Völker hört die Signale
Etwa 40 Männer und Frauen, die meisten Ende 50 und älter, singen die Internationale. Sie sind im Eisenacher Kunstpavillon zusammengekommen, einem flachen Bauwerk mit viel DDR-Charme, um über ihre politischen Biografien aus Ost und West zu sprechen. Zu Gast sind Genossen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Parteiprominenz ist nicht da. Halina Wawzyniak gehört zu den Initiatoren des Treffens - und zur Parteispitze:
"Es geht wirklich um die Leute, die vor Ort in den Kreisen arbeiten, die sollen sich ihre gegenseitige Biografie erklären, erzählen, damit sie ein Verständnis füreinander entwickeln. Und dazu brauche ich nicht die Funktionärsträger."
Für Halina Wawzyniak ist es ein Ausloten der Ost/West- Parteibasis. Sie möchte wissen, wo ihre Mit-Genossen herkommen, wie sie sozialisiert sind, wo es Gemeinsamkeiten gibt. Erstaunlich, sagt die sportliche Frau mit dem blonden Kurzschopf, es gebe in den Reihen West weniger Ex-SPD-Mitglieder als sie dachte, dafür den Zulauf aus vielen kleinen linken Strömungen.
Natürlich werde derzeit über die Richtung der Linken diskutiert und das neue Parteiprogramm:
"Aber ich finde den Begriff 'Zerreißprobe' dann doch etwas sehr weit geholt. Das, was die vermeintliche Zerreißprobe ausmacht, sind Personaldebatten, die unter der Hand geführt werden."
Im Klartext: Die Basis ist unzufrieden mit der Parteispitze. Die Wahlergebnisse sind nicht so wie erhofft. In Berlin muss der langjährige Koalitionspartner der SPD jetzt auf der Oppositionsbank Platz nehmen.
Mitgliederrückgang, Parteiaustritte und vor allem fehlender Nachwuchs machen Ost und West zu schaffen. Die Linke West ist - wenn man den Biografien engagierter Mitglieder glauben mag - zum Sammelbecken vieler, auch kommunistischer Strömungen geworden. Immer wieder lassen Themen wie Mauerbau, DDR-Unrechtsstaat, Umgang mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern oder zuletzt die Geburtstagsgrüße der Parteispitze an Fidel Castro die Wogen hochschlagen - intern und extern. Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, die beiden Vorsitzenden, stehen oft in der Kritik. `Alles nur herbeigeredet`, empören sich Parteimitglieder wie Hans-Otto Spanke vom Kreisverband Soest:
"Ich gehe davon aus, dass unsere gewählte Führungsspitze ihre Arbeit bislang gut macht, weiterhin gut macht, gewählt ist und das auch bleibt. Ich wüsste nicht, warum ich von was anderem ausgehen sollte."
Derzeit klare Linie: Erst das Programm, später das Personal - dass sich das Karussell neu drehen wird, ist der Basis klar, auch wenn man lieber nur leise darüber redet.
"Es wird in vielen Medien und natürlich auch vom politischen Gegner und vielleicht auch von der Öffentlichkeit gewünscht, dass wir Personaldiskussionen haben, damit man uns hierhin oder dorthin festlegen kann, ohne Not und ohne Sinn."
Zwei Namen sind aber immer lauter zu vernehmen. Sarah Wagenknecht, die erklärte Kommunistin, und Oskar Lafontaine, der Übervater. Der WASG und PDS zur Linken zusammenführte, damit 2009 auf Bundesebene knapp zwölf Prozent errang. Diesen Namen brachte Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende zuletzt auch öffentlich vernehmbar wieder ins Spiel. Parteimitglieder, wie Manfred Weretecki freut es:
"Er ist da nach wie vor hervorragend unterwegs, wenn er redet. Ich glaube gerade, dass er die Partei vereint. Ich glaube nicht, dass es da Probleme gibt. Also, er würde vielleicht jetzt irgendwann man antreten, nicht jetzt, weil ich finde, dass die beiden jetzigen Parteivorsitzenden ihre Arbeit vernünftig zu Ende bringen. Ob es danach, ob es dann eine neue Diskussion gibt und ob Oskar noch mal bereit wäre, fände ich das gut und das würde auch sicherlich die Partei nach vorne bringen. Also ich habe nicht die Befürchtung, dass wir im Osten da Probleme mit haben."
Und aus dem Saarland ist zu hören, der ehemalige Parteichef könne sich gut vorstellen, wieder in die Politik zurückzukehren. Kann mit ihm gelingen, was sich die Mitglieder wünschen? Bessere Wahlergebnisse und mehr Popularität? Vor allem brauchen wir eine andere Gesellschaft, sagt Hans Otto Spanke:
"Wenn Sie fragen, ob wir der Meinung sind, dass der Sozialismus noch eine Chance hat, kann ich Ihnen nur sagen: Ja, selbstverständlich. Weil, es gibt ja, wenn man vernünftig nachdenkt, keine Alternative."
Im Osten sei es leichter, mit dem Begriff 'Sozialismus' Wahlkampf zu machen. Im Westen sei das für viele ein rotes Tuch, der Meinung ist Manfred Weretecki, Vorsitzender des Kreisverbandes Soest. Dabei gehe es gar nicht um DDR-Nostalgie-Sozialismus:
"Deswegen sagen wir ja auch "demokratischer Sozialismus" um da eine Differenzierung `reinzubringen. Also das, was die DDR war, war sicherlich ein Ansatz, aber eben nicht das, was wir uns vorstellen oder auch nicht Nordkorea oder China- um Gottes Willen, also eben auch demokratischer Sozialismus, wo die Demokratie eine entscheidende Rolle spielt. Das war in der DDR sicherlich am Ende nicht mehr der Fall. Wenn diese Stasi und die Grenzkontrollen nicht so gewesen wären, dann war das sicherlich auch ein Versuch, den Sozialismus einzuführen. Der ist aber gescheitert, dass muss man ganz klar erkennen. Auch die Ossis, wenn man sie so nennen will."
Eines ist für Manfred Weretecki klar, die Ossis seiner Partei haben Wahlergebnisse, die man in Soest gerne hätte. Katja Wolf ist Kreisvorsitze in Eisenach und in einer fast komfortablen Situation:
"Mich haben die Genossen aus NRW gefragt, wie viel Prozent habt ihr denn hier in Eisenach. Und ich hab' gesagt, wir sind immer so zwischen 25 und 30 Prozent, wo die natürlich erstmal denken - wow - und das sind natürlich ganz, ganz verschiedene Startpunkte, von denen man aus die Welt betrachtet."
Auch auf die Rolle Oskar Lafontaines schaut man hier kritischer. Und auf seine mögliche Rückkehr. In Thüringen setzen viele lieber auf Bodo Ramelow, den Fraktionsvorsitzenden im Landtag. Auch er gilt als Anwärter für mehr als nur einen Thüringer Posten. In Soest sieht man das anders:
"Der Ramelow - haha - nein, das geht nicht."
Beim Parteitag in Erfurt Ende Oktober soll es ausdrücklich nicht um Personal gehen. Wichtiger sei vorerst ein gemeinsames Programm auf den Weg zu bringen und ein Dach zu schaffen für Ost- und West-Strömungen. Die Basis aber hat ihrer Spitze klar gemacht, wenn die Linke nicht bald die Kurve kriegt, geht es schneller ums Personal als geplant.
Etwa 40 Männer und Frauen, die meisten Ende 50 und älter, singen die Internationale. Sie sind im Eisenacher Kunstpavillon zusammengekommen, einem flachen Bauwerk mit viel DDR-Charme, um über ihre politischen Biografien aus Ost und West zu sprechen. Zu Gast sind Genossen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Parteiprominenz ist nicht da. Halina Wawzyniak gehört zu den Initiatoren des Treffens - und zur Parteispitze:
"Es geht wirklich um die Leute, die vor Ort in den Kreisen arbeiten, die sollen sich ihre gegenseitige Biografie erklären, erzählen, damit sie ein Verständnis füreinander entwickeln. Und dazu brauche ich nicht die Funktionärsträger."
Für Halina Wawzyniak ist es ein Ausloten der Ost/West- Parteibasis. Sie möchte wissen, wo ihre Mit-Genossen herkommen, wie sie sozialisiert sind, wo es Gemeinsamkeiten gibt. Erstaunlich, sagt die sportliche Frau mit dem blonden Kurzschopf, es gebe in den Reihen West weniger Ex-SPD-Mitglieder als sie dachte, dafür den Zulauf aus vielen kleinen linken Strömungen.
Natürlich werde derzeit über die Richtung der Linken diskutiert und das neue Parteiprogramm:
"Aber ich finde den Begriff 'Zerreißprobe' dann doch etwas sehr weit geholt. Das, was die vermeintliche Zerreißprobe ausmacht, sind Personaldebatten, die unter der Hand geführt werden."
Im Klartext: Die Basis ist unzufrieden mit der Parteispitze. Die Wahlergebnisse sind nicht so wie erhofft. In Berlin muss der langjährige Koalitionspartner der SPD jetzt auf der Oppositionsbank Platz nehmen.
Mitgliederrückgang, Parteiaustritte und vor allem fehlender Nachwuchs machen Ost und West zu schaffen. Die Linke West ist - wenn man den Biografien engagierter Mitglieder glauben mag - zum Sammelbecken vieler, auch kommunistischer Strömungen geworden. Immer wieder lassen Themen wie Mauerbau, DDR-Unrechtsstaat, Umgang mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern oder zuletzt die Geburtstagsgrüße der Parteispitze an Fidel Castro die Wogen hochschlagen - intern und extern. Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, die beiden Vorsitzenden, stehen oft in der Kritik. `Alles nur herbeigeredet`, empören sich Parteimitglieder wie Hans-Otto Spanke vom Kreisverband Soest:
"Ich gehe davon aus, dass unsere gewählte Führungsspitze ihre Arbeit bislang gut macht, weiterhin gut macht, gewählt ist und das auch bleibt. Ich wüsste nicht, warum ich von was anderem ausgehen sollte."
Derzeit klare Linie: Erst das Programm, später das Personal - dass sich das Karussell neu drehen wird, ist der Basis klar, auch wenn man lieber nur leise darüber redet.
"Es wird in vielen Medien und natürlich auch vom politischen Gegner und vielleicht auch von der Öffentlichkeit gewünscht, dass wir Personaldiskussionen haben, damit man uns hierhin oder dorthin festlegen kann, ohne Not und ohne Sinn."
Zwei Namen sind aber immer lauter zu vernehmen. Sarah Wagenknecht, die erklärte Kommunistin, und Oskar Lafontaine, der Übervater. Der WASG und PDS zur Linken zusammenführte, damit 2009 auf Bundesebene knapp zwölf Prozent errang. Diesen Namen brachte Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende zuletzt auch öffentlich vernehmbar wieder ins Spiel. Parteimitglieder, wie Manfred Weretecki freut es:
"Er ist da nach wie vor hervorragend unterwegs, wenn er redet. Ich glaube gerade, dass er die Partei vereint. Ich glaube nicht, dass es da Probleme gibt. Also, er würde vielleicht jetzt irgendwann man antreten, nicht jetzt, weil ich finde, dass die beiden jetzigen Parteivorsitzenden ihre Arbeit vernünftig zu Ende bringen. Ob es danach, ob es dann eine neue Diskussion gibt und ob Oskar noch mal bereit wäre, fände ich das gut und das würde auch sicherlich die Partei nach vorne bringen. Also ich habe nicht die Befürchtung, dass wir im Osten da Probleme mit haben."
Und aus dem Saarland ist zu hören, der ehemalige Parteichef könne sich gut vorstellen, wieder in die Politik zurückzukehren. Kann mit ihm gelingen, was sich die Mitglieder wünschen? Bessere Wahlergebnisse und mehr Popularität? Vor allem brauchen wir eine andere Gesellschaft, sagt Hans Otto Spanke:
"Wenn Sie fragen, ob wir der Meinung sind, dass der Sozialismus noch eine Chance hat, kann ich Ihnen nur sagen: Ja, selbstverständlich. Weil, es gibt ja, wenn man vernünftig nachdenkt, keine Alternative."
Im Osten sei es leichter, mit dem Begriff 'Sozialismus' Wahlkampf zu machen. Im Westen sei das für viele ein rotes Tuch, der Meinung ist Manfred Weretecki, Vorsitzender des Kreisverbandes Soest. Dabei gehe es gar nicht um DDR-Nostalgie-Sozialismus:
"Deswegen sagen wir ja auch "demokratischer Sozialismus" um da eine Differenzierung `reinzubringen. Also das, was die DDR war, war sicherlich ein Ansatz, aber eben nicht das, was wir uns vorstellen oder auch nicht Nordkorea oder China- um Gottes Willen, also eben auch demokratischer Sozialismus, wo die Demokratie eine entscheidende Rolle spielt. Das war in der DDR sicherlich am Ende nicht mehr der Fall. Wenn diese Stasi und die Grenzkontrollen nicht so gewesen wären, dann war das sicherlich auch ein Versuch, den Sozialismus einzuführen. Der ist aber gescheitert, dass muss man ganz klar erkennen. Auch die Ossis, wenn man sie so nennen will."
Eines ist für Manfred Weretecki klar, die Ossis seiner Partei haben Wahlergebnisse, die man in Soest gerne hätte. Katja Wolf ist Kreisvorsitze in Eisenach und in einer fast komfortablen Situation:
"Mich haben die Genossen aus NRW gefragt, wie viel Prozent habt ihr denn hier in Eisenach. Und ich hab' gesagt, wir sind immer so zwischen 25 und 30 Prozent, wo die natürlich erstmal denken - wow - und das sind natürlich ganz, ganz verschiedene Startpunkte, von denen man aus die Welt betrachtet."
Auch auf die Rolle Oskar Lafontaines schaut man hier kritischer. Und auf seine mögliche Rückkehr. In Thüringen setzen viele lieber auf Bodo Ramelow, den Fraktionsvorsitzenden im Landtag. Auch er gilt als Anwärter für mehr als nur einen Thüringer Posten. In Soest sieht man das anders:
"Der Ramelow - haha - nein, das geht nicht."
Beim Parteitag in Erfurt Ende Oktober soll es ausdrücklich nicht um Personal gehen. Wichtiger sei vorerst ein gemeinsames Programm auf den Weg zu bringen und ein Dach zu schaffen für Ost- und West-Strömungen. Die Basis aber hat ihrer Spitze klar gemacht, wenn die Linke nicht bald die Kurve kriegt, geht es schneller ums Personal als geplant.