Die Erzählweise, die Amos Oz für seinen Roman "Allein das Meer" gewählt hat, könnte man als minimalistisch bezeichnen. Erst wird die Hauptfigur vorgestellt, der "sanfte Steuerberater" Albert, der seine krebskranke Frau verloren hat, dann tritt der Autor selbst als kontrollierender und reflektierender Erzähler eines von ihm in kurze Kapitel portionierten Geschehens auf. Es gibt keinen episch breiten Erzählstrom, sondern Alltagslyrik und realistischer Stil, Alltagsprosa und Bewusstseinströme fließen neben- und ineinander, und die sieben Menschen, die von ihrer individuellen Glückssuche aus unterschiedlichen Perspektiven berichten, finden sich zu immer neuen, meist Dreieckskonstellationen zusammen. Es ist ein stiller, und doch ereignisreicher Roman, - trotz fehlender großer äußerer Ereignisse. Nach dem Tod seiner Mutter lässt der Sohn seinen Vater und seine Freundin Dita in Bat Yam bei Tel Aviv zurück, um im Himalaya zu sich selbst zu finden, Dita zieht bei seinem Vater ein, was zu emotionalen Verwicklungen führt, ein Filmproduzent scheint mehr an ihr als an ihrem Drehbuch interessiert, und der Sohn Rico lernt in der Ferne eine sich ihre Lebensreise mit dem Körper verdienende Frau kennen.
Dass und wie Paul Binnerts mit dem hier in wunderbarer Zurückhaltung brillierenden Ensemble des Neuen Theaters Halle diesen so untheatralisch scheinenden Roman auf die Bühne gebracht hat, ist ein kleines, feines Theaterwunder. Binnerts hat den mäandernden Erzählstrom in 34 Szenen komprimiert. Die Geschichten überschneiden, kommentieren, kreuzen und verweben sich in einer zugleich unspektakulären wie eindringlichen Inszenierung zur dramatischen Erzählung von den einfachen Problemen des Lebens. Der Zuschauer hat nie das Gefühl, etwas erklärt oder vorgeführt zu bekommen, und doch erfährt er sehr viel. Ständig wechseln Zeit und Raum, aber die Szenerie bleibt gleich. Dabei sind alle Figuren die gesamte Zeit auf der Bühne. Sie stehen verteilt oder in einer Reihe, treten zu Paaren oder Gruppen zueinander oder finden sich zu kleinen, erzählenden Spielsituationen zusammen. Das ist ein eigen-artiges Erzähltheater von stiller Genauigkeit, innerer Wahrhaftigkeit und sensibler Komik. Im Spiel der Erinnerungen und Reflektionen sind alle beieinander und reden miteinander, auch die Verstorbene und der ferne Sohn, selbst der nachdenkliche Autor. Eine der Personen bringt es auf den Punkt: "Es ist wie in einem Stück von Tschechow. Geldprobleme, und alle rennen der verkehrten Person hinterher, Leidenschaft, aber kein Rückgrat, es passiert eine Menge, aber verändern tut sich nichts." Indem die Schauspieler nicht versuchen, theatrale Als-Ob-Situationen zu gestalten, sondern spielerisch erzählen und dabei Haltungen und Handlungen zugleich vor- wie ausstellen, verzaubern sie ihr Publikum mit diesem kleinen, aber so großartigen Theaterabend in Halle.