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Der reuige Rechenzeit-Dieb

Noch einmal mit einem blauen Auge kam der US-amerikanische Computertechniker David McOwen davon. Weil der Netzwerkadministrator vom DeKalb Technical College im US-Bundesstaat Georgia unerlaubt Schulrechner zum Brechen von Verschlüsselungscodes einsetzte, muss er jetzt eine Entschädigungszahlung von 2100 US-Dollar leisten sowie eine Arbeitsauflage von 80 Stunden Sozialdienst erfüllen. Mit einem Programm vom Hersteller "Distributed Net" hatte der findige Techniker brachliegende Rechenzeit der Schulrechner im Stil der verteilten Suche nach Radiosignalen möglicher außerirdischen Intelligenzen im SETI@HOME-Projekt genutzt.

Holger Bruns |
    Das so genannte Distributed Computing gehört zu den Favoriten vieler Internetnutzer, wenn es darum geht, die Leerlaufzyklen des heimischen Hochleistungs-PC mit Sinn zu füllen. Dabei kommt spezielle Software zum Einsatz, die aus dem Internet Rechenaufgaben im Rahmen eines Großorjektes wie beispielsweise SETI@HOME bezieht und diese im Hintergrund abarbeitet. Hunderttausende von PC's mit solcher Client-Software erfüllen so Rechenleistungen, die einen einzelnen Großrechner für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte auslasten würden. So spannend eine solche Beteiligung an brandheißer Forschung auch sein mag - ohne Erlaubnis dafür würde auch ein deutscher Arbeitnehmer heftigen Ärger bekommen, sagt der Bremer Internetunternehmer Dirk Scheuer: "Wenn ein Mitarbeiter Rechenzeit unseres Netzwerkes nutzt, stellt dies nicht nur ein finanzielles Problem da, sondern sicherlich auch ein Sicherheitsproblem. Er riskiert die Datensicherheit unseres Unternehmens, und allein das ist auch arbeitsrechtlich Kündigungsgrund genug."

    Sicherheitsbedenken sind auch in den USA immer wieder der Grund, Software wie die vom Distributed Net von den Rechnern zu verbannen. So kennt die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation inzwischen eine Reihe solcher Fälle, darunter auch solche, die Bildschirmschoner von SETI@HOME betreffen. Das Interesse an solchen Berechnungen hat David McOwen in eine prekäre Lage gebracht. Nach seiner Kündigung am DeKalb College ging es für ihn nur noch bergab: Als sein neuer Arbeitgeber über einen Artikel von den eigenmächtigen Mathematikexperimenten erfuhr, verlor McOwen erneut seine Stellung. Man wolle negative Publicity vermeiden, so lautete die Begründung.

    Allein die Einkünfte seiner Ehefrau Donna und finanzielle Zuwendungen seines Vaters bewahrten David McOwen bisher vor dem Ruin. Zwar wurden Entschädigungsforderungen des DeKalb College in Höhe von 450.000 US-Dollar mittlerweile fallen gelassen, dennoch türmt sich ein gewaltiger Schuldenberg von einigen Zehntausend Dollar über dem Computerexperten auf. Die Electronic Frontier Foundation organisierte deshalb für David McOwen Unterstützung aus dem Internet, darunter ein Spendenaufruf über die Website www.freemcowen.com. Nach Meinung der Bürgerrechtler hätte David McOwen zwar gute Chancen gehabt, sein Verfahren vollständig zu gewinnen. Aber McOwen wollte dem Prozeß aus Kostengründen ein schnelles Ende setzen und bedankt sich nun überschwenglich bei seinen vielen Unterstützern: "Die Mobilisierung der Leute aus allen Teilen der Welt war eine großartige Hilfe und half mir und meiner Familie sehr, um den Prozess und seine Folgen zu bewältigen und zu überleben."