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Der Rosinenkönig

Gustaf Eisen (1847 -1940) nicht zu kennen, zählt nicht zu Wissenslücken, für die man sich schämen muss. Oder vielleicht doch? Der Leser des "Rosinenkönigs" wird am Ende des Buches jedenfalls sehr froh darüber sein, es angefangen zu haben.

Rezension: Dagmar Röhrlich | 26.06.2011
    Fredrik Sjöberg, studierter Bio- und Geologe, schreibt darin die mitreißende Geschichte über ein faszinierendes Leben, das reichlich Stoff für üppige Schilderungen liefert. Und weil er schon dabei ist, webt er in seinen Erzählteppich gleich auch noch Autobiographisches und seine eigene Sicht der Dinge ein, denn zwischen ihm und seinem Protagonisten gibt es einige Parallelen: Beide interessieren sich seit der Kindheit fürs Sammeln, Experimentieren, die Biologie - und beiden wenden sich im Lauf ihres Lebens von der Naturwissenschaft mehr zur Kunst- und Kulturgeschichte hin - allerdings oder seine alte Liebe aufzugeben. Dieser Kunstgriff soll die massiven politischen und gesellschaftlichen Veränderungen verdeutlichen, die sich seit Zeit Eisens abgespielt haben.

    Im Zentrum steht jedoch Gustaf Eisen. Geboren in Schweden, wanderte er als junger Botaniker nach Kalifornien aus, wo er sich zum "Gott der Regenwurmforschung" entwickelte (und damit sogar Charles Darwin beeindruckte). Er war ein Pionier des Wein-, und Gartenbaus in Kalifornien, schrieb heute noch gelesene Bücher über Rosinen und Feigen, setzte sich für die Gründung des Sequoia National Parks ein, des zweiten Nationalparks der USA. Er verbesserte die Mikroskoptechnik, war ein erfolgreicher Porträtfotograf, sammelte Mayatextilien und verfasste Bücher über fast alle Porträts, die von George Washington überliefert sind - diese Aufzählung ließe sich fortsetzen.

    Was Gustaf Eisen alles unternommen hat, reicht normalerweise für zwei oder drei Leben. Er war ein Mann, der sich immer wieder neu erfand - und immer Hervorragendes zustandebrachte. Er ersann eine Datierungsmethode für Glasperlen, um die Besiedlungsgeschichte zu entwirren. Einmal verließ ihn sein Spürsinn, als er glaubte, in einem Antiquitätenladen auf den Heiligen Gral gestoßen zu sein. Die Datierung stimmte nicht, aber der Silberkelch ist wunderbar und brachte es immerhin bis ins Metropolitan Museum of Art in Manhattan.

    New York war die letzte Station im Leben von Gustaf Eisen, wo er 20 Jahre lang lebte. Er beschäftigte sich dort mit Keilschrift und Hieroglyphen und freundete sich im Central Park mit mehr als 100 Eichhörnchen an. Er kannte sie persönlich und mit Namen. Gustaf Eisen war eben nicht nur ein Freund der Menschen, sondern auch einer der Tiere. Der "Rosinenkönig" ist ein höchst gelungenes Buch über einen ungewöhnliches Wissenschaftler - bei dessen ersten Satz über Sjöbergs Handarbeitslehrerin man noch nicht ahnt, wie faszinierend der Mann war, um den es gehen wird.

    Fredrik Sjöberg: Der Rosinenkönig - Von der bedingungslosen Hingabe an seltsame Passionen
    ISBN: 978-3-86971-033-4
    Galiani Verlag, 235 Seiten, 18,95 Euro