, dass Gaddafi zurücktreten müsse, wurde er beim Staatsbesuch in Brasilien deutlicher:

    "Wir können nicht tatenlos zusehen, wie ein Tyrann seinem Volk sagt, es werde keine Gnade geben, und wie seine Streitkräfte ihre Angriffe auf Städte wie Bengasi und Misrata verstärken, wo unschuldige Männer und Frauen Brutalität und Tod durch ihre eigene Regierung drohen. Wir müssen deswegen klar sagen: Aktionen haben ihre Folgen und der Wille der internationalen Gemeinschaft muss umgesetzt werden."

    Oberbefehl über die Aktion soll aber nur vorübergehend in amerikanischen Händen liegen; und die NATO wird auch weiterhin nicht eingeschaltet werden, weil die Arabische Liga und Sarkozy dagegen sind. Und es ist deutlich aus den Erklärungen amerikanischer Militärs herauszuhören, dass das Kriegsziel ja im Grunde erreicht sei. Denn Flüge der libyschen Luftwaffe seien seit Beginn der Operation nicht mehr beobachtet worden. Wenn das Ziel wirklich nur die Einrichtung der Flugverbotszone gewesen sein sollte – und nicht der Sturz Gaddafis.

    Im Gegensatz zu Washington scheint Paris aber mehr anzustreben – nämlich die aktive Unterstützung der Gaddafi-Gegner: So preschte es schon früh vor und erkannte den in Bengasi angesiedelten Interimrat als rechtsmäßige Regierung an, nachdem dessen wichtigste Vertreter Paris besucht hatten. Der Sprecher des Rates, Mustafa Gheriani, hatte sich da schon überschwänglich geäußert über den Alleingang der Franzosen, dem die anderen Europäer bis heute nicht gefolgt sind:

    "Das Wichtigste ist, das Eis zu brechen und dass der Rest Europas und anerkennt. Dies ist ein großer Schritt und wir wissen das zu schätzen. Wir hoffen, dass sie uns mehr Unterstützung geben. Etwa, indem man die EU ermutigt, eine Flugverbotszone einzurichten. Dies ist der erste Nagel im Sarg Gaddafis und wir hoffen, dass bald mehr Nägel vom Rest Europas kommen."

    Das war denn doch wohl etwas zu optimistisch: Selbst nachdem die Flugverbotszone erzwungen wurde, ist nämlich völlig unklar, wie darüber hinaus mittel- und langfristig die Sicherheit der Zivilbevölkerung gewährleistet werden kann. Die libysche Opposition hatte sich bereits in den Tagen ihrer Erfolge als zu schwach gezeigt, um das Regime Gaddafis wirklich zu stürzen. Die Bewaffneten unter ihnen sind Überläufer oder Amateure, das gilt auch für die politischen Führer. Die Weltgemeinschaft hat deshalb auch noch immer keine verbindliche Antwort geben können auf die Frage, ob man sich auf diese Leute denn überhaupt verlassen und mit ihnen ein neues Libyen aufbauen kann.

    So ist der Chef des Interimrates der ehemalige Innenminister und langjährige Gaddafi-Vertraute Abdul Fattah Junes, ein weiterer Führer der ehemalige Justizminister Jalil. Die bisherigen Botschafter in Delhi, Washington und der bei der UNO sind übergelaufen, sie haben sich in der Vergangenheit aber nicht gerade hervorgetan durch offenen – oder auch nur inneren – Widerstand. Selbst wenn sie nun wirklich alle nur die besten Absichten haben sollten: Alleine werden sie diese kaum verwirklichen können.

    Und so gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder das Ausland hilft ihnen - das aber dürfte dazu führen, dass sie nicht mehr auf die Unterstützung durch die Arabischen Liga und das bisher einzige arabischen Land zählen können, das sich zum Einsatz in Libyern bereit erklärt hat – Qatar. Zunächst war auch von einer Beteiligung der Vereinigten Arabischen Emirate die Rede, dies scheint aber vorläufig vom Tisch zu sein. Zumal der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Moussa, am Sonntag auch noch klagte, der Militäreinsatz gehe über das hinaus, was man beschlossen habe:

    "Die Sache ist anders als ihr erklärtes Ziel: Wir wollen die Zivilisten schützen, nicht weitere Zivilisten bombardieren. Das ist mehr als klar."

    Oder aber – Option zwei: Das Land wird geteilt und beide Teile lauern darauf, bei nächstbester Gelegenheit wieder aufeinander loszugehen. Dann würde der Libyen-Einsatz - oder dann Libyenkrieg - möglicherweise zu einer ausgedehnten Angelegenheit für die internationale Gemeinschaft.

    Was das aber bedeuten könnte – um das zu ahnen, müssen Deutsche und Briten nicht weit zurückgehen in die Historie: Im Zweiten Weltkrieg war Libyen Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen den Achsenmächten Deutschland/Italien und den Briten - besonders in Tobruk - östlich von Bengasi. Ein Berichterstatter der Deutschen Wochenschau damals beim Frontbesuch des deutschen Feldmarschalls Rommel vor Tobruk

    "General Rommel gibt Befehl zum neuen Angriff. Artillerie nimmt die feindlichen Stellungen unter Feuer ... "

    Es sei vielleicht die Angst, vor dem Aufleben dieser historischen Parallele, die Deutschland gehindert habe, die Hand für den militärischen Einsatz in Libyen zu haben, vermuten manche Intellektuelle in Frankreich.

    Deutschlands Außenminister, Guido Westerwelle, jedenfalls bleibt dabei: Die Entscheidung Deutschlands, einer Flugverbotszone über Libyen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Zustimmung zu versagen, sei richtig gewesen. Deutsche Soldaten dürfen nicht Teil eines Bürgerkrieges in Libyen werden. Wie ein Mantra wiederholt Westerwelle seit Tagen diesen Satz.

    "Hätten wir dieser Resolution zugestimmt, waren wir als eines der großen NATO-Länder längst aufgefordert worden, auch mit deutschen Soldaten in Libyen dabei zu sein. Das ist eines der entscheidenden Argumente, eines der entscheidenden Gründe, warum wir uns enthalten haben."

    Eine Flugverbotszone sei eine militärische Intervention, die den Einsatz von Bodentruppen nach sich ziehen könne, springt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) seinem Kabinettskollegen zur Seite. Und damit ist der eigentliche Grund der deutschen Zurückhaltung genannt: In der schwarz-gelben Koalition überwiegt die Angst, in Libyen in einen langjährigen Krieg verwickeln zu werden - ähnlich wie in Afghanistan.

    "Wir nehmen unsere internationale Verantwortung wahr. Alleine 7000 deutsche Soldaten sind international eingesetzt. Wir teilen auch die Ziele der Resolution, aber die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt."

    Die Enthaltung Deutschlands sei nicht mit Neutralität zu verwechseln, beeilt sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu betonen. Die US-Streitkräfte etwa dürfen ihre Stützpunkte auf deutschem Boden für die Aktionen in Libyen nutzen. Und um dem Eindruck vorzubeugen, Deutschland wolle sich – wieder einmal – drücken, bietet die Bundesregierung ihren Bündnispartnern ein Tauschgeschäft an: Deutsche Soldaten sollen sich nun doch am Einsatz von AWACS-Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan beteiligen, damit sich die NATO gegebenenfalls stärker auf Libyen konzentrieren kann. Das Bundeskabinett wird noch am Mittwoch ein entsprechendes Mandat beschließen, um es anschließend zur Abstimmung in den Deutschen Bundestag zu bringen.

    "Und deswegen ist der Eindruck, Deutschland sei in Europa oder auch in der internationalen Gemeinschaft isoliert völlig falsch. Viele andere Länder – auch in der Europäischen Union – verstehen nicht nur unsere Haltung, respektieren sie nicht nur, sondern sie teilen sie und verhalten sich genauso."

    Auf Nachfrage konnte der FDP-Politiker jedoch nur Polen nennen. Warum diese plötzliche Zurückhaltung des Außenministers, der wochenlang mit viel Pathos auf die Rechte der Menschen in Nordafrika auf Freiheit und Demokratie gepocht hatte? Nicht nur in der arabischen Welt regt sich deshalb nun Zweifel an Westerwelles Glaubwürdigkeit - auch in der schwarz-gelben Koalition schüttelt manch einer den Kopf. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), kritisiert:

    "Wir haben einer Resolution zugestimmt im Sicherheitsrat. Gaddafi soll vor den Internationalen Strafgerichtshof und dann haben wir als Maßnahme gesagt, wir sind bereit Sanktionen mitzutragen. Da klafft natürlich eine operative Lücke, denn Sanktionen wirken mittel- bis längerfristig, sie wirken aber nicht sofort."

    Womit deutlich wird, auch in den eigenen Reihen wurde unverblümt Kritik an der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat geübt. Dass sich die Bundesregierung ausgerechnet unter der Verantwortung von Merkel und Westerwelle einer sogenannte Koalition der Willigen aus US-Amerikanern, Franzosen und Briten verweigert, passt bei Weitem nicht jedem in der Union. So mancher fürchtet um den Ruf der Deutschen als verlässlicher Bündnispartner. Doch nicht nur innerhalb der Regierungsfraktionen wurde laut die Sorge geäußert, Deutschland habe sich in der Libyen-Frage isoliert. Dem Verteidigungsexperten der Grünen, Omid Nouripour, geht es um den Schutz der libyschen Zivilbevölkerung vor dem Gaddafi-Regime.

    "Das war eine Blamage, das war ein Armutszeugnis. Die deutsche Bundesregierung hätte im Sicherheitsrat mit Ja stimmen müssen. Und Gaddafi tatsächlich die rote Karte zeigen müssen."

    Verkehrte Welt in der deutschen Innenpolitik. Ausgerechnet von der Linkspartei hören der Bundesaußenminister und mit ihm schwarz-gelb nur lobende Worte – die Meinungen innerhalb der Bundestagsfraktionen der Grünen und der SPD dagegen sind gespalten: Die Parteiführung um den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel etwa zeigt Verständnis für die Haltung der Bundesregierung. Die frühere Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul dagegen machte ihrer Empörung Luft.

    "Es gibt das Prinzip der Schutzverantwortung. Und ich finde es eine Schande, dass die deutsche Bundesregierung in der Situation als Mitglied des UN-Sicherheitsrates sich enthalten hat. Gegenüber Despoten kann es nicht in diesen Entscheidungen keine Enthaltung geben."

    Und auch der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich spricht von mangelndem Mut bei der Durchsetzung von Menschenrechten. Nicht nur er mutmaßt, dass es innenpolitische Motive sind, die am ehesten die Haltung der Bundesregierung erklären.
    Denn tatsächlich kann die schwarz-gelbe Koalition im Vorfeld der anstehenden Landtagswahlen einen möglichen Bundeswehr-Einsatz nicht auch noch brauchen – hat sie doch schon mit der Kehrtwende in der Atompolitik ihrer Wählerschaft schon einiges zugemutet. Es gilt auch, einen erneuten innenpolitischen Streit vermeiden, wie es ihn Jahre zuvor während der Debatte über einen Krieg gegen den Irak gegeben hatte. Der damalige US-Präsident George W. Bush drängte – übrigens ohne UN-Mandate – auf eine internationale Intervention gegen Diktator Saddam Hussein, der sich im Jahr 2003 Gerhard Schröder als Kanzler der rot-grünen Bundesregierung verweigerte. Der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer ergänzte an die Adresse der US-Amerikaner.

    "Meine Generation hat dabei gelernt: You have to make a case. And to make a case in a democracy you have to convince by yourself. And excuse me - I'm not convinced. That's my problem."

    Schröder und Fischer handelten im Jahr 2003 zusammen mit Russland und Frankreich. Doch zuhause wurden sie wegen ihrer Abkehr von den USA schwer gerügt: Angela Merkel hielt es damals als CDU-Chefin sogar angebracht, sich in den USA für so eine Bundesregierung zu entschuldigen.

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