Archiv


Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

Am nächsten Dienstag wird abgestimmt, bei den Vereinten Nationen in New York. Auch Deutschland will einen Sitz im Sicherheitsrat, jenem mächtigsten Organ der Vereinten Nationen, das über Krieg und Frieden entscheiden darf. Ein ständiger Sitz für Deutschland ist allerdings unwahrscheinlich.

Von Thomas Schmidt |
    Es ist die große Bühne des politischen Welttheaters: Am runden Konferenztisch des Sicherheitsrates wird – so steht es in der UN-Charta – die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und die internationale Sicherheit getragen. Eine Aufgabe, die in den vergangenen Jahrzehnten durchaus Stoff für dramatische Auftritte lieferte:

    Wollen Sie dementieren, fuhr der damalige US-Botschafter Adlai Stevenson seinen sowjetischen Kollegen Sorin an, dass die UdSSR Mittelstreckenraketen und Abschussrampen auf Kuba stationiert hat und weiter stationiert - ja oder nein. Eine Frage, die die Völkergemeinschaft 1962 einen neuen Weltkrieg fürchten ließ. Die Krise konnte schließlich entschärft werden, ohne dass Sorin je eine klare Antwort abgegeben hätte ...

    ... obwohl Stevenson angekündigt hatte, er werde zur Not solange darauf warten, bis die Hölle zugefroren sei.

    Der US-Diplomat hat damals sicher nicht daran gedacht – aber sein Bild vom St. Nimmerleinstag kann heute ohne große Einschränkungen auf die Reform des Weltsicherheitsrates angewendet werden – das Ringen um eine zeitgemäßere Besetzung des mächtigsten Organs der Vereinten Nationen ist endlos und bislang weitgehend ohne Ergebnis. Dabei ist die Diskussion so alt wie das Gremium selbst: Im Zentrum steht dabei die Kritik an der nahezu uneingeschränkten Macht der 5 ständigen Mitglieder des Rates, die mit ihrem Veto-Recht jede für sie unliebsame Entscheidung zu Fall bringen können. Die USA, die Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und China hatten sich 1946 zu einem exklusiven Club zusammengefunden, einer Art Weltpolizei, die – zur Not mit der Macht von Atomwaffen – den Erhalt des damaligen Status quo gewährleisten wollte.

    Das ist ganz klar nicht die gegenwärtige Weltordnung – nur: Wann immer wir eine Reform der einen oder anderen Art diskutieren, schaffen wir mehr Probleme, als wir lösen. Thomas G. Weiss ist Politik-Professor an der City University New York und als Leiter eines Forschungsprojektes zum Thema UN ein intimer Kenner der Vereinten Nationen. Mit dieser Erfahrung sind seine Erwartungen an die Reformfähigkeit der Weltorganisation begrenzt:

    95 Prozent der Energie der UN-Diplomaten in New York würden in die Reform-Debatte investiert, die dennoch – meint Weiss – ins Nichts führt. Dabei gab es durchaus hoffnungsvolle Ansätze und kleine Erfolge: 1965 konnte der Kreis der nichtständigen Mitglieder – sie gehören dem Rat für jeweils zwei Jahre an – von sechs auf jetzt zehn erweitert werden, obwohl sich vier der fünf Veto-Mächte diesem Schritt bis zuletzt widersetzt hatten.

    Nach Jahren der Stagnation und halbherzigen Fehlversuchen kam erst 2005 nach dem Irak-Krieg wieder Schwung in die Diskussion, als der damalige Generalsekretär Kofi Annan die Reform zu seinem persönlichen Projekt machte. Unter der Federführung von Deutschland kam der sogenannte G-4-Plan zustande. Er sah den Ausbau des Sicherheitsrates auf 25 feste Sitze vor, darunter – neben Japan, Indien und Brasilien und zwei afrikanischen Ländern - auch Deutschland. Die Frage des Vetorechts blieb zunächst offen, sie sollte erst nach 15 Jahren auf einer Überprüfungskonferenz endgültig geklärt werden. Dieser G-4 Plan galt lange als hoffnungsvoller Ansatz – Erfolg war ihm dennoch nicht beschieden:

    "Der ist daran gescheitert, dass Japan nicht bereit war, in die Abstimmung zu gehen, obwohl wir anderen drei der Auffassung waren, dass die notwendige Zweidrittelmehrheit vorhanden war."

    Gunter Pleuger war damals Deutschlands UN-Botschafter in New York, und er glaubt noch heute, dass der Plan in der UN-Vollversammlung – und nur sie kann über eine Reform verbindlich entscheiden – die erforderliche breite Zustimmung gehabt hätte.
    Der Kampf gegen tief verwurzelte und noch immer nicht ausgeräumte Animositäten wäre damit aber nicht beendet gewesen: Pakistan will seinen Erzrivalen Indien nicht im Sicherheitsrat sehen, China will Japan nicht akzeptieren und Italien ist entschieden gegen eine deutsche Mitgliedschaft. Um wenigstens diese EU-internen Rivalitäten zu entschärfen, kam der Gedanke eines gemeinsamen Sitzes für die Europäische Union auf:

    "Diese Diskussion gibt's nur in Deutschland. Weil alle anderen wissen, dass es eine solche Lösung nicht geben kann. Aus einer Reihe von Gründen."

    Zum Beispiel die, dass Großbritannien und Frankreich wohl nie zugunsten der EU auf ihre permanenten Sitze verzichten würden und dass – rein rechtlich – Gemeinschaften wie die Europäische oder auch die Afrikanische Union formell gar nicht Mitglieder der UN sein können. Damit bleibt aus deutscher Sicht zunächst nur die Hoffnung auf eine mögliche nichtständige Mitgliedschaft für die Jahre 2011 und 2012. Und die wäre, wie der ehemalige UN-Botschafter Pleuger meint, durchaus mehr als ein Trostpreis:

    "Wenn man im Sicherheitsrat gut vorbereitet ist; wenn man konstruktiv mitarbeitet; wenn man Ideen entwickelt – dann kann man viel Einfluss ausüben, auch als nichtständiges Mitglied."