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Kritik an Bundesregierung
Der Politologe Matthias Bernt beklagt grundlegende Fehler beim Wohnungsbau in Deutschland

Nach Ansicht des Politologen Matthias Bernt gibt es zu wenig ernste Bemühungen, um grundlegende Fehler beim Wohnungsbau zu beheben. Die Wohnungskrise sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

    Ein mehrstöckiges Haus mit mehreren Balkonen
    Wohnungskrise in Deutschland. (imago / Michael Gstettenbauer )
    Mathias Bernt ist Leiter des Forschungsschwerpunkts "Politik und Planung" am "Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung". Der Politologe sieht einen engen Zusammenhang zwischen dem Rückzug des Staates aus dem Wohnungssektor und steigenden Mieten. So habe es in Westdeutschland in den 80er Jahren rund vier Millionen Sozialwohnungen gegeben, aktuell seien es nur noch eine Million, sagte Bernt im Deutschlandfunk. In Deutschland gebe es für einen Investor Fördermittel dafür, dass er zeitlich befristet Sozialwohnungen anbiete. Fielen die Wohnungen aus der Sozialbindung, stiegen die Mieten, erklärte Bernt. Zudem hätten in den Nullerjahren viele Kommunen Wohnungen aus ihrem Bestand verkauft. Er betonte, viele Menschen müssten in Deutschland einen hohen Teil ihres Budgets für Mieten aufbringen. Das betreffe nicht nur Bezieher von Sozialleistungen. Die Wohnungskrise sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

    Vorschlag Wohnungsgemeinnützigkeit

    Der Forscher des Leibniz-Instituts kritisierte, dass in Deutschland zu wenig passiere, um gegen die Krise vorzugehen. So gebe es seit fast einem Jahrzehnt den Vorschlag für eine Wohnungsgemeinnützigkeit, die eine spezielle steuerliche Förderung für Unternehmen vorsehe. Das hätten SPD und Grüne im Wahlkampf gefordert, es sei sogar Teil des Koalitionsvertrags der Bundesregierung geworden. Aber ein entsprechender Vorschlag liege nun im FDP-geführten "Justizministerium fest", so Bernt. Vieles würde aufgrund der Koalitionsdynamik blockiert.
    Zum Vorschlag von Bundeskanzler Scholz (SPD), neue Wohnquartiere wie in den 70er Jahren zu bauen, sagte Bernt, es sei besser, in den Innenstädten das Potenzial für Wohnraum zu bergen, anstatt auf die Außenentwicklung zu setzen. Zwar gebe es viele gelungene Beispiele im Ausland für Großwohnsiedlungen. Bernt sieht aber die Gefahr, dass die Infrastruktur in diesen Gebieten vernachlässigt wird. In Berlin gebe es beispielsweise das Potenzial, durch Lückenbauten 200.000 Wohnungen zu schaffen. Das sei allerdings anspruchsvoller für Investoren als eine neue Siedlung am Stadtrand zu bauen.

    Weiterführender Link:

    Streit um erste Pläne für Wohnungsgemeinnützigkeit (15.06.2023)
    Diese Nachricht wurde am 26.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.