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Der Schrecken aller Häuslebauer

Wer sich ein Haus bauen lässt, hofft wohl vor allem eines: dass die Baufirma nicht pleite geht. Genau das ist dem Unternehmen IBG aus Schleswig-Holstein passiert. Mehr als 1000 Häuslebauer stehen ratlos vor finanziellen Problemen und unfertigen Eigenheimen.

Von Michael Castritius | 22.01.2013
    Für die Verbraucherschützer ist es einer der größten Bauskandale der letzten Jahre. Die Opfer: über 1000 Bauherren, also Häusle-Bauer, zumeist junge Familien. Bei rund 300 von ihnen hat der Bau noch gar nicht begonnen, sie haben aber schon vorab Geld bezahlt. Bei den anderen 700 hinterlässt die Insolvenz Bauruinen, schildert Rainer Huhle, Geschäftsführer der Verbraucher-Organisation "Bauherren-Schutzbund e.V.":

    "Die sind so im Stadium zwischen einer Bodenplatte und dem Rohbau. Die ganzen Ausbaugewerke fehlen und die privaten Bauherren haben schon viel Geld bezahlt, aber dafür steht kein Haus, sondern die Frage ist, ob dieses Haus jemals überhaupt fertig wird. Das Problem war ja eigentlich, dass, als auch den Verantwortlichen in der Unternehmensgruppe bereits klar war, dass es zu Ende geht, dass einfach mit einer gewissen kriminellen Energie weiter Verträge mit Bauherren geschlossen worden sind. Das ist eigentlich das, was noch verwerflich ist."

    "IBG-Haus, Richtig gut gebaut" – sarkastisch klingt heute der Werbeslogan der Unternehmensgruppe. "Wir machen ihren Haustraum zum Traumhaus" und: Traumhäuser zu Traumpreisen. Frank Furchtmann, Kfz-Meister und damals noch Mitinhaber eines Autohauses in Berlin, hatte mit seiner Familie jahrzehntelang gespart, vor fast drei Jahren schloss er mit der IBG einen Vertrag: schlüsselfertiges Haus, Bauzeit sechs Monate, Kosten: 206.000 Euro.

    "Das sind Träume, die man hat, man will seiner Familie ein Nest, ein Haus bauen, und das wird dann von so einer Firma zerstört. Das ist ja nicht so, dass man sich ein Stück Brot oder ein Brötchen kauft: Wir haben uns ja informiert. Alles wunderbar, das war eigentlich der größte Häuslebauer, den es gab, aber denn so was.""

    Die Träume verblassten bei dem 49-Jährigen schon lange vor der Insolvenz. Der Bau stockte erst, dann passierte gar nichts mehr. Erst nach Anwaltsdrohungen bekam er überhaupt ein Gespräch mit der IBG. "Können Sie nicht Geld vorstrecken für Wärmedämmung und Gerüstbau?", wurde er gebeten. Furchtmann zahlte, damit es endlich weitergehe auf der Baustelle.

    "Vielleicht wusste das die Geschäftsleitung von Henningsdorf nicht richtig.
    'Es ist alles in trockenen Tüchern, es geht weiter, ihr Bau wird, Sie können im Oktober einziehen, alles kein Problem'. Und man klammert sich an den kleinsten Strohhalm, weil es hängen ja Existenzen dran."

    Genau 1060 Existenzen hat der Insolvenzverwalter bekanntgegeben, soviel Verträge waren zum Zeitpunk der Pleite noch offen. 1060 Albträume – außerdem noch eine Menge Handwerker, denen geleistete Arbeit nicht mehr entlohnt wird. Frank Furchtmann musste seinen Anteil am Autohaus verkaufen, ist jetzt Geschäftsführer im Betrieb.

    "Wir mussten noch mal einen Kredit aufnehmen, unser komplettes Erspartes ist weg, wir haben ja lange genug gespart, wir wollten noch eine Gartenanlage, eine Zaunanlage und so was alles bauen: Das ist alles weg. Neue Möbel sind auch nicht mehr drin. Dann haben wir den Insolvenzverwalter angeschrieben. Ja und dann kriegst du einen lapidaren Brief, das sie dein Haus nicht weiterbauen – und das war's."

    "Kurze Bauzeit spart Geld und Nerven", hatte die IBG-Gruppe einst versprochen, über ein Dutzend Unterfirmen gehörten dazu. Jetzt ist deren Internetauftritt auf drei lapidare Seiten geschrumpft: Presse-Mitteilungen zur Pleite und Kurzinfos für Bauherren und Handwerker, die jeweils auf den Insolvenzverwalter verweisen. Für den Verbraucherschützer Rainer Huhle ist der Fall noch lange nicht erledigt, auch juristisch nicht, denn das Geld der Häuslebauer habe sich ja nicht in Luft aufgelöst.

    "Das Geld ist sicherlich nicht weg, das hat jemand anders. Das ist Sache des Insolvenzverwalters und vielleicht auch der Staatsanwaltschaft, diese Dinge zu hinterfragen. Fakt ist: Das hat sich wie ein Schneeball-Prinzip entwickelt. Man hat hohe Vorauszahlungen der Bauherren entgegen genommen, damit aber schon das nächste anfinanziert, und damit ist natürlich klar, dass so eine Welle in Kraft tritt, die dann zu so einer Insolvenz führt, wo Bauherren dastehen, ohne dass ihr eigentlicher Vertrag erfüllt ist."

    Franz Furchtmann baut inzwischen mit einer anderen Firma weiter. Statt 206.000 Euro, wie einst mit der IBG vereinbart, wird ihn sein Haus etwa 350.000 Euro kosten.

    "Man hat nur noch Wut, dass man auf so etwas reingefallen ist, dass einem die ganze Existenz kaputt gemacht worden ist von Leuten, die den Hals nicht voll genug kriegen."

    Oft kann er in seiner Wut nachts nicht schlafen. Dann sucht Furchtmann im Internet und findet: frühere Manager der IBG-Haus - und deren neue Baufirmen, die schon längst am Markt sind.