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Der Ruf des Propheten

Wie viele muslimische Konvertiten es in Deutschland gibt, weiß niemand genau. Ob es wirklich 18.000 sind, wie das Islamarchiv in Soest behauptet, wird von Statistikern und Islamwissenschaftlern bezweifelt. Aber dass die Zahl der Konvertiten steigt, halten die Sozialforscher für ausgemacht.

Von Dorothea Jung | 17.11.2007
    "Ich bezeuge dass es keinen Gott gibt außer Allah, und ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Allahs ist." - Für den Übertritt zum Islam braucht es nur diese beiden Sätze - sowie einen Gläubigen, der sie spricht und einen Zeugen, der sie entgegennimmt. Ein schlichter Vorgang. Doch wer auf muslimischen Webseiten surft und sich ein wenig bei "YouTube" tummelt, könnte zu der Überzeugung gelangen, dass dieses Ereignis hipp geworden ist. Dutzendfach sind im Internet verwackelte und verrauschte Videoclips zu entdecken, in denen populäre muslimische Prediger vor laufender Kamera Übertritte zum Islam entgegennehmen. Wie zum Beispiel der Kölner Exboxer Pierre Vogel - alias Abu Hamsa - oder der charismatische junge Imam der Berliner Al Nur-Moschee, Abdul Adhim.

    Diese islamischen Missionare sind jung, wirken lebensfroh, predigen orthodoxe Lehren und haben Zulauf. Die Videoclips zeigen, wie herzlich sie die neuen Muslime in ihre Arme schließen. Und wie Glaubensbrüder die Konvertiten mit Jubel und religiöser Leidenschaft begrüßen. Man muss kein Prophet sein, um sich vorzustellen, dass auch die beiden im Sauerland unter Terrorverdacht festgenommenen Konvertiten, Fritz G. und Daniel S., in ihren muslimischen Gruppen warmherzig und emphatisch aufgenommen wurden. Die beiden jungen Männer sind nach Erkenntnissen der Islamismusexpertin Claudia Dantschke in salafitische Netzwerke geraten; also in ein Milieu, das eine politisierte Religionsauffassung propagiert. Die basiert auf dem saudiarabischen, wahabitischen Islamverständnis. Dieser so genannte Salafismus sei die eigentliche Grundlage des radikalen Dschihadismus weltweit, so Claudia Dantschke.

    " Hier in Deutschland gibt es eben Gruppierungen, Einrichtungen, wo Prediger, Imame, aktiv sind, die sehr charismatisch auftreten, auch selbst noch junge Leute sind, und die zu diesem sehr extrem dogmatischen Islam-Verständnis einladen. Wo auch sehr viel Hass und Abgrenzung gegen alles, was eben nicht der eigenen Islam-Auffassung entspricht, beinhaltet ist und aus diesem Milieu heraus kommen letztendlich sehr viele von den radikalen Gewalttätern, Selbstmordattentäter, Dschihadisten, aber es ist eben kein Automatismus. "

    Natürlich beschreitet nicht jeder junge Mann, der in diese Milieus konvertiert, automatisch den Weg zum Gewalttäter. Es sind immer nur einzelne, sehr wenige, die diesen Weg gehen. Aber die dogmatische Islam-Interpretation bildet nach Meinung von Claudia Dantschke die theologische Rechtfertigung für ihr Handeln. Dieser Auffassung ist auch Professor Matthias Rohe von der Universität Erlangen. Rohe lehrt Bürgerliches Recht - und ist gleichzeitig Islamwissenschaftler. Er macht darauf aufmerksam, dass einige Konvertiten mit dem Übertritt zum Islam ihre sozialen Bezüge verlieren. Sie seien Muslime geworden, weil die rituelle Ordnung des Propheten Sicherheit verspricht, sagt der Wissenschaftler. Aber oft müssten sie erleben, dass alles Bisherige ins Wanken gerät.

    " Genau an dem Punkt setzen die Radikalen an, die versuchen wollen beizubringen, dass der wahre Islam dann eben so sei, dass er sich gegen Demokratie richtet, gegen dieses westliche Menschenrechtskonzept; und dann geht's so Schritt für Schritt. Dann wird's immer hermetischer, die Leute fühlen sich so als die wahren Auserwählten, und dann kommt möglicherweise noch der nächste Schritt, nämlich mal so 'n Ertüchtigungslager in Pakistan oder sonst irgendwo, und so schreitet diese Radikalisierung dann letztlich voran. Man hat Möglichkeiten übers Internet, wir wissen es von diesen Möchtegern-Attentätern in den Nahverkehrszügen im Rheinland, dass die sich wohl im Internet kundig gemacht haben, ob man das tun darf, weil der Prophet angeblich beleidigt worden sei, unschuldige deutsche Zugfahrer in die Luft zu sprengen. "

    Wie viele muslimische Konvertiten es in Deutschland gibt, weiß niemand genau. Ob es wirklich 18.000 sind, wie das Islamarchiv in Soest behauptet, wird von Statistikern und Islamwissenschaftlern bezweifelt. Aber dass die Zahl der Konvertiten steigt, halten Sozialforscher für ausgemacht. Auch, dass die so genannte Da'awa, die Einladung zum Islam - also die Missionierung - zugenommen hat, ist nach Meinung der Islamexpertin Claudia Dantschke augenfällig.

    " Es gibt mehrere islamische Gruppierungen in Deutschland, die also propagieren an ihre Mitglieder, der Sinn und Zweck dessen, dass ihr hier in Deutschland lebt, ist es, das Wort Allahs zu verbreiten. Und diese Botschaften richten sich dann an alle Menschen, weil der Islam eben eine Botschaft für die gesamte Menschheit ist. Ihr müsst also deshalb euch mit diesen Gesellschaften auseinandersetzen, diese Sprachen hier lernen, um auch das machen zu können. Und deswegen sprechen diese jungen Leute, die sich eben als Werber für den Islam verstehen, sprechen dann auch alle an. "

    Es war im Jahr 2000, als Daniel Steiner an seinem Arbeitsplatz in Berlin einen Kollegen kennen lernte, der ein praktizierender Muslim war. Wegen dieses Freundes begann der damals 24-jährige Großhandelskaufmann, sich für den Islam zu interessieren.

    " Indem ich sehr oft bei ihm zu Hause war, eingeladen wurde. Und ich war sehr wissbegierig, und, wie das Schicksal so wollte, wir uns von Anfang an gut verstanden hatten. Und dann hab ich so im Laufe der Zeit mich immer mehr mit dem Islam beschäftigt, und nachdem meine ganzen Vorurteile, die ich als normal deutscher Staatsbürger gegen den Islam hatte, relativ schnell abgebaut waren, konnte ich dann immer weitere Stepps in die Materie hinein machen, und ich denk dann über mehrere Dinge natürlich nach. Und so war es dann bei mir auch. "

    Daniel Steiners Freund war Mitglied bei der "Muslimischen Jugend in Deutschland". Das ist keine Organisation, die Terrorpläne verbreitet. Allerdings wird ihr nachgesagt, zum Netzwerk der Islamischen Gemeinde in Deutschland, IGD, zu gehören und dadurch - indirekt - verknüpft zu sein mit den Organisationsstrukturen der - islamistischen - Muslimbrüder. Daniel Steiner glaubt hingegen nicht, dass er sich in solche Kreise begeben hat. Ohnehin hält er von derartigen Zuordnungen wenig. Ihn habe an der Muslimischen Jugend etwas ganz anderes interessiert, sagt der Konvertit.

    " Weil dort halt viele Gleichaltrige waren, das ne junge Truppe war und dort die Vorträge auf Deutsch waren. Und es war halt eine gemischte Truppe, es war nicht eine reine türkische oder reine arabische oder rein pakistanische Gruppe, sondern da waren alle Nationen vertreten, und das war der Punkt, weshalb dort er war und er mich dort auch mit hingenommen hat, weil er gesagt hat, guck mal, du hörst jetzt ewig und drei Tage immer nur von mir irgendwelche Sätze, jetzt unterhalt dich mal mit anderen, nicht dass du jetzt denkst, ich erzähl dir hier irgend, irgendwas. "

    Daniel Steiner engagierte sich nach und nach mehr in der muslimischen Jugend und steht heute voll hinter der Arbeit dieses Vereins. Mit fast 30 Jahren hat er freilich bald die Altersgrenze der Gruppe erreicht und muss sich eine neue organisatorische Heimat suchen. Dabei beharrt Daniel Steiner darauf, seinen eigenen Kopf zu haben. Der Muslim will sich nicht davon beirren lassen, welcher Verein zu welcher islamistischen Organisation Verbindungen hat. "Ich bin ganz allein für mich selbst verantwortlich" lautet sein Fazit.

    Die einen werden von Freunden in die Moschee eingeladen, andere heiraten einen Muslim und befassen sich deshalb mit dem Islam, wiederum andere haben Erweckungserlebnisse. Da ist zum Beispiel Hadayatullah Hübsch, Jahrgang 1946, heute der Funktionär einer Glaubensgemeinschaft namens "Ahmadiyya Muslim Jamaat" - zu APO-Zeiten aktiv in der Studentenbewegung. Gegenwärtig arbeitet Hübsch als Imam in der Frankfurter Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde. Lange Zeit jedoch fungierte er auch als Pressesprecher der Organisation. Der Konvertit bezeichnet seine islamische Gemeinschaft als Reform-Gemeinde. Allerdings erkennen viele Muslime die Ahmadis nicht an und nennen sie kompromisslose Sektierer. Zu Zeiten, als Hadayatullah noch Paul-Gerhard hieß, begegnete er nach eigenem Bekunden Allah in der Wüste Marokkos. Dorthin war der damalige Hippie gereist, um zur Ruhe zukommen. Das war 1969; nachdem er zu viel LSD geschluckt hatte.

    " Ich stand wie angewurzelt da, plötzlich wendete ich mein Gesicht zum Himmel, aus mir heraus kommt das Gebet, oh Allah, bitte reinige mich. Das war nicht die direkte Konversion zum Islam, aber das einschneidende Erlebnis, und später dann, nach einem halben Jahr, als ich meditiert habe über einer Mandala, da kam ein weißes Licht plötzlich heraus, und dieses Licht ging zu dem Bücherschrank in meinem Zimmer, in dem ich wohnte. Und ich schlug den Koran auf und war sofort überzeugt, durch diese Worte spricht Allah, und in der mir eigenen Radikalität hab ich gesagt, so, jetzt bist du Muslim. "

    Auch für Achmed von Denffer kam die Offenbarung durch den Koran. Achmed von Denffer war lange Referent für deutschsprachige Angelegenheiten des Islamischen Zentrums München. Einer Gemeinde, deren Leiter später oberster Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft wurde. Von Denffer, der heute eine muslimische Hilfsorganisation leitet, studierte in den 70er Jahren Ethnologie, besuchte islamische Länder und war vom muslimischen Alltag fasziniert.

    Doch letztlich sei es das Textstudium der heiligen Schrift gewesen, das ihn zum Muslim machte, bekennt der 58-Jährige.

    " Beim Lesen des Korans stellte ich fest, dass ich doch mit den wesentlichen Dingen, die dort über Gott gesagt werden, über den Menschen, über die Gott bezogene Lebensweise sehr einverstanden sein konnte; das ist bald 40 Jahre her, hätten Sie mich damals gefragt, hätte ich Ihnen gesagt, ich, Achmed, habe dies getan und habe das getan. Heute sage ich, dass, als mir der Islam begegnete, ich ihn angenommen habe; und das ist ein Punkt, der mir sehr wichtig ist. "

    Daniel Steiner, Hadayatullah Hübsch und Ahmed von Denffer - drei Männer, die auf ganz unterschiedlichen Wegen zum Islam gefunden haben. Aber drei Männer, die sich mit ähnlich starkem Eifer in ihren muslimischen Organisationen engagieren. Hübsch und von Denffer gehören dabei zu einer Generation, die - vor allem in der Gründungsphase vieler Moscheevereine - von ihren Glaubensbrüdern gebraucht wurden. Insgesamt ist die Bedeutung der Konvertiten in muslimischen Verbänden zwar begrenzt, weil sie zahlenmäßig einen vergleichsweise geringen Anteil einnehmen. Aber als Vermittler zur Deutschen Gesellschaft spielen sie durchaus eine Rolle, meint Islam-Fachmann Mathias Rohe:

    " Weil wir es ja erleben, dass in sehr vielen Moscheegemeinden etwa die Imame oder Vorstandsmitglieder nur sehr schlecht Deutsch sprechen etwa. Dann sind sie schon mal die Sprachrohre der Gemeinde und sind eben auch geschickt im Umgang mit, mit der deutschen Gesellschaft, mit deutschen Medien, die wissen, wie man sich da zu verhalten hat, wie man an Leute rankommt, welchen Wortlaut man wählen sollte in Gesprächssituationen, von dem her werden die da auch schon ganz gerne eingesetzt. "


    Ahmed von Denffer war so jemand. Lange Zeit hat er den Migranten im Islamischen Zentrum geholfen, sich in der deutschen Gesellschaft zurechtzufinden. Er hat den Koran und orthodoxe islamische Schriften ins Deutsche übersetzt. Aus seinen strenggläubigen Überzeugungen macht von Denffer kein Geheimnis. Aufsehen erregte beispielsweise seine Kritik an der islamischen Charta. In dieser Schrift hatte sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland vor fünf Jahren zur Demokratie bekannt. Von Denffer schrieb, jeder müsse natürlich die Tatsache als Realität anerkennen, dass er hier in einer säkularen Demokratie lebe. Das bedeute aber nicht, dass man diese Tatsache und Realität als begrüßenswert anerkennen müsse. Diese Einsicht sei im Gegenteil für die Muslime ein Ansporn, sich dafür einzusetzen, diese Gesellschaft in eine islamgemäße umzuwandeln.

    " Eine islamgemäße Gesellschaft wäre dann eine, wo die Menschen in erster Linie ihren Frieden mit Gott suchen, das heißt, danach fragen, was ist Gottes Wort, was sind Gottes Ratschläge für das Leben des einzelnen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, und dass sie sich bemühen, ihre Gesellschaft entsprechend zu gestalten. "

    Auch Hadayatullah Hübsch, der Ex-Hippie unter den deutschen Konvertiten, könnte sich eine andere Rechtsordnung als die bundesdeutsche Demokratie vorstellen - zum Beispiel, wenn er über die Scharia nachdenkt.

    " Die Scharia ist zunächst mal eine Lebensordnung. Die betrifft sowohl die Art und Weise, wie ich bete, wie ich esse, wie ich trinke, wie ich mit Freunden zusammen bin, mit meiner Familie lebe und so weiter. Aber sie hat natürlich auch gewisse Ausformungen innerhalb der Gesellschaft, wie weit Freiheit gehen kann. Beispielsweise der Karikaturenstreit. Ich bin der Meinung, dass eine Scharia nicht eingeführt werden darf generell für alle, die in einem Staat leben, sondern die nicht-muslimische Minderheit muss ein eigenes bürgerliches Gesetzbuch bekommen. So wird's ja auch praktiziert in manchen Staaten der Welt, dass die Muslime ihre Scharia-Gesetzgebung haben und die Nicht-Muslime haben ihre Bürgerliches-Gesetzbuch-Realität. "

    Diskussionen um die richtige Islaminterpretation haben den theologischen Diskurs unter deutschen Konvertiten seit Kriegsende geprägt. Und immer waren mehr doktrinäre als liberale Stimmen zu hören. So traten beispielsweise bereits in den 80er Jahren die oft als Muslime der ersten Stunde bezeichneten Konvertiten Fatima und Karim Grimm mit orthodoxen Islamvorstellungen an die Öffentlichkeit. Und auch der deutsche Ex-Diplomat Murat Wilfried Hoffmann tut sich seit Jahren mit kompromisslosen Kommentaren zum Koran hervor. Glaubensstrenge Konvertiten - das ist also keinesfalls ein neues Phänomen in der Bundesrepublik. Es sah oft so aus, als wollten sie die noch strengeren Muslime sein, meint Islamwissenschaftler Mathias Rhohe.

    " Da scheint ein anderes Problem auf, das mit Konversion verbunden sein kann, nämlich offensichtlich das Bemühen, sich als 150-prozentig darstellen zu müssen, um dann eben in der Community auch akzeptiert zu werden. "

    Der Ex-Protestant, Ex-Katholik und Ex-Kommunist Peter Schütt aus Hamburg, Sinn-Suchender und Schriftsteller von Beruf, setzt sich hingegen für einen neuen Umgang mit islamischen Werten, Regeln und Traditionen ein. Der 68-Jährige, der von sich selber sagt, er sei nicht konvertiert, sondern habe seinem Glauben mit dem Islam nur etwas zugefügt, hat sich beispielsweise im Hamburger Islamischen Zentrum mit den dortigen Islamisten auseinandergesetzt. Peter Schütt ist stolz: Seine Freunde und er haben es geschafft, dass seine Moschee nicht mehr zur antisemitischen, antiisraelischen Quds-Demonstration in Berlin aufruft. Bis vor zwei Jahren wurden die einst von Ayatollah Khomeni angestifteten Quds-Demonstrationen vom islamischen Zentrum in Hamburg aus organisiert. Peter Schütt:

    " Wir haben das durchgesetzt in heftigen Diskussionen, trotz starken Drucks aus Teheran. Können Sie sich ja vorstellen Das war eine sehr erbitterte schmerzhafte Auseinandersetzung. Und der Imam, seit zwei Jahren ist er in Hamburg geblieben und hat in Hamburg gepredigt. Und der Rabbiner der Hamburger Jüdischen Gemeinde ist bei uns in der Moschee gewesen. Wir haben einen interreligiösen Dialog geführt. Das, finde ich, ist ein bemerkenswerter Vorgang und der setzt Streit voraus. "

    Auch Lydia Nofal definiert für sich neu, welche Rolle Konvertiten in der islamischen Gesellschaft einnehmen. Die 40-jährige Politologin und Mutter von drei Kindern studierte in London in einem multikulturellen Umfeld, bekam Kontakt zu Muslimen und fühlt sich seit nunmehr 16 Jahren im Islam heimisch. In Berlin hat sie gemeinsam mit anderen den Verein Inssan gegründet, - eine muslimische Gruppe, die sich ausdrücklich an der Lebenswirklichkeit in Deutschland orientieren will.

    " Wir unterscheiden zwischen Muslimen, die hier sozialisiert sind, deren Muttersprache Deutsch ist, und zwischen Migranten der ersten Generation, die doch immer noch sehr stark heimatorientiert sind und für die Deutsch auch eine Fremdsprache sind. Und für uns ist wichtig, dass die deutschen Muslime, die Muslime der zweiten und dritten Generation oder eben auch Konvertiten, mehr und mehr auch Einfluss nehmen auf die Arbeit in der Community. Es geht drum, ob man hier heimisch ist oder nicht. "

    Moscheevereine, deren Mitglieder mehrheitlich Migranten sind, regeln nach Auffassung von Lydia Nofal ihre Angelegenheiten heute mehr und mehr eigenständig. Die Bedeutung der Konvertiten schwindet, so die deutsche Muslima. Und umgekehrt? Lydia Nofal, die kein Kopftuch trägt, weil sie es hasst, deswegen schief angesehen zu werden, beansprucht, dass ihr Verein Inssan theologisch als unabhängig wahrgenommen wird, auch wenn wohl islamistische Stiftungen die geplante Inssan-Moschee mitfinanzieren werden. "Niemand versucht, uns zu unterwandern", sagt SPD-Mitglied Nofal.

    " Wir suchen den Kontakt mit den anderen muslimischen Organisationen, wir kooperieren mit ihnen, wir binden sie ein in unsere Arbeit in den Bereichen, wo wir die gleichen Ziele haben, eben auch zusammenzuarbeiten, und ich sehe da eine sehr, sehr breite Übereinstimmung. "

    Es sei eine mal pragmatische, mal herzliche Zusammenarbeit - und wenn die befreundeten Vereine traditionellere Islamvorstellungen vertreten, dann werde das entweder respektiert oder diskutiert. Lydia Nofal und der Verein Inssan sowie auch Daniel Steiner von der 'Muslimischen Jugend' repräsentieren eine neue Generation von Konvertiten. Diese deutschen Muslime verstehen sich als global vernetzte Gemeinschaft. Und es scheint, als wäre in ihren Gemeinschaften mehr Platz für Diskussion und Meinungsvielfalt. Auf jeden Fall denken sie internationaler als die Konvertiten des 20. Jahrhunderts. Ob sie auch theologisch ein neues Zeitalter des Islam einläuten können, muss sich jedoch erst noch zeigen.