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Der Rütteltest

Gründen im Team - so nennt sich eine Initiative, die Arbeitslosen und Wiedereinsteigern beim Start in die berufliche Selbstständigkeit hilft. Zu Beginn des drei-monatigen Gründungsprozesses haben viele noch gar keine konkrete Geschäftsidee - und das ist auch Sinn der Sache. Das Projekt soll helfen, beruflich umzudenken und neue Wege zu gehen. Dabei steht der so genannte Rütteltest am Anfang.

Von Svenja Üing | 09.05.2006
    "Guten Morgen meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute mit dem Rütteltest starten können, sie hoffentlich auch, denn es ist so eine erste Bewährungsprobe."

    Kurz nach neun Uhr heute Morgen. Gabriele Zimmermann begrüßt die angehenden Existenzgründerinnen und -gründer im Innovationszentrum Wiesenbusch in Gladbeck. Für die 30 Frauen und Männer ist das ein aufregender Augenblick. In den kommenden Stunden werden sie ihre Konzepte vorstellen. Damit fällt der Startschuss in die ernste Phase der Existenzgründung, sagt Brigitte Leitner, Moderatorin bei Gründen im Team, kurz: GiT.

    "Der Rütteltest hat eine sehr große Bedeutung, weil nämlich zum ersten Mal jetzt, nach vier Wochen Recherche, alle Zahlen, Daten, Fakten zusammengetragen werden. Und sie ja zum ersten Mal ihr Konzept zu einem sehr frühen Stadium als Grobkonzept der Öffentlichkeit präsentieren."

    Im Plenum sitzen nämlich nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von GiT, sondern auch eine 8-köpfige Experten-Jury aus Banken und Sparkassen, Kammern und regionalen Wirtschaftsförderungsinstituten. Sie sind heute gekommen, um die Gründungsideen auf Stärken und Schwächen abzuklopfen. Neben dem Konzept muss aber auch die Persönlichkeit überzeugen, sagt Brigitte Bekau von der Wirtschaftsförderung der Stadt Herten:

    "Eine Unternehmer oder eine Unternehmerin muss einfach über den Schatten springen können, Durchsetzungevermögen haben, Engagement natürlich mitbringen, neben einem gewissen Realitätssinn aber auch durchaus Phantasie."

    Als erster Teilnehmer ist Harald Schnitzler an der Reihe.

    Zehn Minuten hat er Zeit, den Experten seine Geschäftsidee plausibel zu machen: Wie sieht seine Produktpalette sein? Auf welche Weise will er sich einen Kundenstamm aufbauen? Welche Investitionen muss er noch tätigen? Harald Schnitzler will sich als Industrieller Kostenanalytiker in der Automobilbranche selbstständig machen. Das heißt, er will als Berater zwischen Automobilfirmen und deren Zulieferern Preise verhandeln, mit denen beide Seiten zufrieden sind. Auf den Test heute hat sich der 45-Jährige gut vorbereitet:

    "Es war viel, viel Recherche dabei, basierend auf der Basis: Was muss ich verdienen. Es gibt einige Zeitungen und einige Quellen, vor allem aus der Automobilbranche, die man halt anzapfen kann. Und ansonsten: google."

    Zehn Jahre lang war der diplomierte Maschinenbauer bei einer großen Automobil-Firma als Einkaufskostenanalytiker tätig, bevor er vor gut zwei Monaten ist arbeitslos wurde. Jetzt will sich Harald Schnitzler beruflich möglichst schnell wieder etablieren:

    "Denn wenn ich zwei Monate raus bin aus meinem Beruf, ist das schon ziemlich kritisch. Also ich gebe mir da drei bis vier Monate, dann muss der erste Kunde da sein."

    Barbara Lehmann (der Name wurde aus Datenschutzgründen geändert) hat den Rütteltest als einzige in der Gruppe schon hinter sich. Im November letzten Jahres hat sie im Rahmen einer so genannten Ideenwerkstatt ihr Gründungskonzept vorgestellt: Beratung und Bildung im Gesundheits- und Sozialwesen. Das heißt, sie will Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheimen Tipps für die Aus- und Weiterbildung ihrer Angestellten geben. Das Feedback der Experten war sehr positiv, erzählt Barbara Lehmann:

    "Damit hatte ich eigentlich überhaupt gar nicht gerechnet, muss ich ehrlich sagen. Ich mein gut, Kleinigkeiten sind immer noch, wo man dran feilen muss und bei der Umsetzung werden immer noch neue Probleme und Schwierigkeiten auftreten."

    Die 45-Jährige hat Pflegemanagement und -pädagogik studiert und jahrelang ein großes Bildungszentrum im Gesundheitswesen geleitet. Mittlerweile leben sie und ihr Sohn von Hartz IV. Mit GiT verbindet die allein erziehende Mutter deshalb große Hoffnungen:

    "Ja ich bin im Moment eigentlich ganz zuversichtlich, dass es irgendwann klappen wird. Es wird noch eine Weile bei mir dauern, denn im Moment habe ich die finanziellen Mittel für die Umsetzung noch nicht. Aber das ist auch nur eine Frage der Zeit."

    Und eine Frage der eigenen Motivation und Ausdauer, sagt Sabine Pankowsky, Projektassistentin bei Gründen im Team:

    "Wir sagen auch immer: selbst und ständig. Das heißt, wir liefern kein fertiges Konzept. Das erarbeiten sich die Teilnehmer wirklich selbst."

    Umso spannender wird der Moment sein, in dem die Neu-Gründer im Laufe des heutigen Nachmittags das Feedback der Experten bekommen. Doch selbst, wenn das schlechter ausfallen sollte als erwartet, wird es sie einen großen Schritt weiter bringen auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit.