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Der rhetorische Trojaner

Auf leisen Sohlen sich ins Gehirn der Wähler schleichen, das ist eine Kunst, die vor allem im Wahlkampf vieles bewirken kann. Richtige Stichwort, die für Ideen von Gut und Böse und Gerechtigkeit und Sicherheit und Glück stehen, sind dabei ausschlaggebend. Die Demokraten scharen sich in diesen Tagen im US-Wahlkampf um Barack Obama. "Change" ist sein Schlüsselbegriff.

Christoph Bärenreuter im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Auf leisen Sohlen, sich ins Gehirn der Wähler schleichen, ist eine Kunst, die mit leisen Mitteln in der lauten Politik, vor allem im Wahlkampf vieles bewirken kann. Nicht der rationale Diskurs der sachlichen Argumente für eine bestimmte Politik, sondern das richtige Stichwort, der kleine rhetorische Trojaner, muss in regelmäßigen Dosen durchs Ohr injiziert werden und durch die Nervenbahnen in jenen grauen Bereich des Gehirns geführt werden, wo die komplexen Wertevorstellungen, die Ideen von Gut und Böse und Gerechtigkeit und Sicherheit und Glück vernetzt sind. Frames nennt der amerikanische Linguist George Lakoff diese Bereiche. Wer die Schlüsselbegriffe zu ihnen hat, der findet Zustimmung und Wähler. George W. Bush standen sie im Wahlkampf 2004 zur Verfügung, mit Krieg gegen den Terror oder Achse des Bösen. Die Demokraten scharen sich in diesen Tagen im US-amerikanischen Wahlkampf um Barack Obama. Hillary Clinton hilft ihm dabei. Change ist hier ein Schlüsselbegriff. Was zeichnet den aus? Welche Qualität hat er, habe ich den Wiener Politikwissenschaftler Christoph Bärenreuter.

    Christoph Bärenreuter: Change ist ein immer besonders gut gewählter Begriff, weil Change und alles und nichts sein kann. Und das zeichnet auch die effizienten Fahnenwörter oder Schlüsselbegriffe von solchen Wahlkämpfen aus. Sie müssen einerseits leer genug sein, damit unterschiedliche Inhalte hineinprojiziert und kommuniziert werden können. Sie müssen aber gleichzeitig diese Projektionsfläche bieten, dass sie diese Inhalte aufnehmen können. Es ist ein Wechselspiel zwischen einer Überfülle von Inhalten, die dadurch kommuniziert oder symbolisiert werden müssen und andererseits diese Leere, die das ermöglicht, dass all diese unterschiedlichen Dinge hineinpassen. Ich glaube, die Demokraten verwenden diesen Begriff strategisch sehr klug. Und es scheint mir auch, dass es einen gewissen Einfluss von dem amerikanischen Sprachwissenschaftler George Lakoff gab, der das Kommunizieren von solchen Frames empfiehlt und das Verwenden von solchen Slogans, die eine Klammer über ganze Wahlkampagnen bilden.

    Schmitz: Wenn man das einmal qualifizieren wollte, sind da die Amerikaner in der Hinsicht dann doch schon weiter als wir Alteuropäer?

    Bärenreuter: Ich habe diesen Eindruck, ja. Lakoff ist nicht nur Sprachwissenschaftler, sondern er bezieht in dem, wie er argumentiert, auch sehr stark die Gehirnforschung. Das heißt, er setzt in den Modellen, die er entwickelt auf sehr grundlegenden Ebene an. Er erklärt zunächst die Funktionsweise des Gehirns und erklärt, wie Deutungsmuster auch in unseren Gehirnen entstehen und wie die durch Verbindungen von Nervenzellen auch Bestand haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass das in den nächsten Jahren auch im deutschsprachigen Raum stärker Anwendung findet. Das Konzept des Frames ist prinzipiell meiner Meinung nach in Gefahr, mit Konzepten wie Spin verwechselt zu werden. Meiner Meinung nach sind das aber zwei unterschiedliche Konzepte, weil Spin das Verdrehen einer Tatsache ist, wo eine offensichtliche Tatsache auf eine Art und Weise verdreht wird, dass sie dann politisch genehm ist. Während das Framing bezeichnet für mich etwas anders. Das ist einfach das durchgehende Kommunizieren einer inhaltlichen Linie. Und diese inhaltliche Linie kann dann eben auch durch einen Schlüsselbegriff wie Change beispielsweise bei Obama signalisiert und kommuniziert werden.

    Schmitz: Die Forschungsergebnisse des George Lakoff sind in den USA schon vor Jahren publiziert worden. Seine jüngste Publikation auf Deutsch heißt "Auf leisen Sohlen ins Gehirn" zusammen mit Elisabeth Wehling. Ist diese amerikanische Forschung von der politischen Klasse in den USA rezipiert worden, hat Obama konkret davon gelernt?

    Bärenreuter: Ich weiß jetzt nicht konkret, ob er davon gelernt hat. Aber wenn ich mir die Kampagne anschaue, liegt der Verdacht sehr nahe, dass Lakeoff oder auch Leute wie Drew Westen hier einen großen Einfluss auf diese Kampagne hatten. George Lakoff ist ja nicht nur ein sehr renommierter Sprachwissenschaftler, sondern hat in den letzten Jahren auch das sogenannte Rockrigde Institut geleitet, das in Birklin, Kalifornien, angesiedelt war. Und das war ein klassisch-demokratischer Think Tank. Das heißt, das war auch Lakoffs expliziter Wunsch, die politische Kommunikation der Demokraten zu beeinflussen. Und interessant ist meiner Meinung nach auch, dass es einen Bruch gab im Wahlkampf von Obama. Vor wenigen Wochen hat sich Obama für die Todesstrafe ausgesprochen. Damit hat aber Obama eigentlich das getan, wovon Lakoff immer sagt, man soll es nicht tun, nämlich er hat den Diskurs des politischen Gegners bedient. Das heißt, er hat ein demokratisches Wert- und Denkgebäude verlassen und sich für eine Position ausgesprochen, die klassischerweise mit den Republikanern verbunden wird. Das heißt aber auch, dass er deren Gedankengebäude letztlich dadurch bedient und unterstützt, dass nicht im Interesse der demokratischen Partei sein kann.

    Schmitz: Lakoff sagt ja, dass dieses Strategie, in die er nun formuliert und den Demokraten angeraten hat und nach wie vor anrät, dass die von den Republikanern schon seit Jahren beherrscht wurde, weswegen Bush auch in einer aussichtslosen Lage wie 2004 auch erst gewinnen konnte. Teilen Sie diese Meinung?

    Bärenreuter: Das ist das große Argument von Lakoff, dass es die Republikaner viel besser verstanden haben, Think Tanks aufzubauen, die über Jahre finanziert werden, die gut dotiert werden, wo Leute sitzen, die sich Gedanken machen können zur Programmatik der Republikaner, zur politischen Kommunikation. Und Lakoff argumentiert immer, dass das auf demokratischer Seite fehlt. Und wenn man sich die Schicksals seines eigenen Instituts, des Rockridge Instituts anschaut, dann bestärkt das natürlich auch diese Argumentation, weil das Rockride Institut nach wenigen Jahren zusperren musste, weil kein Geld mehr vorhanden war.

    Schmitz: Der Politikwissenschaftler Christoph Bärenreuter über Change und Wahlkampfstrategien.