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Der Speck ist schon längst weg, "wir sind am Knochen"

"Seit der Wende hat es eine Kürzung der Berliner Universitätsetats im Gegenwert einer Gesamtberliner Universität gegeben. Das heißt, etwa 50 Prozent der Professorenstellen sind gekürzt worden und etwa 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiterstellen und damit natürlich auch der Studienplätze" - authentischer als Dieter Lentzen, Präsident der Freien Universität Berlin, es tut, kann die Situation der Hochschulen der Hauptstadt wohl nicht beschrieben werden.

Von Verena Kemna | 22.09.2008
    Mit markanten Worten beschreiben die Präsidenten und Kanzler der Berliner Hochschulen die Haushaltssituation der Humboldt-Universität, der Technischen Universität und der Freien Universität. Deren Kanzler, Peter Lange, formuliert es so:

    "Wer in der Stadt die Vorstellung hat, dass bei uns noch viel zu holen sei, der hat nicht bemerkt, dass der Speck schon längst weg ist, wir sind am Knochen."

    Wenn die Etats nicht aufgestockt werden, droht den Berliner Hochschulen schon in zwei Jahren der Kollaps. 157 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten pro Jahr, das sind Zahlungsverpflichtungen mit denen die Berliner Hochschulen kalkulieren müssen, die aber derzeit in keinem Etat vorgesehen sind. Dazu zählen ständig steigende Energiekosten ebenso wie dringend notwendige Reparaturen an den Universitätsgebäuden, Pensionslasten, Tarifsteigerungen oder etwa die finanziellen Belastungen durch den geplanten Gesundheitsfonds. Akribisch listet Peter Lange jeden einzelnen Posten auf. Auch eine höhere Entlohnung jüngerer Mitarbeiter nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts gilt als Risikofaktor für die Berliner Universitätslandschaft.

    "Wir haben 2003 prognostiziert, dass es sehr, sehr schwierig wird 2009. Das tritt nun ein."

    Dabei arbeiten an den Berliner Hochschulen nur noch etwa halb so viele Professoren wie noch 1992. Nur noch etwa 8200 von damals fast 13.000 Vollzeitkräften sind heute im Dienst. Der Gesamtetat in diesem Jahr für alle Berliner Hochschulen, für Personal- und Sachkosten liegt bei rund 929 Millionen Euro. Damit rangiert Berlin im bundesweiten Vergleich auf den hinteren Plätzen, sagt Dieter Lentzen, Präsident der Freien Universität.

    "Hier ist es inzwischen so, dass die Berliner Universitäten im Gegensatz zu früher schlechter finanziert sind als die meisten norddeutschen Universitäten, insbesondere die Universität Hamburg, die als eine der schlecht finanziertesten in Deutschland gilt."

    Jedes Jahr weniger Personal und weniger Geld, das sei der Trend in den Jahren seit der Wende. Dieter Lentzen konstatiert damit eine in Deutschland einzigartige Entwicklung, die die Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Universitäten insgesamt in Frage stellt.

    "Seit der Wende hat es eine Kürzung der Berliner Universitätsetats im Gegenwert einer Gesamtberliner Universität gegeben. Das heißt, etwa 50 Prozent der Professorenstellen sind gekürzt worden und etwa 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiterstellen und damit natürlich auch der Studienplätze so dass die große Stadt Berlin, die Metropole Berlin einfach nicht genügend Studienplätze anbietet, gemessen an der Nachfrage die etwa das zehnfache der zur Verfügung gestellten Studienplätze ausmacht."

    Fast 130.000 Studierende waren im vergangenen Sommersemester immatrikuliert. Sollte es nicht gelingen, in den anstehenden Haushaltsverhandlungen zusätzliche Gelder für die Berliner Hochschulen zu verhandeln, dann müssten 15.000 Studienplätze in der Hauptstadt gestrichen werden. Dabei sind die Berliner Hochschulen nicht nur ein Kosten-, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. FU-Präsident Dieter Lentzen rechnet vor, dass das Land Berlin allein im vergangenen Jahr klar profitiert hat. So haben Drittmittel in Höhe von 194 Millionen Euro 2.000 Vollzeit-Arbeitsplätze und eine dreiviertel Milliarde Euro an zusätzlicher Wirtschaftskraft gebracht. Nun entscheiden die anstehenden Haushaltsverhandlungen. Er rechnet fest mit einem positiven Ergebnis.

    "Wir erwarten keine Steigerung der Etats für eine Vergrößerung der Universität, sondern nur zum Erhalt des Status quo, damit die Wettbewerbsfähigkeit erhalten wird, die exzellente Landschaft, die Erfolge im Exzellenzwettbewerb auch beim nächsten Mal in drei Jahren Erfolge sein werden und die Zahl der Studienplätze konstant bleibt."