Man muss sich Hans Ulrich Gumbrecht ein wenig wie jenen Bittsteller aus Francis Ford Coppolas "Der Pate" vorstellen, der gleich zu Beginn der Saga ihrem Helden Vito Corleone gegenüber bekennt: "I believe in America". Er bekennt dies, wie Gumbrecht in seinem neuen Buch selbst hervorhebt "mit einem italienischen Akzent, unter dem sich die Balken biegen". Auch Hans Ulrich Gumbrechts Englisch trägt nach über 20 Jahren, die der Literaturwissenschaftler schon in den USA lebt, noch unverkennbare Spuren seiner deutschen Muttersprache. Seine Studenten mögen das zwar charmant finden, er selbst aber, schreibt Gumbrecht, komme sich zuweilen vor wie eine dieser Gestalten in Kinderbüchern, "die irgendwo im Leim oder im Teer kleben bleiben".
Gleichwohl scheint sich der Stanforder Professor mit diesem Manko inzwischen arrangiert zu haben; die perfekte Aussprache gilt ihm nicht als Grundvoraussetzung zum Amerikaner-Sein. Auch die Emphase, mit der man sich zu Amerika bekennt, muss nicht so inbrünstig vorgetragen werden, wie er selbst seine patriotischen Aufwallungen eine Zeit lang kund zu tun pflegte: Es sei zu einem "Exzess im Amerikaner-Sein" gekommen, gibt er heute zu, ein Exzess, für den er in Deutschland zuweilen mit Spott bedacht wurde.
"Der 11. September 2001 musste mir also wie ein glühendes Eisen unter die Haut gehen und machte die Haut dünn genug, dass ich fanatisch wurde (mit einem gerade eineinhalb Jahre alten [amerikanischen] Pass in der Tasche), fanatisch wie ein fastender Prophet in der Wüste, sobald ich nur die leiseste Kritik an der Wahlheimat witterte; so können sich, befürchte ich, bloß Konvertiten benehmen, wenn sie Apologie in intellektuelle Aggression umkehren."
Die Aggression wiederum ist inzwischen in eine von Skepsis geprägte Selbstbefragung umgeschlagen. Bei den großteils im "Merkur" erstveröffentlichten gesammelten Skizzen, Bildern und Szenen von "California Graffiti" steht zwar nicht selten Gumbrechts eigenes universitäres Milieu im Vordergrund, es gelingt ihm jedoch immer, den Fokus auch auf den Rest des Landes und die Eigenarten seiner Bewohner zu weiten. So geraten ihm etwa gerade für deutsche Ohren so befremdliche Phrasen wie "to pass on", "good for you" oder "moving on" in den Blick, Wendungen in denen wir Oberflächlichkeit, Euphemismus, wenn nicht gar eine gewisse Verlogenheit zu entdecken geneigt sind.
Gumbrecht aber sieht in ihnen – und weiß dies überzeugend darzulegen - den Ausdruck einer "kalifornischen Stärke", einer, wie er schreibt "Stoik, die nichts von sich weiß".
Wie ein Reporter begibt sich der Professor auf der Suche nach dem amerikanischen Wesen in Trailer-Parks oder verbringt einen Nachmittag auf der Telegraph-Avenue in Berkeley, dem einstigen Zentrum der Hippiebewegung. Meist allerdings sind es zufällige Beobachtungen, die ihm den Stoff für seine Überlegungen liefern. Da kann er dann auch schon mal innerhalb eines Absatzes auf halsbrecherischen Wegen von den afrikanischen Buren über den Begriff "Handy" bis zu Edmund Husserl gelangen. Immer wieder kommt Gumbrecht auf den "Paten" zurück, aber auch Donald Duck und Homer Simpson gelten ihm als symptomatisch – wenngleich er bei den Amerikanern eine gewisse "Lachungelenkigkeit" feststellt.
"Das reibungslose Funktionieren von Witz und Ironie setzt einen hohen Grad von Einverständnis in der Weltsicht derer voraus, die über diese sprachlichen Formen kommunizieren. Eine solche Homogenität aber war in der amerikanischen Gesellschaft schon seit dem 18. Jahrhundert viel weniger voraussetzbar als in Europa, und in dem Maße, wie das soziale Leben in den europäischen Nationen weniger monochrom geworden ist, hat auch die amerikanische Gesellschaft ihre traditionelle Multikulturalität weiter gesteigert. Auslachen ist unter den Bedingungen so starker gesellschaftlicher Fragmentierung mit einem größeren Risiko des Ausgelachtwerdens verbunden."
Gumbrecht beschäftigt sich ebenso mit der "demokratischen Aristokratie" der USA wie mit dem gleißend hellen Licht Kaliforniens. Es habe ihn süchtig gemacht, schreibt er, und auch wenn die patriotischen Exzesse inzwischen ein Ende haben: "Über mein Leben hinaus möchte ich am Pazifik bleiben". Es ist diese spezielle Mischung aus Selbstironie, Boshaftigkeit (etwa wenn er eine "abgehärmte Amerikanerin unter mittelschwerem Make-up" beobachtet) und Warmherzigkeit, die Gumbrechts Schreiben auszeichnet. Sie zeigt indes weniger den Amerikaner oder Deutschen in ihm, als vielmehr den Souverän seiner ganz eigenen intellektuellen Geistesrepublik.
Gleichwohl scheint sich der Stanforder Professor mit diesem Manko inzwischen arrangiert zu haben; die perfekte Aussprache gilt ihm nicht als Grundvoraussetzung zum Amerikaner-Sein. Auch die Emphase, mit der man sich zu Amerika bekennt, muss nicht so inbrünstig vorgetragen werden, wie er selbst seine patriotischen Aufwallungen eine Zeit lang kund zu tun pflegte: Es sei zu einem "Exzess im Amerikaner-Sein" gekommen, gibt er heute zu, ein Exzess, für den er in Deutschland zuweilen mit Spott bedacht wurde.
"Der 11. September 2001 musste mir also wie ein glühendes Eisen unter die Haut gehen und machte die Haut dünn genug, dass ich fanatisch wurde (mit einem gerade eineinhalb Jahre alten [amerikanischen] Pass in der Tasche), fanatisch wie ein fastender Prophet in der Wüste, sobald ich nur die leiseste Kritik an der Wahlheimat witterte; so können sich, befürchte ich, bloß Konvertiten benehmen, wenn sie Apologie in intellektuelle Aggression umkehren."
Die Aggression wiederum ist inzwischen in eine von Skepsis geprägte Selbstbefragung umgeschlagen. Bei den großteils im "Merkur" erstveröffentlichten gesammelten Skizzen, Bildern und Szenen von "California Graffiti" steht zwar nicht selten Gumbrechts eigenes universitäres Milieu im Vordergrund, es gelingt ihm jedoch immer, den Fokus auch auf den Rest des Landes und die Eigenarten seiner Bewohner zu weiten. So geraten ihm etwa gerade für deutsche Ohren so befremdliche Phrasen wie "to pass on", "good for you" oder "moving on" in den Blick, Wendungen in denen wir Oberflächlichkeit, Euphemismus, wenn nicht gar eine gewisse Verlogenheit zu entdecken geneigt sind.
Gumbrecht aber sieht in ihnen – und weiß dies überzeugend darzulegen - den Ausdruck einer "kalifornischen Stärke", einer, wie er schreibt "Stoik, die nichts von sich weiß".
Wie ein Reporter begibt sich der Professor auf der Suche nach dem amerikanischen Wesen in Trailer-Parks oder verbringt einen Nachmittag auf der Telegraph-Avenue in Berkeley, dem einstigen Zentrum der Hippiebewegung. Meist allerdings sind es zufällige Beobachtungen, die ihm den Stoff für seine Überlegungen liefern. Da kann er dann auch schon mal innerhalb eines Absatzes auf halsbrecherischen Wegen von den afrikanischen Buren über den Begriff "Handy" bis zu Edmund Husserl gelangen. Immer wieder kommt Gumbrecht auf den "Paten" zurück, aber auch Donald Duck und Homer Simpson gelten ihm als symptomatisch – wenngleich er bei den Amerikanern eine gewisse "Lachungelenkigkeit" feststellt.
"Das reibungslose Funktionieren von Witz und Ironie setzt einen hohen Grad von Einverständnis in der Weltsicht derer voraus, die über diese sprachlichen Formen kommunizieren. Eine solche Homogenität aber war in der amerikanischen Gesellschaft schon seit dem 18. Jahrhundert viel weniger voraussetzbar als in Europa, und in dem Maße, wie das soziale Leben in den europäischen Nationen weniger monochrom geworden ist, hat auch die amerikanische Gesellschaft ihre traditionelle Multikulturalität weiter gesteigert. Auslachen ist unter den Bedingungen so starker gesellschaftlicher Fragmentierung mit einem größeren Risiko des Ausgelachtwerdens verbunden."
Gumbrecht beschäftigt sich ebenso mit der "demokratischen Aristokratie" der USA wie mit dem gleißend hellen Licht Kaliforniens. Es habe ihn süchtig gemacht, schreibt er, und auch wenn die patriotischen Exzesse inzwischen ein Ende haben: "Über mein Leben hinaus möchte ich am Pazifik bleiben". Es ist diese spezielle Mischung aus Selbstironie, Boshaftigkeit (etwa wenn er eine "abgehärmte Amerikanerin unter mittelschwerem Make-up" beobachtet) und Warmherzigkeit, die Gumbrechts Schreiben auszeichnet. Sie zeigt indes weniger den Amerikaner oder Deutschen in ihm, als vielmehr den Souverän seiner ganz eigenen intellektuellen Geistesrepublik.