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Der Schmerz des anderen

Wenn der Roman eines Schriftstellers, der sich seit Jahrzehnten für die Sache der Palästinenser stark macht, ja, der während des libanesischen Bürgerkriegs Mitte der 70er Jahre sogar für sie zur Waffe griff – wenn so ein Roman auch in Israel in hebräischer Übersetzung erscheint, dann muß das aufhorchen lassen. Denn Elias Khoury, 1948 in Beirut in einer christlichen Familie geboren, hat so die zentrale Front des Nahost-Konflikts unterlaufen. Wie, fragt man sich, kann so ein Geniestreich gelingen? Die Antwort ist denkbar einfach: Elias Khoury, der als Kulturredakteur für eine große Beiruter Tageszeitung arbeitet, weiß zwischen dem Handwerkszeug des Journalisten und dem des Romanciers zu unterscheiden. Sein 742-Seiten-Wälzer Das Tor zur Sonne ist kein Zeugnis einer missverstandenen engagierten Literatur, sondern ein Roman, der die jüngste Geschichte der Palästinenser mit den Stilmitteln der Moderne in einen Reigen verstörender Bilder und Geschichten auflöst. Unser Mitarbeiter Christoph Vormweg hat ihn für uns gelesen.

Von Christoph Vormweg | 17.10.2004
    November 1995. Im palästinensischen Flüchtlingslager Schatila, am Stadtrand von Beirut, liegt der legendäre Freiheitskämpfer Yunus im Koma. Nach einem Schlaganfall hatte man ihm nur noch ein paar Tage gegeben. Doch Khalil Ayubb, der Ich-Erzähler, ein in China notdürftig ausgebildeter Hilfsarzt, kämpft nun schon seit drei Monaten um sein Leben. Er will nicht, daß Yunus auf dem Friedhof des Flüchtlingslagers beigesetzt wird, dem Ort ihrer Erniedrigung, ihres Selbstverlustes. Der Alte soll - gemäß seinem früher geäußerten Wunsch - im so genannten "Tor zur Sonne" sterben, einer Höhle in den von Israel besetzten Gebieten, die ihm als Versteck und Liebesnest diente. Um Yunus aus dem Koma zurück zu holen, lockt ihn Khalil mit alten Geschichten.

    Ich breite meine Worte wie einen Teppich auf dem Boden aus, damit du auf ihnen gehen kannst [...] Ich will dich durch Worte wiederbeleben. Wieso sagst du nichts? Nur ein einziges Wort, und wir haben es geschafft!
    Entweder kannst du nicht reden, du willst es nicht oder hast es verlernt.
    Dann mußt du eben zuhören. Ich weiß, die Geschichten aus meinem Leben hast du satt, also erzähle ich dir welche aus deinem Leben und erwidere so, was ich von dir bekommen habe. Und während ich erzähle, zeigt sich auf deinen verschlossenen Lippen der Schatten eines Lächelns.
    Hörst du meine Stimme?
    Erscheinen dir meine Worte wie schwarze Schatten?
    Auch mich ermüdet das Reden. Doch sobald ich schweige, sprudeln die Worte hervor. Sie quellen mir wie Schweiß aus den Poren, und aus meiner Kehle höre ich nicht meine, sondern deine Stimme dringen.
    Ich lasse dich reden, in einem fort. Aber statt aufzuwachen, versackst du im Schlaf. [...]
    Ich weile beim Tod, lebe mit ihm. Mit dem Tod zu leben, ist hart.


    Der Tod ist in Elias Khourys Roman Das Tor zur Sonne allgegenwärtig. Denn der im Koma liegende Yunus hat die so genannte Nakba, die Katastrophe von 1948, noch bewußt erlebt. Damals wurden Hunderttausende Palästinenser von der israelischen Armee aus ihren Dörfern in Galiläa und anderswo vertrieben. Und das Blut floß weiter: 1967 bei der verheerenden Niederlage im Sechs-Tage-Krieg, 1970 bei der Vertreibung der palästinensischen Kämpfer aus Jordanien in den Libanon, Mitte der 70er Jahre während des libanesischen Bürgerkriegs, 1982 bei der israelischen Belagerung Beiruts, wo es nach der Vertreibung der PLO zu Massakern in den palästinensischen Flüchtlingslagern kam, und, und, und. Da wirkt es fast schon wie eine Nebensächlichkeit, daß auch Khalil, der Erzähler, um sein Leben fürchtet. Denn seine Geliebte, die verheiratete Schams, hat ihren Zweit-Liebhaber getötet und ist daraufhin selbst ermordet geworden. Ihre Angehörigen glauben nun, daß Khalil sie aus Eifersucht niedergemetzelt habe. Deshalb wagt er sich - aus Furcht vor der familiären Blutrache –kaum noch aus dem Krankenhaus. Die Angst vor dem eigenen Tod befeuert seine Erzählwut genauso wie die Angst vor dem Verlust seiner Vaterfigur. Yunus ist nämlich das Vorbild vieler jugendlicher Palästinenser gewesen, die sich – wie Khalil selbst – dem bewaffneten Widerstand gegen die israelischen Besatzer angeschlossen hatten.

    Dein Lachen hat mich überrascht. Denn ich war felsenfest davon überzeugt, daß Helden nicht lachen. Auf den Plakaten mit den Porträts der Märtyrer, die im Flüchtlingslager an allen Wänden kleben, habe ich nie ein lachendes Gesicht gesehen. Es waren immer ernste, verstockte Mienen, die so wirkten, als würden sie den Tod in sich bergen.
    Du aber nicht.
    Du warst ein Held, der sich über Helden amüsierte [...].
    Es lohne sich nur für das zu sterben, was man leben will, hast du erklärt.
    "Mit ihr und um ihretwillen habe ich gelebt. Palästina ist nicht das eigentliche Thema. Doch, natürlich! Irgendwie schon, aber auch nicht. Denn das Land verändert seinen Standort nicht. Es besteht immer weiter. Und entscheidend ist nicht, wer gerade Herr darüber ist, denn Herrschaft über ein Stück Land ist reinste Illusion. Ein Mensch kann unmöglich Land und Erde beherrschen, denn am Ende wird er in der Erde begraben. Vielmehr ist es so, daß die Erde uns beherrscht, uns alle. Sie nimmt uns letztlich in sich auf. Ich habe nicht um der Geschichte willen gekämpft, mein Lieber, sondern wegen einer Frau, die ich liebte.


    Schon nach wenigen Seiten zeigt sich, daß Das Tor zur Sonne ein Roman wider die wohlfeile Legendenbildung ist. Mit anderen Worten: Elias Khoury will dem jahrzehntelangen Freiheitskampf der Palästinenser kein stählernes Denkmal setzen. Dafür interessiert er sich als Romancier viel zu sehr für die Widersprüche seiner Figuren. Mehr noch: Dafür hat er die Lektionen der literarischen Moderne zu genau studiert. Elias Khoury ist kein Vertreter einer falsch verstandenen engagierten Literatur, die platt Partei ergreift. Schreiben ist für ihn Erkundungsarbeit, Verstehenwollen. Und deshalb hat er für seinen Roman eine Vielzahl von Zeitzeugen interviewt. In diesem Sinne tischt sein Erzähler Khalil dem Leser auch keine Gewissheiten auf, sondern Versionen verschiedener möglicher Wahrheiten. So auch, als er die Reaktion des Widerstandskämpfers Yunus auf den Tod seines erstgeborenen Sohns beschreibt. Der Kleine, der mit seiner Mutter Nahila in den besetzten Gebieten Galiläas lebt, war beim Spielen in der Nähe des Stacheldrahtzauns einer neuen jüdischen Siedlung von einem Stein am Kopf getroffen worden. Als sich Nahila daraufhin an die Militärverwaltung wandte, um eine Genehmigung für die Fahrt zum Krankenhaus zu erbitten, wurde sie festgenommen und verhört. Denn seit langem schon fahnden die Israelis vergeblich nach ihrem untergetauchten Ehemann. Und es kam, wie es kommen mußte: Während sie Nahila mit Fragen löcherten, starb ihr Sohn mangels ärztlicher Betreuung an seiner Kopfverletzung.

    Es war Nacht.
    Der Stacheldraht wurde von kreisenden Suchscheinwerfern überwacht. Yunus robbte sich aus seinem Versteck im nahegelegenen Olivenhain immer näher heran. Die Handgranaten, zu einer Kette verbunden und mit einer Zündschnur versehen, wollte er in die noch nicht fertiggestellte große Halle legen, in der jüdische Familien aus dem Jemen dicht zusammengedrängt schliefen. Er wollte töten, einfach nur töten.
    [...] "Ich hatte Durst, denn Rache ist wie Durst. Je mehr ich trank, desto durstiger wurde ich, bis der Zeitpunkt gekommen war. Als es endlich soweit war, und ich mich vorwärts zu robben begann, fühlte ich eine eisige Kälte im Herzen. Kurz bevor alles Wirklichkeit zu werden schien, war der Durst [jedoch] vergangen..."
    Was wirklich geschah würde Yunus nie zugeben.
    [...] Das Scheinwerferlicht war bereits mehrmals über ihm hinweg gezogen, als er plötzlich eine Bewegung, Schüsse und Hundebellen hörte. Er drückte sich fest an den Boden, lag erstarrt da und bewegte sich weder vor noch zurück. Dann beschloß er den Rückzug. Er rannte einfach los, ohne jede Vorsicht vor dem Scheinwerfer. Der Rückzug spielte sich als genaues Gegenteil der Offensive ab. Hin war er im Schutz der Dunkelheit gerobbt und, sobald das Scheinwerferlicht in seine Nähe rückte, regungslos verharrt. Zurück rannte er dagegen unbedacht drauflos, während die Kugeln nur so um ihn herum einschlugen, bis er wieder im Olivenhain verschwand. Und dort wartete er nicht etwa den Morgen ab, sondern er entfernte sich immer weiter bis zur libanesischen Grenze.
    Er habe die Operation abgebrochen, würde er behaupten, denn es sei eine individuelle Rache gewesen, und die Israelis hätten sich dann an den Bewohnern der arabischen Dörfer gerächt. Über die lähmende Angst und den Grund für seine Flucht in den Libanon würde er aber nicht ein Wort verlieren.


    Ein Held, der unsicher wird, den die Angst packt: das paßt nicht zu den Mythen, mit denen viele Palästinenser den Befreiungskampf heroisieren. So wie Elias Khoury als Intellektueller und Journalist den Märtyrer-Kult um die Selbstmord-Attentäter kritisiert, weil Selbstmordattentate für ihn kein legitimes politisches Mittel sind, so zeichnet er als Romancier keine Klischeehelden, sondern widersprüchliche, abgründige Figuren. Mehr noch: Er unterläuft wiederholt die Frontlinie zwischen Palästinensern und Israelis – so, als er die Reise von Umm Hassan, der Hebamme des Beiruter Flüchtlingslagers Schatila, zu ihrem alten Haus in den besetzten Gebieten beschreibt, aus dem sie 1948 mit ihrer Familie vertrieben worden war. Dabei stellt sich nämlich heraus, daß die Jüdin, der das Haus zugewiesen worden ist, ihrerseits aus Beirut stammt und unter nicht weniger quälendem Heimweh leidet wie Umm Hassan. Mit einem Wort: jede der Frauen beneidet die andere um ihren Ort. Doch der Traum einer Rückkehr in die alte Heimat ist mit dem Besuch endgültig ausgeträumt:
    Wo war die Zeit geblieben? [...] Ist sie vielleicht auf den Videofilmen zu finden, die inzwischen zu unserer einzigen Unterhaltung geworden sind? Schatila ist regelrecht zu einem Video-Flüchtlingslager geworden. Die Kassetten wandern von Haus zu Haus, und die Leute hocken vor den Geräten, erinnern sich und erzählen. Was nicht zu sehen ist, malen sie sich aus. Sie bauen sich eine Heimat aus Bildern von der Heimat. Ödet sie die Wiederholung der immer gleichen Geschichten nicht mittlerweile an? Umm Hassan schlief nicht mehr, unablässig erzählte sie, und schließlich starb sie an ihren Tränen.

    Elias Khourys "Grundidee" für seinen Roman Das Tor zur Sonne war, wie er in einem Interview sagte, "dass der palästinensische wie der israelische Schmerz ein Spiegel für die jeweils andere Seite sein muss." Die offizielle Politik sieht das anders. Tatsache ist, daß die israelische Geschichtsschreibung die Vertreibungen von 1948 nach wie vor verharmlost, indem sie die Massaker, zu denen es kam, ausblendet. Elias Khoury will da mit gutem Beispiel voran gehen. Er unterschlägt in seinem Roman nicht, dass es auch auf palästinensischer Seite damals Schuldige gab. Denn geldgierige Clan-Oberhäupter schufen die Voraussetzung für die Vertreibungen, indem sie ganze Landstriche heimlich an die Israelis verkauften. In jedem Fall: Durch die Vielzahl der Nebenfiguren und ihre oft widersprüchlichen Erfahrungen wird der Blick auf die jüngste Geschichte der Palästinenser mit jeder Seite differenzierter – zumal deshalb, weil der Erzähler Khalil seine Zweifel an Yunus´ früherer Selbstdarstellung immer deutlicher hervorkehrt. Sein Hauptvorwurf:

    Du spielst den Helden, weil du vergißt. [...] Du hast dein Leben zu einer Geschichte gemacht, die geschlossen ist wie ein Kreis.

    Stimmige Geschichten, so Elias Khoury, unterschlagen das Nicht-Passende, die ungelösten Fragen, das Verquere. Literarische Klarheit wäre demnach eine auf Halbwahrheiten und Lügen gebaute Illusion. Und deshalb gleicht der Roman Das Tor zur Sonne einem Anrennen, einem beständigen Nachhaken. Jeden Tag rafft sich der Erzähler Khalil, gleich Sisyphus mit seinem Stein, zu einer neuen Ansprache an den Koma-Patienten Yunus auf. Der Leser bleibt nach 750 Seiten nicht nur desillusioniert zurück, sondern auch verwirrt. Beides ist gewollt. Denn Elias Khoury will verstören. Er ist ein in jeder Hinsicht ungemütlicher Erzähler. Ungemütlich gerade auch gegenüber den Allüren der Macho-Männer. So fragt Khalil – irritiert vom Hahnenstolz, den Yunus zeitlebens zelebriert hat - an einer Stelle selbstkritisch:

    Wie kommt es eigentlich, daß ein Liebender sich nicht wie ein Mann fühlt? Wieso müssen wir, um unsere Männlichkeit zu bekräftigen, lügen und prahlen, immerzu leeres Zeug reden und mit erlogenen Abenteuern protzen? Sobald jedoch die Frau auftaucht, die wir lieben, werden wir wie zu einer Frau. Wieso erwacht dann in uns eine gewisse Weiblichkeit?

    Das Treibgut der offenen Fragen, die Vielstimmigkeit, die immer wieder gekappten Erzählstränge: Elias Kourys verschachtelte Erzählstruktur ist ein Affront gegen das sture Frontdenken, das im Nahen Osten – aller Mahner zum Trotz – den politischen Alltag bestimmt. An der Figur des jungen Djamal, der auf Seiten der Palästinenser kämpft, führt Elias Khoury die Absurdität dieses Frontdenkens vor. Denn eines Tages erfährt er, daß seine Mutter eine deutsche Jüdin ist und aus Liebe zu Djamals Vater zum Islam konvertierte. Alle bisherigen Gewissheiten, zumal sein Haß auf die Israelis, geraten ins Wanken. Um zu verstehen, besucht Djamal seinen jüdischen Onkel in Tel Aviv:

    Die Begegnung mit meinem Onkel, dem pensionierten Oberst, war kurz und unterkühlt. Er sei weder an einem Wiedersehen mit seiner Schwester noch an einem Familientreffen interessiert, sagte er entschieden. Wir Palästinenser sollten uns in die arabischen Staaten eingliedern. " Sie sind Araber genauso wie die anderen Araber." Er könne nicht nachvollziehen, wieso wir dermaßen am Leben in den Flüchtlingslagern festhalten, die so sehr an jüdische Ghettos erinnern. "Gehen Sie, Sie alle, und werden Sie Syrer, Libanesen, Jordanier und Ägypter, dann hat dieser blutige Konflikt ein Ende." Ich dankte ihm für seinen Rat. "Und Sie auch", entgegnete ich. "Sie, Herr Oberst, sind Europäer, Deutscher. Wieso gliedern Sie sich nicht in Europa ein? Gehen Sie und integrieren Sie sich dort, statt mir Lektionen über Integration zu erteilen. Dann hat das Problem ein Ende. Wir integrieren uns in den arabischen Staaten, Sie integrieren sich in Europa, und dann ist dieses Land frei von Menschen. Wir machen daraus eine Anlage für Touristen und religiöse Fanatiker aller Nationen. Was halten Sie davon?

    Ruhe – so die bittere Ironie - findet Djamal erst im Gefängnis, als er wegen Beteiligung an terroristischen Aktivitäten verurteilt wird. Denn dort sind die Fronten wieder eindeutig: die Israelis sind die Wachen, die Palästinenser die Häftlinge. Elias Khoury zeigt hier, daß er zu lange im journalistischen Geschäft ist, um sich noch Illusionen hinzugeben. Daß sein 1998 auf Arabisch veröffentlichter Roman auch in Israel auf Hebräisch erschienen ist, sollte man da gewiß nicht überbewerten. Doch es läßt aufhorchen. Denn Fronten - das hat das blutrünstige 20. Jahrhundert mehrfach gezeigt - können irgendwann durchlässig werden. Und Elias Khoury hört nicht auf, sich dafür zu engagieren: als Universitäts-Dozent im In- und Ausland, als Theaterleiter, Kulturredakteur und Schriftsteller. Neun Romane sind bisher von ihm erschienen, davon drei in deutscher Übersetzung. Das hat ihn zum Star der Beiruter Literaturszene gemacht. Doch leben könnte auch er von seinen Büchern nicht. Denn Bücher sind für die meisten Araber ein Luxus, daß heißt ein Buch, das eine Auflage von 3000 Exemplaren erreicht, gilt auf dem arabischen Buchmarkt bereits als Bestseller.

    In jedem Fall: Elias Khourys in nüchtern-lakonischer Sprache gehaltener Roman ist keine leichte Lektüre. Auch keine optimistisch stimmende. Denn "Das Tor zu Sonne" soll – so die testamentarische Verfügung von Yunus´ Frau Nahila - zugemauert werden. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die Hoffnung auf palästinensische Selbstbestimmung: sie scheinen fürs erste ad acta gelegt.

    Bleibt die Sisyphus-Arbeit des Erzählens, eines komplexen Erzählens wider die Verdrehungen und Einseitigkeiten der Propaganda-Abteilungen beider Seiten. Auch wenn Elias Khourys Roman Das Tor zur Sonne einige Kürzungen gut vertragen hätte: seine Überlänge ist auch Symbol für die Überlänge des israelisch-palästinensischen Konflikts. Wie bemerkt doch der Erzähler Khalil an einer Stelle so bezeichnend:

    Du willst daß Schluß ist, und dann holt dich die blinde Geschichte ein und zieht dich an den Haaren in den Krieg.
    Ich wollte, daß Schluß ist, und ging im Massaker unter. Wollte, daß Schluß ist, und steckte im Lagerkrieg fest.
    Ich wollte, daß Schluß ist, und auf einmal stand ich an der Wand in einem leeren Haus in dem Geisterdorf Madjdalyun.
    Und nun will ich, daß Schluß ist, und bin gebunden an ein kleines Kind, in dem sich der Tod eingenistet hat. Es ist, als würden wir im Tod geboren und in ihm auch sterben.


    Elias Khoury: "Das Tor zur Sonne"
    Klett-Cotta, 742 S., EUR 25,-