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Der Rucola-Skandal

Nachdem in einer Packung Rucola des Discounters "Plus" in Hannover giftiges Greiskraut gefunden wurde, haben mehrere Handelsketten die deutsche Salatrauke aus dem Sortiment genommen. Die verunreinigte Rauke-Packung stammte aus Rheinland-Pfalz, wo weit über 90 Prozent des deutschen Rucolasalats angebaut wird.

Von Anke Petermann |
    Auf dem Mainzer Wochenmarkt lief das Geschäft mit Rucola am Wochenende nur mäßig bis schlecht, verrieten einige Händler und Erzeuger. Nicht verschrecken ließen sich aber die echten Rucola-Liebhaber. Trotz der Negativ-Schlagzeilen nahmen sie 150-Gramm-Bündelchen für einen Euro mit beziehungsweise 1,80 Euro für 100 Gramm Rucola aus biologischer Erzeugung:

    "Ich mache immer ein gutes Rapsöl dazu. Der Arzt hat mir das empfohlen, ich bin Rheumapatientin und muss eine Stoffwechselumstellung machen, und da sind auf meinem Plan Rucola und Radicchio hoch angesetzt, und deshalb esse ich ihn gern."

    Ob als Salat oder knackig-frisches Accessoire auf einer Pizza: Angst, sich mit Gemeinem Greiskraut im Rucola-Salat zu vergiften, muss niemand haben, versichert Monika Reinheimer ihren Kunden auf dem Mainzer Markt:
    "Bei uns wird von Hand gebündelt, und nicht maschinell geerntet, und somit ist jeder Rucolabund bei uns in der Hand und das sieht man. Und wenn es wirklich vorkommen sollte, wofür keiner die Hand ins Feuer legen kann, spätestens dann - und das wird dem Verbraucher nicht klargemacht - spätestens beim Waschen fällt es auf, und spätestens, wenn er drauf beißt fällt es auf - es wird keiner schlucken."

    Greiskraut schmeckt nicht nussig wie Rucola, sondern so bitter, dass der Salatesser es unwillkürlich ausspucken würde, pflichten Agrarexperten dieser Annahme bei. Die Blätter sind ähnlich gezackt wie Rucola, aber insgesamt ist das giftige Greiskraut dicker und gedrungener, anders als die Rucola-Blätter hat es immer einen Stängel.

    "Also ich glaube schon, dass wir das erkennen würden, aber eigentlich erwarte ich vom Bauern wie vom Pilzzüchter, dass es keine giftigen Sachen sind."

    Sollte doch mal ein Blättchen Greiskraut die Kehle runterrutschen, würde das nicht gleich einen schweren Leberschaden auslösen, geben Experten zu, dürfen das aber nicht laut sagen. Inwieweit das Kraut Mensch und Tier gefährdet, ist nämlich noch nicht abschließend untersucht und bewertet, konstatiert das Mainzer Verbraucherministerium. Warum Kaiser's Tengelmann, die Edeka-Gruppe samt der Discounter-Töchter Plus und Netto sowie zuletzt auch Rewe deutsche Rauke aus dem Sortiment genommen haben? "Eine reine Vorsichtsmaßnahme, um der Verunsicherung beim Verbraucher vorzubeugen", sagen die Sprecher der Handelsketten. "Panikmache", finden die Gemüse-Erzeugerinnen Monika Reinheimer und Annemarie Stahl. Die Bäuerin aus Rüsselsheim findet am Schlimmsten, dass Kaiser's Tengelmann deutschen Rucola-Salat bis auf weiteres durch italienischen ersetzt. Den erachte man derzeit als sicherer, sagt eine Sprecherin: Da schnauben die Gemüsebäuerinnen vor Wut.

    "Da wächst dasselbe wie bei uns. Der ist anders gespritzt und anders gemacht, das kann ich gar nicht begreifen."

    "Wir verkaufen weiterhin deutschen Rucola, weil die Kunden Vertrauen zu uns haben. Es ärgert mich dran, dass einseitig informiert wird. Es wird nicht gesagt, was wurde überhaupt als Stichprobe genommen, ein Paket, fünf Pakete, wie viel war da drin? Und dann muss man einfach sehen, wer zu solchen Preisen produzieren muss, für Aldi, Lidl, Plus, der kann nicht mehr aussortieren, der ist gedrückt von allen Seiten. Und da nimmt keiner Rücksicht drauf, und das ist nicht in Ordnung."

    Josef Schlaghecken, Gemüsebauberater des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum in Neustadt an der Weinstraße, widerspricht, berichtet, dass auch die Lieferanten der Discounter beim Ernten zweifach kontrollieren, das erste Mal schon beim Verlesen auf der Maschine, das zweite Mal vor dem Abpacken in die folienbezogenen Schälchen. Ein pfälzischer Lieferant der Edeka-Tochter Plus hatte das Giftkraut aber übersehen. 9000 weitere Packungen desselben Erzeugers wurden untersucht, in keiner fand sich Greiskraut.

    In den nächsten drei Wochen nimmt die Lebensmittelkontrollbehörde 50 Proben Rucola im rheinland-pfälzischen Handel und lässt sie im Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz prüfen. Wenn die Tests alle gut verlaufen, sagt die Sprecherin von Kaiser's Tengelmann, nehmen wir deutsche Rauke wieder ins Sortiment. Einen Termin dafür kann sie aber nicht nennen. Seit knapp einer Woche leiden die Lieferanten der Handelsketten an dem Lieferstopp. Ein halbes Dutzend pfälzischer Bauern, die sich auf Rucola spezialisiert haben, könnten damit erledigt sein, fürchtet der Gemüsebauberater Josef Schlaghecken. Ein Gemüsebauer habe einen Fehler gemacht, ein ganzer Berufsstand werde dafür diskriminiert, bedauert der Agrarexperte.