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Der richtige Ton für den Notfall

Psychologie. - Klingelnde Handys allerorten, hemmungslose Lauttelefonierer, ungewollte Beschallung aus mp3-Playern - akustischer Müll stresst den Menschen immer öfter. Damit Roboter und intelligente Geräte der nächsten Generation dennoch ein offenes Ohr finden, suchen Arbeitswissenschaftler und Maschinenbauer nach dem guten Ton.

Von Hartmut Schade |
    Wissen sie, was ihr Auto ihnen mit diesen Tönen sagen will? Sind sie nicht angeschnallt? Ist eine Tür offen? Brennt das Licht oder leuchtet es eben nicht? Ohne den Blick auf das Armaturenbrett verstehen Sie ihr Auto nicht. Das will Diplomingenieur Jens Mühlstedt ändern. Dazu hat sich der Arbeitswissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz einen Mittelklassewagen ins Labor gestellt.

    "Die Zielstellung war, den Geräuschen Informationen mitzugeben. Also dass der Fahrer anhand des Geräusches schon erkennen kann, worum es geht."

    Solche verständlichen Geräusche sollen das Autofahren sicherer machen. Denn wer von seinem Fahrzeug klar zu hören bekommt, ob es nur über den Ölstand informiert oder vor einem Stauende warnt, der muss in Gefahrensituationen nicht erst auf das Armaturenbrett blicken, sondern kann sich auf die Straße konzentrieren. Aber nicht nur die Autofahrer sollen von klaren Klängen profitieren. Akustische Signale können auch Maschinen sicherer machen. Neben der schwarzen Limousine steht in Mühlstedts Labor ein orangefarbener Roboter, der mit einem weitausholenden Greifarm Tischtennisbälle sortiert. Mit zwei Laserscannern beobachtet der Roboter seine Umgebung.

    "Das erste ist, wenn man sich ihm nähert, dann macht er das erste Geräusch. Da gibt es erst ein Eintrittsgeräusch, dann ein wiederkehrendes, sich wiederholendes Geräusch. Wenn man dann dem Roboter ganz nahe kommt, macht er ein intensiveres Geräusch."

    Wird auch dieses ignoriert und man kommt in den Schwenkbereich des Arms, dann schaltet sich der Roboter ab und ruft um Hilfe. Bei der Entwicklung der Sounds und Signale lässt sich Hobbymusiker Jens Mühlstedt von der Technik inspirieren.

    "Man überlegt sich, was genau die Informationen ist, was der Roboter dem Anwender vermitteln soll und überlegt sich dann, wie man diese Information darstellen könnte. Das kann man entweder machen, indem man kurze melodische Motive nimmt, oder an bestimmten Klangmustern das festmacht oder den Bezug zu wirklichen Geräuschen herstellt. Da können auch durchaus echte Maschinengeräusche genutzt werden. Wir haben verschiedene Klangvarianten untersucht, und es hat sich gezeigt, dass Klänge, die an bekannte Signale erinnern, was zum Beispiel Sirenen sind, es sind ja Gefahrensignale, dass die besser angenommen werden als sehr künstliche Geräusche."

    Einen anderen Ansatz verfolgt der Maschinenbauer Professor Achim Merklinger von der Hochschule Merseburg. Seine Roboter fauchen wie Löwen, knurren wie wütende Hunde.

    "Denken Sie an irgendein Raubtier, das auch seine Stimmung artikulieren kann. Und solche Geräusche können dann auch auf ein technisches Gerät wie einen Roboter übertragen werden. Vor allem unter dem Aspekt, dass man sagen kann, Roboter sind durchaus für den Menschen gefahrbringende technische Einrichtungen."

    Tierische Laute, so meint Achim Merklinger, sind für den Menschen instinktiv zu deuten. Das müsse man sich auch für die Technik zunutze machen.

    "Nehmen sie das Geräusch eines aufgeregten Hundes. Wenn ein Briefträger kommt, dann bin ich ziemlich zuversichtlich, dass er diese Geräusche richtig zu interpretieren versteht."

    Doch egal, ob die Roboter von morgen fauchen wie ein Raubtier oder schrill aufheulen, die akustische Warnung spaltet die Nutzer. Jens Mühlstedt erlebte bei seinen Untersuchungen nur zwei Reaktionen auf die Klänge: total euphorisch oder durchweg negativ.

    "Also eine akustische Gewöhnung findet teilweise in recht frühen Jahren statt, dass man sich an bestimmte Klangbilder erinnert, und das ist einfach recht individuell."

    Für das Auto hat der Chemnitzer Ingenieur schon die Lösung gefunden: Warnen mit dem Wunschinstrument.