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Der Radsport auf Identitätssuche

Seit vergangenem Montag steht fest, was eigentlich schon absehbar war. Der Weltradsportverband UCI entzieht Lance Armstrong alle sieben Tour de France-Titel und vergibt diese nicht neu. Aus der Schusslinie konnte sich die UCI damit jedoch nicht nehmen. Sie gerät selbst immer mehr unter Druck.

Von Bastian Rudde |
    Der Radsport sucht nach einer neuen Identität - und alle irgendwie ins Wettkampfradeln Involvierten beteiligen sich.

    So veröffentlicht eine Koalition aus fünf namhaften europäischen Zeitungen gemeinsam gar ein Manifest. Darunter die L'Equipe aus Frankreich und die Times aus Großbritannien. Sie schreiben, ein Neuanfang mit denselben Regeln und Personen sei unmöglich. Unter Aufsicht der Welt-Anti-Doping-Agentur solle untersucht werden, was der Radsport-Weltverband UCI im Fall Lance Armstrong unternommen hat - oder auch nicht.

    Gestern hatte die UCI erwartungsgemäß bekanntgegeben, dass in den Siegerlisten der Tour de France niemand für Armstrong nachrücken werde. Zugleich sagte Verbandspräsident Pat McQuaid, man wolle Licht in die eigene Vergangenheit bringen lassen - von außen und unabhängig. Bis zum 5. November soll feststehen, wer das tut.

    Am Montag, als die UCI Armstrong die Tour-Siege 1998 bis 2005 aberkannte, wurden erste direkte und indirekte Forderungen laut, McQuaid und UCI-Ehrenpräsident Hein Verbrueggen sollten zurücktreten. Zu den prominentesten Kritikern gehören WADA-Chef Fahey und der ehemalige Tour-Sieger LeMond.

    Auch andere Stars von damals attackierten unter der Woche die UCI - wenn auch ganz anders. Der große Miguel Indurain beispielsweise hält die Sanktionen gegen Lance Armstrong für falsch und glaubt an dessen Unschuld.

    Im aktiven Peloton teilt manch einer diese Ansicht, unter anderem der überführte Doper Alberto Contador. Anders der deutsche Jungprofi Marcel Kittel: Er sagt in der Süddeutschen Zeitung, ihm werde bei Pro-Armstrong-Bekundungen "richtig schlecht". Den von UCI-Präsident McQuaid noch als Drecksäcke bezeichneten Kronzeugen des USADA-Bericht ist Kittel dankbar, glaubt aber auch, der Radsport werde sich beim Thema Doping niemals ausruhen können.