"Und weil der Prolet ein Prolet ist
drum wird ihn kein anderer befrei'n
es kann die Befreiung der Arbeiter
nur das Werk der Arbeiter sein
Drum links zwei drei ...
Wie vielen Kommunisten, ja links stehenden Menschen überhaupt, hat diese Stimme Halt und Mut gegeben, sie in ihren Idealen bestärkt, ihnen die Hoffnung auf die Richtigkeit des "Großen und Ganzen" erhalten, trotz aller Deformationen, die der Sozialismus im 20. Jahrhundert erlebte, bis hin zur stalinistischen Massenschlächterei? - Welch eine Stimme, was für ein Leben - Stoff für Legendenbildung en masse.
"Ernst Busch war der erste linksradikale Popstar, den Deutschland zu bieten hatte. Vielleicht gab es auch noch einen zweiten, das war dann Rio Reiser, aber Ernst Busch war derjenige, der bereits 1930 ein eigenes Genre kreiert hat, wie die Berliner sagen."
Urteilt Jochen Voit, Autor der jetzt bei Aufbau erschienenen Busch-Biografie "Er rührte an den Schlaf der Welt".
"Mit Hanns Eisler zusammen hat er den deutschen Politsong kreiert. Das war damals das 'Stempellied', das war sein erster großer Erfolg, das 'Lied der Arbeitslosen' war nicht zufällig vom selben Texter, der auch 'Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n' geschrieben hatte – also das waren Politschlager."
Lied der Arbeitslosen
Stellste dir zum Stempeln an
wird det Elend nicht behoben
wer hat dir du armer Mann
abjebaut so hoch da droben?
Ernst Busch, hineingeboren am 22. Januar 1900 in eine echte Kieler Proletarierfamilie. Er lernt Werkzeugmechaniker, tritt mit 17 der Sozialistischen Arbeiterjugend bei, beteiligt sich als Werftarbeiter am Kieler Matrosenaufstand, 1919 tritt er der KPD bei. Mit 20 beginnt er Schauspielunterricht zu nehmen, nach jahrelanger Tingelei in der Provinz landet er 1928 bei der links-avantgardistischen Piscator-Bühne in Berlin. In der Verfilmung der "Dreigroschenoper" ist Busch als Moritatensänger zu sehen und zu hören, er lernt den jungen Komponisten Hanns Eisler kennen, avanciert zum Lieblingssänger Kurt Tucholskys und zum Star auf den linken Berliner Kabarettbühnen der späten Weimarer Jahre. Mit der Machtergreifung Hitlers beginnt für Ernst Busch eine Odyssee, die ihn durch halb Europa führt.
Besonders eindringlich gerät Voit die Schilderung von Buschs Aufenthalt in Moskau 1936, wo er sich nicht zu schade ist, die ersten stalinistischen Schauprozesse gegen angebliche "Trotzkisten" zu bejubeln, nicht ahnend, dass seine langjährige Lebensgefährtin Maria Osten 1941 selbst zum Opfer der Säuberungen unter deutschen Emigranten werden wird.
Während in Moskau der "große Terror" zu wüten beginnt, reist Busch weiter nach Spanien, wo der Bürgerkrieg gegen Franco tobt. Mit Kameraden der internationalen Brigaden entsteht in Barcelona die Aufnahme, die Busch endgültig zur Legende machen wird: "Die Thälmann-Kolonne", besser bekannt als "Spaniens Himmel".
Mit Ernst Buschs Freiheit ist es indes bald darauf vorbei: Nach weiteren Exilstationen wird er schließlich an der französisch-schweizerischen Grenze verhaftet und der Gestapo ausgeliefert. Das Kriegsende erlebt Busch im berüchtigten Zuchthaus Brandenburg-Görden, und dass er es überhaupt erlebt und nicht längst wegen Hochverrats hingerichtet worden ist, hat er nur der Protektion von Gustaf Gründgens zu verdanken. Den wiederum holt Busch 1946 aus einem sowjetischen Internierungslager, in das Gründgens bei Kriegsende geraten war. Die russischen Besatzer halten große Stücke auf Busch: Nach ersten umjubelten Bühnenauftritten avanciert er 1947 zum Direktor der sowjetzonalen Plattenfirma "Lied der Zeit", wo er als Erstes seine Spanienlieder wieder veröffentlicht – und potenzielle Plattenkäufer in der SBZ mit merkwürdigen Methoden für "seine" Lieder zu gewinnen sucht: Wer eine "AMIGA"-Platte mit zunächst noch äußerst jazziger Tanzmusik erwerben will, muss eine Busch-Platte dazukaufen. In diesen ersten Nachkriegsjahren ist Busch Firmenchef, Schauspieler und Sänger zugleich – doch er ist nicht mehr der Arbeitersänger der Weimarer Jahre, konstatiert Voit, der Buschs zweite Lebenshälfte sehr treffend als "Geschichte einer Versteinerung" charakterisiert:
Nun, zu Beginn der 50er, ging es vorrangig um plakative politische Statements. Busch war zum propagandistischen Liedermacher geworden, der in eigenwilliger Manier die wichtigsten SED-Standpunkte in dieser Phase des Kalten Krieges durchdeklinierte.
Ami go home
Go home, Ami, Ami go home
spalte für den Frieden dein Atom
sag Goodbye dem Vater Rhein
rühr' nicht an sein Töchterlein
Loreley solang du singst,
wird Deutschland sein
Obwohl ideologisch voll auf Linie, liefert sich Busch mit den engstirnigen SED-Apparatschiks ein Scharmützel nach dem anderen: Weil er keine Lust verspürt, bei der Überprüfung der Parteidokumente, die de facto nichts anderes als eine stalinistische Parteisäuberung ist, Gespräche mit Nachwuchs-Funktionären zu führen, die von der Legende Busch keinen Schimmer haben, wird er 1952 für ein Vierteljahrhundert zum Kommunisten ohne Parteibuch. Überhaupt ist die Reihe derer, die Busch in der jungen Republik nach eigenem Bekunden "am Arsch lecken" können, lang und umfasst sein Publikum im Berliner Ensemble ebenso wie den DDR-Rundfunk, Theater-Beleuchter, Toningenieure, die Staatliche Kulturkommission und den damaligen FDJ-Chef Erich Honecker. Als der "Lied der Zeit"-Chef 1953 dann auch noch aus seiner eigenen, zum VEB verstaatlichten Plattenfirma, hinauskatapultiert wird, reagiert Busch mit dem ihm eigenen Temperament: am 2. Mai 1953 vernichtet er im Archivkeller einen Großteil der Bänder und Pressmatrizen mit bisher gemachten Aufnahmen. Zehn Jahre lang wird er keine einzige Platte mehr besingen, sondern sich nur noch der Schauspielerei widmen.
Diejenigen SED-Leute, die er für unsolidarisch oder heuchlerisch hielt, strafte er mit Verachtung. Reizfiguren begegneten ihm auf Schritt und Tritt, und ihre Zahl nahm ständig zu.
Voit verschweigt nicht Buschs charakterliche Schattenseiten: seine mit wachsendem Alter zunehmende Misanthropie, gepaart mit Rechthaberei und Arroganz. Hier wird viel dokumentiert, was in den offiziösen DDR-Biografien über Busch - die letzte große Bildbiografie erschien dort 1987 - nicht enthalten sein durfte: Buschs Wirkung auf die West-68er etwa, sein Ende in der Nervenheilanstalt Bernburg, die Instrumentalisierung Ernst Buschs durch die SED schon zu Lebzeiten und erst recht nach seinem Tode 1980, als er sich nicht mehr wehren konnte - all dies sind Aspekte, die in DDR-Büchern nichts als weiße Flecken waren.
Insbesondere seine alten Songs aus der Weimarer Zeit müssen inzwischen in den Ohren von Parteifunktionären, bezogen auf die DDR, weniger affirmativ als regimekritisch geklungen haben. Übrig blieben schließlich ein Dutzend Lieder, die als emotionale Beiträge zum Staatsbürgerkundeunterricht geeignet schienen. Einige davon entfalteten in der späten DDR ungeahnt subversive Wirkungen. Ehemalige NVA-Soldaten erzählen, dass die tausendfach heruntergeleierte "Thälmann-Kolonne" ihr Lieblingslied beim Marschieren gewesen sei: Wann hätte man als Soldat sonst schon Gelegenheit gehabt, aus vollem Halse kollektiv nach "Fraaaaai-haitttt" zu brüllen?
"Die besten populären Künstler geben niemals den Versuch auf, zu überprüfen, ob das, was sie als Wahrheit verkündet haben, nicht zur Lüge geworden ist, ob die Unterdrückten, die sie einst besungen haben, nicht die Unterdrücker geworden sind. Das hat Busch im Alter nicht hingekriegt, diesen Spagat."
Jochen Voit ist mit seinem Buch die erste gültige, weil kritische Biografie einer Legende gelungen - und zudem ist sie nicht weniger spannend geschrieben als Buschs Leben – jenseits aller Mythen – wohl tatsächlich gewesen ist.
"Er rührte an den Schlaf der Welt", so der Titel der neuen Ernst-Busch-Biografie. Das Buch ist im Aufbau-Verlag erschienen, es hat 515 Seiten und kostet 24,95 Euro, ISBN: 978-3351027162.
drum wird ihn kein anderer befrei'n
es kann die Befreiung der Arbeiter
nur das Werk der Arbeiter sein
Drum links zwei drei ...
Wie vielen Kommunisten, ja links stehenden Menschen überhaupt, hat diese Stimme Halt und Mut gegeben, sie in ihren Idealen bestärkt, ihnen die Hoffnung auf die Richtigkeit des "Großen und Ganzen" erhalten, trotz aller Deformationen, die der Sozialismus im 20. Jahrhundert erlebte, bis hin zur stalinistischen Massenschlächterei? - Welch eine Stimme, was für ein Leben - Stoff für Legendenbildung en masse.
"Ernst Busch war der erste linksradikale Popstar, den Deutschland zu bieten hatte. Vielleicht gab es auch noch einen zweiten, das war dann Rio Reiser, aber Ernst Busch war derjenige, der bereits 1930 ein eigenes Genre kreiert hat, wie die Berliner sagen."
Urteilt Jochen Voit, Autor der jetzt bei Aufbau erschienenen Busch-Biografie "Er rührte an den Schlaf der Welt".
"Mit Hanns Eisler zusammen hat er den deutschen Politsong kreiert. Das war damals das 'Stempellied', das war sein erster großer Erfolg, das 'Lied der Arbeitslosen' war nicht zufällig vom selben Texter, der auch 'Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n' geschrieben hatte – also das waren Politschlager."
Lied der Arbeitslosen
Stellste dir zum Stempeln an
wird det Elend nicht behoben
wer hat dir du armer Mann
abjebaut so hoch da droben?
Ernst Busch, hineingeboren am 22. Januar 1900 in eine echte Kieler Proletarierfamilie. Er lernt Werkzeugmechaniker, tritt mit 17 der Sozialistischen Arbeiterjugend bei, beteiligt sich als Werftarbeiter am Kieler Matrosenaufstand, 1919 tritt er der KPD bei. Mit 20 beginnt er Schauspielunterricht zu nehmen, nach jahrelanger Tingelei in der Provinz landet er 1928 bei der links-avantgardistischen Piscator-Bühne in Berlin. In der Verfilmung der "Dreigroschenoper" ist Busch als Moritatensänger zu sehen und zu hören, er lernt den jungen Komponisten Hanns Eisler kennen, avanciert zum Lieblingssänger Kurt Tucholskys und zum Star auf den linken Berliner Kabarettbühnen der späten Weimarer Jahre. Mit der Machtergreifung Hitlers beginnt für Ernst Busch eine Odyssee, die ihn durch halb Europa führt.
Besonders eindringlich gerät Voit die Schilderung von Buschs Aufenthalt in Moskau 1936, wo er sich nicht zu schade ist, die ersten stalinistischen Schauprozesse gegen angebliche "Trotzkisten" zu bejubeln, nicht ahnend, dass seine langjährige Lebensgefährtin Maria Osten 1941 selbst zum Opfer der Säuberungen unter deutschen Emigranten werden wird.
Während in Moskau der "große Terror" zu wüten beginnt, reist Busch weiter nach Spanien, wo der Bürgerkrieg gegen Franco tobt. Mit Kameraden der internationalen Brigaden entsteht in Barcelona die Aufnahme, die Busch endgültig zur Legende machen wird: "Die Thälmann-Kolonne", besser bekannt als "Spaniens Himmel".
Mit Ernst Buschs Freiheit ist es indes bald darauf vorbei: Nach weiteren Exilstationen wird er schließlich an der französisch-schweizerischen Grenze verhaftet und der Gestapo ausgeliefert. Das Kriegsende erlebt Busch im berüchtigten Zuchthaus Brandenburg-Görden, und dass er es überhaupt erlebt und nicht längst wegen Hochverrats hingerichtet worden ist, hat er nur der Protektion von Gustaf Gründgens zu verdanken. Den wiederum holt Busch 1946 aus einem sowjetischen Internierungslager, in das Gründgens bei Kriegsende geraten war. Die russischen Besatzer halten große Stücke auf Busch: Nach ersten umjubelten Bühnenauftritten avanciert er 1947 zum Direktor der sowjetzonalen Plattenfirma "Lied der Zeit", wo er als Erstes seine Spanienlieder wieder veröffentlicht – und potenzielle Plattenkäufer in der SBZ mit merkwürdigen Methoden für "seine" Lieder zu gewinnen sucht: Wer eine "AMIGA"-Platte mit zunächst noch äußerst jazziger Tanzmusik erwerben will, muss eine Busch-Platte dazukaufen. In diesen ersten Nachkriegsjahren ist Busch Firmenchef, Schauspieler und Sänger zugleich – doch er ist nicht mehr der Arbeitersänger der Weimarer Jahre, konstatiert Voit, der Buschs zweite Lebenshälfte sehr treffend als "Geschichte einer Versteinerung" charakterisiert:
Nun, zu Beginn der 50er, ging es vorrangig um plakative politische Statements. Busch war zum propagandistischen Liedermacher geworden, der in eigenwilliger Manier die wichtigsten SED-Standpunkte in dieser Phase des Kalten Krieges durchdeklinierte.
Ami go home
Go home, Ami, Ami go home
spalte für den Frieden dein Atom
sag Goodbye dem Vater Rhein
rühr' nicht an sein Töchterlein
Loreley solang du singst,
wird Deutschland sein
Obwohl ideologisch voll auf Linie, liefert sich Busch mit den engstirnigen SED-Apparatschiks ein Scharmützel nach dem anderen: Weil er keine Lust verspürt, bei der Überprüfung der Parteidokumente, die de facto nichts anderes als eine stalinistische Parteisäuberung ist, Gespräche mit Nachwuchs-Funktionären zu führen, die von der Legende Busch keinen Schimmer haben, wird er 1952 für ein Vierteljahrhundert zum Kommunisten ohne Parteibuch. Überhaupt ist die Reihe derer, die Busch in der jungen Republik nach eigenem Bekunden "am Arsch lecken" können, lang und umfasst sein Publikum im Berliner Ensemble ebenso wie den DDR-Rundfunk, Theater-Beleuchter, Toningenieure, die Staatliche Kulturkommission und den damaligen FDJ-Chef Erich Honecker. Als der "Lied der Zeit"-Chef 1953 dann auch noch aus seiner eigenen, zum VEB verstaatlichten Plattenfirma, hinauskatapultiert wird, reagiert Busch mit dem ihm eigenen Temperament: am 2. Mai 1953 vernichtet er im Archivkeller einen Großteil der Bänder und Pressmatrizen mit bisher gemachten Aufnahmen. Zehn Jahre lang wird er keine einzige Platte mehr besingen, sondern sich nur noch der Schauspielerei widmen.
Diejenigen SED-Leute, die er für unsolidarisch oder heuchlerisch hielt, strafte er mit Verachtung. Reizfiguren begegneten ihm auf Schritt und Tritt, und ihre Zahl nahm ständig zu.
Voit verschweigt nicht Buschs charakterliche Schattenseiten: seine mit wachsendem Alter zunehmende Misanthropie, gepaart mit Rechthaberei und Arroganz. Hier wird viel dokumentiert, was in den offiziösen DDR-Biografien über Busch - die letzte große Bildbiografie erschien dort 1987 - nicht enthalten sein durfte: Buschs Wirkung auf die West-68er etwa, sein Ende in der Nervenheilanstalt Bernburg, die Instrumentalisierung Ernst Buschs durch die SED schon zu Lebzeiten und erst recht nach seinem Tode 1980, als er sich nicht mehr wehren konnte - all dies sind Aspekte, die in DDR-Büchern nichts als weiße Flecken waren.
Insbesondere seine alten Songs aus der Weimarer Zeit müssen inzwischen in den Ohren von Parteifunktionären, bezogen auf die DDR, weniger affirmativ als regimekritisch geklungen haben. Übrig blieben schließlich ein Dutzend Lieder, die als emotionale Beiträge zum Staatsbürgerkundeunterricht geeignet schienen. Einige davon entfalteten in der späten DDR ungeahnt subversive Wirkungen. Ehemalige NVA-Soldaten erzählen, dass die tausendfach heruntergeleierte "Thälmann-Kolonne" ihr Lieblingslied beim Marschieren gewesen sei: Wann hätte man als Soldat sonst schon Gelegenheit gehabt, aus vollem Halse kollektiv nach "Fraaaaai-haitttt" zu brüllen?
"Die besten populären Künstler geben niemals den Versuch auf, zu überprüfen, ob das, was sie als Wahrheit verkündet haben, nicht zur Lüge geworden ist, ob die Unterdrückten, die sie einst besungen haben, nicht die Unterdrücker geworden sind. Das hat Busch im Alter nicht hingekriegt, diesen Spagat."
Jochen Voit ist mit seinem Buch die erste gültige, weil kritische Biografie einer Legende gelungen - und zudem ist sie nicht weniger spannend geschrieben als Buschs Leben – jenseits aller Mythen – wohl tatsächlich gewesen ist.
"Er rührte an den Schlaf der Welt", so der Titel der neuen Ernst-Busch-Biografie. Das Buch ist im Aufbau-Verlag erschienen, es hat 515 Seiten und kostet 24,95 Euro, ISBN: 978-3351027162.