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Der richtige Weg, das falsche Ziel?

Die derzeitige Haltung vieler Museen in Deutschland kann man als Angststarre beschreiben. Eigentlich müssten sie schon längst Herkunftsforschung betreiben, um Klarheit über ihre Bestände zu haben. Denn Deutschland hat sich verpflichtet, den Erben jüdischer Sammler zurückzugeben, was den Familien in der Nazi-Zeit weggenommen oder abgepresst worden ist. Kulturstaatsminister Neumann will nun offenbar Geld für die Herkunftsforschung zur Verfügung stellen.

Von Stefan Koldehoff |
    Das Ölbild "Berliner Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1913 wurde an die Erben des jüdischen Kunstsammlers Alfred Hess zurückgegeben.
    Das Ölbild "Berliner Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1913 wurde an die Erben des jüdischen Kunstsammlers Alfred Hess zurückgegeben. (picture-alliance/ dpa)
    Die Bilanz neun Jahre nach der Holocaust-Konferenz von Washington ist für Deutschland blamabel. Obwohl sich die Bundesrepublik schon damals dazu verpflichtet hat, ist bis heute nur eine verschwindend geringe Zahl von Museen dazu bereit, die eigenen Sammlungen nach NS-Raubkunst zu untersuchen. Der Deutsche Städtetag riet seinen Mitgliedern gerade erst dazu, ohne finanzielle Hilfe von Bund und Ländern auch keine großen weiteren Anstrengungen zu unternehmen.

    Diese finanzielle Hilfe, die seit vielen Jahren gefordert wird, soll nun angeblich kommen. Die Rede ist von rund zwei Millionen Euro, die Kultur-Staatsminister Bernd Neumann den deutschen Museen zur Verfügung stellen will. Bei einer Expertenrunde am morgigen Montag im Bundeskanzleramt soll darüber nachgedacht werden, wie man die Mittel sinnvoll einsetzen kann. Über diese Frage ist nun bereits im Vorfeld Streit ausgebrochen.

    Grund für den Streit ist ein Vortreffen am vergangenen Mittwoch in Magdeburg. Bei der Besprechung in der von Bund und Ländern getragenen "Koordinierungsstelle für Kulturgüterverluste" sollte es um Vorüberlegungen zur "Ausgestaltung eines Fonds Provenienzrecherche" gehen. Ganz anders liest sich das allerdings Im Protokoll, das die Koordinierungsstelle den Teilnehmern - darunter Bundeskulturstiftung, Kulturstiftung der Länder, Museumsbund und Stiftung Preußischer Kulturbesitz - einen Tag später übermittelt hat. Das Papier, das dem Deutschlandfunk vorliegt, ist ein einziges Plädoyer dafür, mit dem staatlichen Geld die Koordinierungsstelle selbst auszustatten, die dann über Anträge der Museen zu entscheiden hätte. Das sechsseitige Papier mit dem Titel "Modell zur Ausgestaltung und Ansiedlung eines Fonds Provenienzrecherche bei der Koordinierungsstelle" wurde nicht, wie ursprünglich besprochen, erst den Teilnehmern am Vortreffen zur Überarbeitung zugeleitet sondern gleich verteilt. Sein Autor ist pikanterweise der Leiter der Koordinierungsstelle selbst.

    Seit Freitag formiert sich nun nicht nur Widerstand gegen dieses Vorgehen und dagegen, dass das nicht abgestimmte Dokument Grundlage für die morgige Runde beim Kulturstaatsminister sein soll. Verschiedene Teilnehmer lehnen vor allem die Beauftragung der Magdeburger Koordinierungsstelle ab und wollen Bernd Neumann dafür am Montag auch die Gründe nennen: Die Institution werde von den deutschen Museen nicht ernst genommen, weil sie nicht kunsthistorisch geleitet sondern juristisch-technokratisch verwaltet werde. Entsprechend dürftig falle, so drei Teilnehmer an der Vorrunde gegenüber dem "Deutschlandfunk", nach neun Jahren die deutsche Bilanz aus, während andere Staaten längst viel weiter seien. So stecke die in Magdeburg geführte Datenbank "lostart.de" nach wie vor voller Fehler und werde von führenden deutschen Museen boykottiert. Nach dem Vortreffen in Magdeburg stand allerdings noch nicht fest, wer diese Nachricht dem Kulturstaatsminister überbringen soll. Neumann allerdings sollte durchaus gut zuhören: Auf Antrag der Opposition wird am 28. März in Berlin eine Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Kultur und Medien zum Thema Restitution stattfinden. Dann muss die Regierung Rede und Antwort stehen. Die dafür vorgeschlagenen unabhängigen Experten, auch aus dem Ausland, wurden allerdings von der Koalitionsmehrheit abgelehnt: Man sei nur an der Sicht der deutschen Museen interessiert.