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Der Slang-Versteher
Neues Assistenz-System für Fluglotsen

Sicherheit geht über alles im Luftverkehr. Das gilt natürlich auch für das Management der ganzen Flüge - ein Job, den Fluglotsen in ihren Towern erledigen, unterstützt von sogenannten Assistenzsystemen, die das Radar im Blick haben. Oft reagierten die Systeme zu langsam. Saarbrücker Forscher haben jetzt einen Lotsen-Assistenten entwickelt, der keine Bedenkzeit mehr braucht und sofort reagiert.

Von Volker Mrasek | 20.08.2015
    Ein Flugzeug am Flughafen Düsseldorf während der Abfertigung.
    Jets dürfen sich zum Beispiel bei Starts und Landungen an Flughäfen nicht in die Quere kommen. Das ist ein Job, den Fluglotsen in ihren Towern erledigen, unterstützt von sogenannten Assistenzsystemen. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    "Das war das Fußpedal. Damit starten die Lotsen die Übertragung zu den Piloten."
    "Lufthansa Two November Charlie, reduce speed to 290 knots."
    "Das war ein Befehl, um die Geschwindigkeit zu reduzieren."
    "Das ist der Flughafen Düsseldorf. Landeanflüge am frühen Morgen. Zehn bis 20 Maschinen hat man da immer auf dem Schirm. Das hier zum Beispiel ist ein Airbus 320. Der fliegt gerade mit einer Geschwindigkeit von 420 Knoten."
    Man könnte meinen, Marc Schulder und Youssef Oualil befinden sich direkt vor Ort im Tower des Düsseldorfer Flughafens. Tatsächlich sind sie Hunderte von Kilometern entfernt, in einem Labor in Saarbrücken, und hocken vor zwei Computerbildschirmen. Auf dem einen lauter Kommando-Zeilen. Auf dem anderen eine Skizze der Landebahnen und mehr als ein Dutzend Punkte, die sich darauf zu bewegen ...
    "Der eine Rechner ist unser Server für die Spracherkennung. Und das andere ist dann der Rechner, den der Lotse eigentlich vor sich hätte, wo er eben die Anzeige mit dem Radar / hat." "O.k., so ..." "Da kommt der Notfall-Flug bereits rein."
    Systeme geraten an Grenzen
    Schulder und Oualil sind beide Doktoranden der Universität Saarbrücken. Im Fachbereich für Computerlinguistik. Dort arbeiten sie an Assistenzsystemen für Landeanflüge. Das sind Computerprogramme, die Fluglotsen bei ihrer Arbeit unterstützen, wie Marc Schulder erläutert:
    "Das Lotsen-Assistenzsystem versucht quasi für den Lotsen mitzudenken. Es sieht auf dem Radar die Flugzeuge. Und es versucht auszutüfteln: O.K., in welcher Reihenfolge sollten die Flugzeuge ankommen? Und es schlägt dann einfach dem Lotsen vor, welche Befehle er dann an die Flugzeuge geben könnte."
    Geschieht Unvorhergesehenes, gerät das System aber an seine Grenzen. Zum Beispiel, wenn ein Pilot das Tempo auf Anforderung gar nicht drosselt. Oder wenn ein Ambulanz-Flieger auftaucht und die Landebahn auf direktem Weg ansteuert, was nicht der Regel entspricht.
    "Dann muss dass, das Assistenzsystem erst mal mitkriegen. Und das kann das nur mitkriegen anhand des Radars. Das heißt, es guckt halt zu und schaut: Ich seh', dieses Flugzeug macht gar nicht das, was ich wollte. Dann muss ich jetzt noch mal umdenken und einen neuen Plan aufbauen. Aber bis es das halt merkt, sind so für gewöhnlich 30 Sekunden vergangen."
    Lotsen-Assistenten ohne Bedenkzeit
    Das ist so ähnlich wie beim Navigationssystem im Auto, wenn der Fahrer einfach von der vorgeschlagenen Route abweicht.
    Die Saarbrücker Forscher haben jetzt einen Lotsen-Assistenten entwickelt, der keine Bedenkzeit mehr braucht. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Das neue System stützt sich nicht nur auf Radardaten. Es wertet zusätzlich alle Befehle aus, die Fluglotsen über Sprechfunk an Piloten weitergeben.
    "Wir haben ein Spracherkennungssystem integriert, das dafür sorgt, dass dieses Assistenzsystem zuhören kann, was der Lotse sagt. Das heißt, dann wissen wir tatsächlich: Was hat der Lotse dem Piloten befohlen? Und wenn wir das wissen, können wir daraufhin auch prompt unseren Plan anpassen. Bei dem Beispiel mit dem Navigationssystem fürs Auto wäre das halt so, als ob ich dann sagen würde: ,Navi, ich muss 'mal tanken! Und dann würde das dann sehen: O.k., dann muss ich halt schauen, wo ist die nächste Tankstelle?"
    Die Forscher haben ihr System mit allen möglichen englischsprachigen Befehlen gefüttert, die üblich sind im Austausch zwischen Lotsen und Piloten. Aber das ist nur das eine ...
    "... two six five." Der Funkverkehr am Flughafen Tokio, mitzuhören im Internet bei LiveATC.net ...
    "Delta ... requested level." das war Athen. "miles.",... und das Taipeh in Taiwan ...
    "Das ist natürlich auch eine große Herausforderung, dass eben Fluglotsen aus aller Welt auch ganz verschiedene Akzente haben. Und, dass wir muttersprachenunabhängig ein sehr robustes System haben. Das haben wir aber eigentlich auch schon geschafft, dass das Ganze auch zum Beispiel bei einem tschechischen Lotsen nicht komplett aus der Art fällt."
    Von dem mithörenden Assistenzsystem existiert im Moment nur ein Prototyp. Der soll jetzt zur Produktreife gebracht werden. Ein paar Jahre kann das aber wohl noch dauern, sagt Mit-Entwickler Marc Schulder. Große Verkehrsflughäfen seien auf jeden Fall interessiert. Ein solcher Assistent werde auf jeden Fall die Sicherheit bei der Abwicklung von Landungen erhöhen:
    "Also, die Lotsen haben immer mehr Druck. Die müssen immer mehr Flugzeuge mit immer weniger Lotsen behandeln. Und da brauchen die einfach diese Unterstützung. Denn wenn man halt Stress hat, dann ist irgendwann die Aufmerksamkeit weg. Und wenn beim Piloten und beim Lotsen Fehler passieren, dann kann das katastrophale Resultate haben."