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Der Schweizer Scharfmacher

Christoph Blocher ist offiziell der Vizepräsident der Schweizerischen Volkspartei. Tatsächlich ist er aber der Parteiführer schlechthin. Mit seinem ausländerfeindlichen Kurs und schlichten Slogans hat er die SVP in den letzen zwei Jahrzehnten zur erfolgreichsten politischen Kraft der Schweizt gemacht. Umstritten war Blocher immer, aber dabei extrem erfolgreich. Doch der Stern des Schweizer Scharfmachers sinkt.

Von Fredy Gsteiger, Schweizer Radio DRS |
    Irgendwann reißt jede Erfolgssträhne ab. Das erfuhr nun nicht nur der Schweizer Spitzen-Tennisspieler Roger Federer, sondern auch der Schweizer Spitzenpolitiker Christoph Blocher.

    Jahrelang heimste der informelle Oppositionsführer Sieg um Sieg ein. Seit es ihm und seiner Schweizerischen Volkspartei SVP 1992 gelang, eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu scharen, die den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum ablehnte, seit daher ging es mit Blocher stetig aufwärts. Seine Partei wurde zum Sammelbecken der Unzufriedenen und Staatsverdrossenen. Mit ihrem kruden Mix aus Neoliberalismus und Nationalismus erreicht sie heute gegen dreißig Wähler-Prozent, mehr als jede andere Partei.

    Dazu trug bei, dass Blocher zum einen volksnah sprach und populistisch provozierte, zum andern aber als erfolgreicher Chemie-Unternehmer und Milliardär auch für viele glaubwürdig war.

    Ausländische Beobachter begannen bereits von der Blocher-Schweiz zu reden, von einem Land, das ganz im Banne, wenn nicht gar unter der Knute dieses starken Mannes war. Das traf zu keinem Zeitpunkt zu. Blocher und die Seinen erreichten fast immer nur Minderheiten und verloren mit ihren radikalen Forderungen viele Volksabstimmungen. Selbst beim Thema Ausländer und Asylbewerber gelang es ihnen nicht, die Schweiz auf einen härteren Kurs zu bringen als die meisten andern europäischen Länder.

    Kratzer erlitt das Image von Christoph Blocher bereits vor fast fünf Jahren - als er sich in den Bundesrat wählen ließs. Er, vom Naturell her ein Oppositionspolitiker, fühlte sich als Justizminister in der Vierparteien-Koalition unwohl. Als bloß einer von sieben Ministern hatte er keine herausragende Rolle mehr. Erschwerend kam hin zu, dass er auch noch von der Regierungsbank aus Opposition betrieb, das Parlament belog und gegen die offizielle Politik zündelte.

    Ende vorigen Jahres wählte ihn deshalb das Parlament ab. Das empfand er als enorme Schmach. Eingesehen hat er nie, dass er mit seinem Verhalten die Abwahl provoziert hatte. Neue Justizministerin wurde Eveline Widmer-Schlumpf, auch sie aus Blochers SVP, aber vom gemäßigten Flügel.

    Zusammen mit der auf ihn eingeschworenen Parteispitze sorgte Blocher dafür, dass nicht nur seine Nachfolgerin, sondern gleich die ganze Kantonalpartei, zu der sie gehörte, aus der SVP ausgeschlossen wurde. Es kam zu einer Parteispaltung und etliche gemäßigte SVP-Politiker kehrten der Blocher-Partei den Rücken.

    Die SVP wurde damit zumindest vorläufig gebremst. Die Umfragewerte sinken. Viele ehemalige Anhänger verübeln es Blocher und der Parteiführung, dass sie ausgerechnet dessen grundsolide, seriöse und durchaus bürgerliche Nachfolgerin Widmer-Schlumpf ausgrenzten. Andere SVP-Wähler wiederum wollen nicht, dass ihre Partei zu einer reinen Oppositionskraft wird - denn in der Schweiz ist wenig Luft für oppositionelle Parteien. Das Volk fällt alle wichtigen Entscheidungen an der Urne und kann deshalb, wenn es will, selber Opposition spielen.

    Es kam, wie es kommen wusste: Bei der jüngsten Volksabstimmung im Frühjahr gehörte Blochers SVP bei keiner einzigen Vorlage zu den Siegern. Laut Meinungsforschern und Politologen hat das auch mit der schwindenden Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Blocher selber zu tun.

    Tatsächlich wirkt dieser bei Auftritten neuerdings oft fahrig und kraftlos. Immerhin wird er dieses Jahr 68. Offenkundig ist auch, dass er mit seiner Abwahl noch immer hadert. Er, der früher behauptete, nie Bundesrat, also Minister werden zu wollen, empfand sich nach seiner Wahl als das beste Regierungsmitglied überhaupt. Und empfindet daher die Abwahl notgedrungen als Affront.

    Der Fall Blocher zeigt indes vor allem eines: Wer immer in der Schweiz zu hoch hinaus will, sich zu sehr in den Vordergrund spielt, zu dominant auftritt, wird wieder auf Normalmass zurechtgestutzt. Das Land mag keine Stars und keinen Starkult.

    Doch auch wenn Ex-Volkstribun Blocher nun zum Polit-Rentner wird: Auch ohne ihn als Bannerträger der Anti-EU-Bewegung wird die Eidgenossenschaft den Weg in die Europäische Union so schnell nicht finden. Und zurückkehren zu ihrer früheren politischen Harmonie wird sie ebenso wenig. Es gibt auch hier mehr Klamauk, mehr Konfrontation, mehr Kampf. Die heile Schweiz ist passé - und das ist längst nicht nur Blochers Schuld.