Warum ein solcher Hinterwälder schützenswert ist und was das Ganze mit den Agrarsubventionen in der Europäischen Union zu tun hat, das lernte jetzt eine Gruppe internationaler Diplomaten bei einer zweitägigen Tour durch Schwarzwälder Bauernhöfe kennen. Es war eine Mission der besonderen Art: Statt in Anzug und Krawatte, Kostüm und Stöckelschuhen stundenlang in klimatisierten WTO-Räumen um Konferenztische zu sitzen, hatten sich die Diplomaten Jeans und Turnschuhe angezogen und liefen auf Einladung des Evangelischen Entwicklungsdienstes, der Nichtregierungsorganisation Germanwatch und dem Umweltnetzwerk Euronatur, durch weniger bekanntes Terrain: süddeutsche Ställe und Hofgelände, vorbei an Getreideäckern, Kühen, Schweinen und Misthaufen – den Simultandolmetscher immer in der Nähe.
Der nämlich übersetzte ins Englische, was die Schwarzwaldbauern ihren seltenen Gästen zu vermitteln versuchten: Welche Art von Subventionen sie erhalten und warum diese keineswegs gestrichen werden dürften. Zum Beispiel Adolf Dietsche, Viehbauer im malerischen Münstertal:
Und die Rasse ist die Hinterwälder Rasse. Das ist Deutschlands oder Europas kleinste Rasse. Die Hinterwälder ist sozusagen das kleine Fleckvieh oder eben die halbe Portion. Und die Einzelleistung der Tiere - also bei uns liegt der Stalldurchschnitt der vergangenen 10,15 Jahre zwischen vier und viereinhalbtausend Kilo Milch pro Kuh und Jahr - dass wir also in keinster Weise mit unserer Rasse zur Überproduktion beitragen. Aber das geht eben einfach auf Kosten des Einkommens. Das heißt also, ohne ein zusätzliches Einkommen würden wir nicht überleben können.
Ganz bewusst, so erzählt der Schwarzwaldbauer seinen Gästen, habe er sich dafür entschieden, in der steilen Hanglage rund um seinen Hof extensive Landwirtschaft zu betreiben. Eine Landwirtschaft also, die der Natur angepasst ist und sie nicht belastet. Sie trägt dazu bei, das Landschaftsbild mit seinen offenen Tälern und weit geschwungenen, grünen Hügeln zu erhalten. Ohne die bäuerliche Arbeit, davon ist Dietsche überzeugt, könnte auch der Tourismus nicht überleben.
Wenn das jetzt vielleicht ein Betrieb wäre, der sagt: Gut, ich hör auf, nach mir die Sintflut. Das hört man ja oftmals. Wegen dem würde die Gemeinde oder der Tourismus sicher nicht zusammebrechen, aber wenn mehrere Betriebe aufhören würden, also in sehr kurzer Zeit würde da der Wald herwachsen, das heißt kein Wald, sondern ein Gestrüpp. Das also landschaftlich nicht mehr ansehnlich wäre, das heißt kurz oder lang wär der Tourismus voll und ganz gestorben.
Bauer Dietsche scheint seine internationale Gästeschar zu überzeugen. In seinem Fall, so befindet Santiago Perry, Vertreter einer Kleinbauernvereinigung aus Kolumbien, seien Subventionszahlungen gerechtfertigt.
Der Besuch hier war für uns sehr interessant, denn er zeigt uns, wie die verschiedenen Subventionen und Hilfen für die Landwirte in Deutschland gestaltet sind. Meine Schlussfolgerung ist, dass die Subventionen, die von der Produktion abgekoppelt sind, um die Umwelt und die Landschaft zu schützen, völlig gerechtfertigt sind.
Aus der Sicht der europäischen Steuerzahler und auch aus der Sicht von uns aus den Entwicklungsländern. Wir haben Verständnis dafür, dass den Bauern geholfen werden muss, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen und ein öffentliches Gut, die Umwelt, schützen.
Subventionen hingegen, die die Überproduktion und den Einsatz von Chemikalien und schweren Maschinen fordern, lehnt der Mann aus Kolumbien ab. Ähnlich denkt nun auch die EU. Künftig sollen Subventionszahlungen nicht mehr an Produkte wie Milch oder Mais gekoppelt sein, sondern als Flächenprämie pro Hektar gezahlt werden. Und wie Schwarzwaldbauer Dietsche sollen noch mehr Bauern finanzielle Unterstützung für umweltschonendes Wirtschaften, Landschafts- und Naturschutz erhalten.
Anstatt Überschuss zu produzieren, wird so auch mal das Stillegen von Grünflächen gefördert – solange sie in kulturfähigem Zustand erhalten bleiben. Derlei Zahlungen stammen nach der EU-Sprachregelung aus der "Grünen Box". Gelingt damit der Wechsel von ehemals schlechten zu angepassteren und damit guten Subventionen? Die internationale Besuchergruppe bleibt skeptisch. Denn nicht alle Bauern sind so überzeugend wie Herr Dietsche. Ortswechsel: Fahrt zu einem Bauernhof von 120 Hektar Größe, mit Getreideproduktion und 80 Schweinen.
Hier sieht alles anders aus. Das Gelände ist flach, der Vorhof betoniert. Im Hintergrund erkennt man große Silos. Vor der Garage stehen zwei Autos. Der Bauer hier heißt Klaus Grieshaber. Auch er rechnet den Gästen aus dem Ausland vor, dass er Subventionen braucht. Und auch er beruft sich auf die Landschaftspflege.
Wenn ich uns jetzt mit dem Rheintal vergleiche, wo Sonderkulturen möglich sind, wo im Frühjahr ein Weidegras siliert werden kann, anschließend Mais angebaut werden kann – das sind einfach Nachteile, die wir durch die Höhenlage nicht bewältigen können. Auch der saumäßige Druck, Ernte und gleichzeitig Rapsansaat, das ist immer dermaßen beieinander.
Und das finde ich dann schon gerechtfertigt, dass Ausgleichszulage auch stattfindet. Weil meine Meinung ist, wenn die Ausgleichszulage und auch andere Maßnahmen wegfallen, dann sterben solche Regionen aus. Dann wandert die Landwirtschaft ab in von der Natur begünstigte Regionen.
Seine Zukunft, so erzählt Grieshaber weiter, könnte der Betrieb einer Biogasanlage sein. Doch auch dafür brauche er Unterstützung vom Staat. Für 300 000 Euro hat Grieshaber riesige Maschinen angeschafft. Mehr Personal, so sagt er, wäre noch teurer. Doch die Besucher aus dem Ausland sind skeptisch. Derlei Investitionen und immer noch arbeitet der Mann unrentabel? Wozu haben denn da all die Subventionen genutzt? Kweronda Ruhemba, Botschafter Ugandas in Genf und bei der WTO, ist die Sache klar. Wer so ineffektiv arbeite, der solle auch keine EU-Gelder mehr bekommen.
Diese Leute sollten nicht in diesem Geschäft arbeiten, denn sie produzieren zu hohen Kosten und ohne die Subventionen würden sie pleite gehen. Was für die Entwicklungsländer gut wäre. Sobald diese Anbieter vom Markt verschwinden, kann die Lücke mit Produzenten aus Entwicklungsländern gefüllt werden.
Ganz so radikal wollen Ruhembas übrige Kollegen aus Afrika, Asien und Lateinamerika es nicht formulieren. Doch darüber sind sie sich nach dem Ausflug in den Schwarzwald alle einig: Wenn die EU ihre Subventionen nur verlagert, statt sie zu wirklich kürzen, dann wird es in absehbarer Zeit mit den Entwicklungsländern keine Einigung geben.