Feininger hat seinen Fuß gezeichnet, dazu das Datum notiert, 17. Mai 1908, und: "the day we first went to Heringsdorf to rent at Zanders”.
Das Haus in der Delbrückstraße steht noch. Von Heringsdorf aus hat er seine Kreise gezogen. Mit dem Fahrrad. Im Kunstkabinett in Benz hängt ein Foto: Feininger mit Fahrrad. Und genau so ein Rad steht darunter. Hannes Albers:
"Lyonel Feininger war Fahrrad-Freak. Er hatte immer ein ganz modernes Hightech-Fahrrad aus Amerika der Marke Cleveland-Ohio oder Cleveland 100. Also mit Holzfelgen, aber schon Luftreifen, mit einer zauberhaften kleinen Klingel, die man auch hier auf dem Foto sieht. Und wenn er im Usedomer Achterland war, hat er das Fahrrad irgendwo in den Straßengraben gelegt, hat seinen Block genommen und Skizzen gemacht. Das sind die berühmten Naturnotizen. Wenn sein Block leer war, hat er den Block aufgelöst, hat die Blätter ganz brutal gelocht – wie hier zu sehen auf einer Naturnotiz mit der Zirchower Kirche auf Usedom – hat die gelochten Blätter in Ordner gelegt und diese Ordner zeitlebens bei sich gehabt, immer in seinen Ateliers."
Erst im Atelier sind die großen Gemälde entstanden, oft erst Jahre später.
So wie die Kirche in Benz erst 1955.
"Das ist ein wunderschönes Aquarell. In goldgelben Farben mit einigen Akzenten blau. Der große Schmollensee, den man auch sieht, wenn man auf dem Mühlenberg ist. Das Aquarell hängt normalerweise hier in der Galerie, im Augenblick in der Moritzburg in Halle."
Die Kirche von Gelmeroda bei Weimar ist ja fast schon Synonym für Feininger, doch seine zweitliebste Kirche war die von Benz.
"Auf der Insel Usedom gibt es die mittelalterlichen Kirchen nur im Hinterland, weil es die Seebäder ja noch gar nicht gab. Die Heringsdorfer, die Zinnowitzer und Ahlbecker Kirche sind erst gute 100 Jahre alt. Und diese eben schon 800 Jahre."
Martin Bartels war 40 Jahre Pfarrer in Benz. Als er nach Benz kam, wusste er zwar von Feininger, aber nicht dass der immer wieder auch seine Kirche gezeichnet und gemalt hatte. Als er immer mehr Usedom-Bilder entdeckte, packte ihn die Idee, das Ganze erlebbar zu machen. Und er suchte die Standorte, von denen aus Feininger geguckt haben musste.
"Diese Naturnotizen sind genau wie Fotografien. Deswegen konnten wir die Mal-Standorte auch so 100-prozentig ausmachen."
In Heringsdorf, Ahlbeck, Bansin, aber viel mehr in den Dörfern weg von der Küste im Hinterland. Wer sich auf die Feininger-Tour begibt, der entdeckt eine andere Welt, als die quirlige der Seebäder. Kleine Dörfer, Mohnblumen in den Feldern, dunkle Wälder, glitzernde Seen, Rehe, Störche, Seeadler. Die hügelige Landschaft lässt den Radler gelegentlich stöhnen, doch es geht auch wieder bergab.
"Das war eigentlich das schönste bei der Herstellung des Buches – diese Entdeckungsreise, zu der wir ja nun auch gerne die Gäste einladen wollen, dasselbe Vergnügen mitzuerleben, das wir hatten. Es hat jemand eben auch über ein Jahr nur recherchiert in Katalogen und im Internet und hat herausgekriegt: 1500 Feininger-Notizen, Bilder und Holzschnitte von der Insel Usedom. Dann sind wir anhand dieser Bilder und Notizen losgezogen und haben immer überlegt, wo hat er gestanden, was hat er gesehen, wie hat er es umgesetzt."
Das alles ist zu einem handlichen Buch geworden. Mit vielen Feininger-Bildern. Und Pfarrer Bartels beschreibt die Malorte, die Sicht, was sieht man heute und Schnurren aus den Dörfern. Und draußen an 45 Standorten markiert eine Platte im Fußweg, in der Wiese Standort und Sicht. Auf Kirchen, Windmühlen, Bauernhäuser, Scheunen, das herrschaftliche Wasserschloss in Mellenthin.
"Alle malen das immer von vorne oder von links vorne oder von hinten. Und Feininger hat es von vorne rechts gemalt, eigentlich das rechte Seitengebäude von hinten. Ist ein sehr schönes Bild geworden."
Mellenthin ist slawisch und heißt Mittelpunkt. Hier saß der Herr, dem die Usedomer Ländereien einst gehörten.
"Dieses Gebäude ist im Jahre 1555 gebaut worden von Rüdiger von Neuenkirchen. Es ist ein Hochrenaissance-Bau und hat über die Jahrhunderte etliche Besitzerwechsel erlebt. Manche haben es vergoldet, andere haben es in einer Nacht verspielt. Wir bauen es jetzt aus zu einem gastronomischen Erlebnisbereich."
Jan Fidora hat mit seiner Familie dem verrumpelten Schloss wieder Leben eingehaucht, Hotel und Restaurant sind schon da, in alten Gewölben nebenan soll eine Gasthof-Brauerei entstehen. Andere haben die früheren Wirtschaftsgebäude an der majestätischen Zufahrt aufgemöbelt.
Die Feininger-Radroute ist knapp 60 Kilometer lang und führt uns auch nach Polen: nach Swinemünde.
"Besonders gerne war er auf der Mole in Swinemünde, weil dort ein ganz reger Schiffsverkehr zu jener Zeit herrschte, aus dem lebendigen Hafen Stettin rüber zu den anderen Ostseehäfen. Und alle möglich Schiffstypen gab es damals. Es gab noch Segelschiffe und schon Dampfschiffe."
Die er massenhaft skizzierte. Und er hat das Rathaus gezeichnet, jetzt Fischerei-Museum, eines der wenigen Häuser, die den Bombenangriff kurz vor Kriegsende überstanden haben. Im Zentrum stehen die üblichen 70-er Jahre-Plattenbauten. Doch wer – wie Feininger – zur Mole radelt, der stößt auf eine nagelneue Strandpromenade, die gekonnt an die Zeit des Nobelbades anknüpft.
Es macht auch ohne Feininger Spaß über die Insel zu radeln, aber diese Tour mit dem Buch und seinen Bildern in der Hand bringt ganz neue Usedom-Erlebnisse.
Info:
www.papileo.de
Das Haus in der Delbrückstraße steht noch. Von Heringsdorf aus hat er seine Kreise gezogen. Mit dem Fahrrad. Im Kunstkabinett in Benz hängt ein Foto: Feininger mit Fahrrad. Und genau so ein Rad steht darunter. Hannes Albers:
"Lyonel Feininger war Fahrrad-Freak. Er hatte immer ein ganz modernes Hightech-Fahrrad aus Amerika der Marke Cleveland-Ohio oder Cleveland 100. Also mit Holzfelgen, aber schon Luftreifen, mit einer zauberhaften kleinen Klingel, die man auch hier auf dem Foto sieht. Und wenn er im Usedomer Achterland war, hat er das Fahrrad irgendwo in den Straßengraben gelegt, hat seinen Block genommen und Skizzen gemacht. Das sind die berühmten Naturnotizen. Wenn sein Block leer war, hat er den Block aufgelöst, hat die Blätter ganz brutal gelocht – wie hier zu sehen auf einer Naturnotiz mit der Zirchower Kirche auf Usedom – hat die gelochten Blätter in Ordner gelegt und diese Ordner zeitlebens bei sich gehabt, immer in seinen Ateliers."
Erst im Atelier sind die großen Gemälde entstanden, oft erst Jahre später.
So wie die Kirche in Benz erst 1955.
"Das ist ein wunderschönes Aquarell. In goldgelben Farben mit einigen Akzenten blau. Der große Schmollensee, den man auch sieht, wenn man auf dem Mühlenberg ist. Das Aquarell hängt normalerweise hier in der Galerie, im Augenblick in der Moritzburg in Halle."
Die Kirche von Gelmeroda bei Weimar ist ja fast schon Synonym für Feininger, doch seine zweitliebste Kirche war die von Benz.
"Auf der Insel Usedom gibt es die mittelalterlichen Kirchen nur im Hinterland, weil es die Seebäder ja noch gar nicht gab. Die Heringsdorfer, die Zinnowitzer und Ahlbecker Kirche sind erst gute 100 Jahre alt. Und diese eben schon 800 Jahre."
Martin Bartels war 40 Jahre Pfarrer in Benz. Als er nach Benz kam, wusste er zwar von Feininger, aber nicht dass der immer wieder auch seine Kirche gezeichnet und gemalt hatte. Als er immer mehr Usedom-Bilder entdeckte, packte ihn die Idee, das Ganze erlebbar zu machen. Und er suchte die Standorte, von denen aus Feininger geguckt haben musste.
"Diese Naturnotizen sind genau wie Fotografien. Deswegen konnten wir die Mal-Standorte auch so 100-prozentig ausmachen."
In Heringsdorf, Ahlbeck, Bansin, aber viel mehr in den Dörfern weg von der Küste im Hinterland. Wer sich auf die Feininger-Tour begibt, der entdeckt eine andere Welt, als die quirlige der Seebäder. Kleine Dörfer, Mohnblumen in den Feldern, dunkle Wälder, glitzernde Seen, Rehe, Störche, Seeadler. Die hügelige Landschaft lässt den Radler gelegentlich stöhnen, doch es geht auch wieder bergab.
"Das war eigentlich das schönste bei der Herstellung des Buches – diese Entdeckungsreise, zu der wir ja nun auch gerne die Gäste einladen wollen, dasselbe Vergnügen mitzuerleben, das wir hatten. Es hat jemand eben auch über ein Jahr nur recherchiert in Katalogen und im Internet und hat herausgekriegt: 1500 Feininger-Notizen, Bilder und Holzschnitte von der Insel Usedom. Dann sind wir anhand dieser Bilder und Notizen losgezogen und haben immer überlegt, wo hat er gestanden, was hat er gesehen, wie hat er es umgesetzt."
Das alles ist zu einem handlichen Buch geworden. Mit vielen Feininger-Bildern. Und Pfarrer Bartels beschreibt die Malorte, die Sicht, was sieht man heute und Schnurren aus den Dörfern. Und draußen an 45 Standorten markiert eine Platte im Fußweg, in der Wiese Standort und Sicht. Auf Kirchen, Windmühlen, Bauernhäuser, Scheunen, das herrschaftliche Wasserschloss in Mellenthin.
"Alle malen das immer von vorne oder von links vorne oder von hinten. Und Feininger hat es von vorne rechts gemalt, eigentlich das rechte Seitengebäude von hinten. Ist ein sehr schönes Bild geworden."
Mellenthin ist slawisch und heißt Mittelpunkt. Hier saß der Herr, dem die Usedomer Ländereien einst gehörten.
"Dieses Gebäude ist im Jahre 1555 gebaut worden von Rüdiger von Neuenkirchen. Es ist ein Hochrenaissance-Bau und hat über die Jahrhunderte etliche Besitzerwechsel erlebt. Manche haben es vergoldet, andere haben es in einer Nacht verspielt. Wir bauen es jetzt aus zu einem gastronomischen Erlebnisbereich."
Jan Fidora hat mit seiner Familie dem verrumpelten Schloss wieder Leben eingehaucht, Hotel und Restaurant sind schon da, in alten Gewölben nebenan soll eine Gasthof-Brauerei entstehen. Andere haben die früheren Wirtschaftsgebäude an der majestätischen Zufahrt aufgemöbelt.
Die Feininger-Radroute ist knapp 60 Kilometer lang und führt uns auch nach Polen: nach Swinemünde.
"Besonders gerne war er auf der Mole in Swinemünde, weil dort ein ganz reger Schiffsverkehr zu jener Zeit herrschte, aus dem lebendigen Hafen Stettin rüber zu den anderen Ostseehäfen. Und alle möglich Schiffstypen gab es damals. Es gab noch Segelschiffe und schon Dampfschiffe."
Die er massenhaft skizzierte. Und er hat das Rathaus gezeichnet, jetzt Fischerei-Museum, eines der wenigen Häuser, die den Bombenangriff kurz vor Kriegsende überstanden haben. Im Zentrum stehen die üblichen 70-er Jahre-Plattenbauten. Doch wer – wie Feininger – zur Mole radelt, der stößt auf eine nagelneue Strandpromenade, die gekonnt an die Zeit des Nobelbades anknüpft.
Es macht auch ohne Feininger Spaß über die Insel zu radeln, aber diese Tour mit dem Buch und seinen Bildern in der Hand bringt ganz neue Usedom-Erlebnisse.
Info:
www.papileo.de