Archiv


Der Republik verpflichtet, den Mächtigen gebaut

Zweimal baute Gottfried Semper das nach ihm benannte Dresdner Hoftheater. Die erste Version seines wohl berühmtesten Bauwerks brannte 1869 ab. Es existieren Gemälde, auf denen zu sehen ist, wie das vornehme Mobiliar gerettet wird und Fotos, die einen ausgehöhlt wirkenden Baukörper zeigen. Semper und Dresden, das ist in dieser Ausstellung eine gut inszenierte Erfolgs- und Leidensgeschichte. Europäischer Rang wurde dem Architekten in der sächsischen Hauptstadt zuteil, doch auch die größte Niederlage seines Lebens: angedeutet durch eine Barrikade, die "Semper-Barrikade" von 1849, dem Jahr der Mai Revolution in Dresden. Auch Richard Wagner nahm daran teil, Sempers Freund und Kampfgenosse. Die von Semper konstruierte Barrikade hielt dem Ansturm stand, doch der Steckbrief folgte. Als "Haupträdelsführer" wurde fortan der Architekt gesucht. Seine Gemäldegalerie, die Erweiterung des Zwingers, konnte er nicht mehr selber vollenden. Statt eines Triumphs folgen karge Exiljahre. In London, 1851 auf der Weltausstellung, dekorierte Semper die Sektionen einiger Länder. Farbige Grafiken geben darüber Aufschluß. Ägypten und die Türkei sind darunter. Besonders die hier gezeigten Stoffe, Teppiche oder Baldachine interessierten Semper auch in seinen theoretischen Schriften. Winfried Nerdinger, Kurator der Ausstellung.

Von Walter Kittel |
    Die wichtigste Theorie war dieses von ihm so genannte Prinzig der Bekleidung. Kurz gefasst bedeutet das: dass der Raum sich in der Frühzeit dadurch gebildet hat, dass man Matten oder Flechtwerk oder Teppiche abgehängt hat. Und dass durch diese textile Begrenzung Räume geschaffen worden sind. Und nach seiner Vorstellung wurde dann diese textile Begrenzung, der Raumabschluss, in andere Materialien übertragen. Und das hatte nun zur Folge, dass man die gesamte Oberfläche eines Bauwerks eben als eine Bekleidung verstehen konnte, die über einen tektonischen Kern, über die Konstruktion nur darüber gestülpt wurde.

    Gottfried Semper, der Architekt und seine Großaufträge, dieses Kapitel ist auch trotz einiger baulich unerfüllter Jahre im Exil nicht abgeschlossen. Das neugegründete Polytechnikum in Zürich ist der nächste bedeutende Auftrag. Als Direktor der Bauschule wird Semper zunächst eingesetzt, soll aber schließlich das ganze Gebäude entwerfen. Eine monumental wirkende, im Inneren teils pompös ausgestattete Anlage entsteht. Die Skulpturensammlung Jacob Burckhardts, des großen Historikers und Züricher Kollegen Sempers, dekoriert die Eingangshalle. Künste und Technik sollen sich an diesem Ort versöhnen, so der Wunsch es Architekten. Anderes bleibt unverwirklicht. Ein Richard Wagner Festspielhaus in München etwa oder auch ein kaiserliches Opernhaus in Rio de Janeiro. Für Hamburg existierten ebenfalls hochfliegende Pläne. In ein "Venedig des Nordens" wollte Semper die 1842 durch Brand schwer beschädigte Altstadt verwandeln. Realisieren konnte Semper dagegen die enormen Wiener Ringbauten, das Kunst- und Naturhistorische Museum, die Erweiterung der Hofburg und das Burgtheater. Wien wird neben Zürich und Dresden zu einem dritten großen Schauplatz für Sempers Ideen. Bauten von imperialer Wuchtigkeit entwickeln sich.

    Das ist wirklich ein Zwiespalt, der sich zumindest aus heutiger Sich durch sein Werk zieht, dass er auf der einen Seite derartig deutlich und klar ein politisches Bekenntnis zur Republik abgibt, dass er auf der anderen Seite aber doch auch, ja, ein Kaiserforum in Wien entwirft, dass seine Bauten eine enorme Monumentalität ausstrahlen.

    Gottfried Semper als Architekt und Wissenschaftler, in einigen Ausstellungsakzenten wurde auch dieses nicht immer leichte Kapitel behandelt. Neben der Bekleidungstheorie, den empirischen Studien zu Flechtwerk und Geweben, wird hier in Zeichnungen und Aquarellen besonders Sempers Arbeit zur antiken Malerei verdeutlicht. Schon der junge, unbekannte Architekt machte sich einen Namen, indem er aufgrund von Objektstudien Griechenlands Tempel als ursprünglich farbig entlarvte. "Über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten", hieß die 1834 zum Antritt in Dresden publizierte Schrift.

    Link: mehr ...

    1319.html