Der König ist scheu. Medienscheu zumindest. Mohammed VI. hat marokkanischen Medien noch nie ein Interview gegeben. Nur einige wenige Journalisten aus Frankreich und Spanien dürfen sich zu den Glücklichen zählen. Ferran Sales war der erste. Im Jahr 1997 war das, Mohammed war damals noch Erbprinz. Und Ferran Sales Marokko-Korrespondent der spanischen Zeitung El Pais.
"Das Interview hatte einen langen und komplizierten Vorlauf, in dem die Fragen abgesprochen wurden. Beim Interview hat der Prinz dann so gewirkt, als hätte er alle Antworten auswendig gelernt. Das einzig Interessante waren die Fotos von ihm, die mein Kollege geschossen hat. Eines zeigt einen traurigen Prinzen, einen Prinzen, der uninteressiert wirkt. Für mich seine wahre Geisteshaltung in dieser Zeit."
Man weiß nicht viel über den König. Er soll eine harte Kindheit gehabt haben – sein Vater Hassan galt als sehr streng. Marokkanische Zeitungen erzählen, wie Hassan seinem Sohn eines Tages eines seiner liebsten Hobbies verboten hat: Mit seinem Auto mit Höchstgeschwindigkeit durch Rabat zu rasen. Polizeibeamte hatten für dieses Vergnügen Straßen der Hauptstadt gesperrt. Heute zieht der es vor, mit Jetski übers Meer zu brettern. Das hat den marokkanischen Komiker "Bziz" dazu veranlasst, ihn "Sa Majetski" zu nennen – anstatt "Sa Majesté" – Ihre Majestät. Früher hatte Bziz Auftrittsverbot. Das ist lange vorbei. Und auch das verrät einiges über König Mohammed. Ahmed Benchemsi, Chef der einflussreichen Wochenzeitung "TelQuel":
"Heute fragt man sich, welche Themen verboten sind – vor zehn Jahren hat man sich gefragt, welche Themen genehmigt würden. Da hat sich also ganz schön was verändert. Was die Pressefreiheit angeht, die freie Meinungsäußerung, öffentliche Versammlungen –da hat sich die Lage enorm verbessert."
Allerdings hat auch Benchemsi schon die andere Seite des Palastes kennengelernt. Wegen eines kritischen Artikels über eine Rede des Königs wurde er verhört und angeklagt. Der Prozess steht noch aus, bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahren Haft.
Den König in seiner Autorität anzugreifen, ist in Marokko noch immer ein Strafbestand. Denn der König ist nicht nur Staatsoberhaupt, sondern als erklärter Nachkomme des Propheten Mohammed auch religiöses Oberhaupt des Landes. Damit ist ein Angriff auf ihn auch ein Angriff auf die Grundfeste des Landes. Deswegen wurde auch im Winter ein Schüler festgenommen, der an eine Wand "Gott, Vaterland, FC Barcelona" gesprayt hatte. Und nicht: Gott, Vaterland, König. Eine Lappalie, könnte man meinen. Aber der Palast versteht da keinen Spaß.
Dennoch hat Marokko in den letzten Jahren eine kulturelle Blüte erlebt. Museen haben geöffnet, Hip Hop-Gruppen sich formiert, die Filmbranche boomt. Musiker, Regisseure, Schriftsteller gehen mit ihrem Land oft hart ins Gericht. Und rühren - fast – jedes Tabu an. In Marokko herrscht heute ein gesellschaftliches Klima, das vieles möglich macht. André Azoulay, Berater des Königs:
"Seine Majestät Mohammed VI hat etwas Tolles geschafft: Alle Errungenschaften, die er vorgefunden hat, zu optimieren, zu stabilisieren, zu festigen. Und gleichzeitig eine Vision zu entwerfen, die noch ambitionierterer ist, noch gewagter, kreativer und fortschrittlicher. Die Herausforderung für Marokko ist die: Je besser wir werden, je mehr wir reformieren, nach vorn kommen, desto höher sind die Erwartungen. Das ist logisch."
Unter Mohammed VI. wurde das Familienrecht reformiert. Damit haben Ehefrauen mehr Rechte bekommen - und es leichter, sich scheiden zu lassen. Dafür hat der König international viel Beifall bekommen. Modernisiert wurde auch die Infrastruktur Marokkos: Autobahnen wurden geschaffen, schnelle Internetverbindungen gelegt, die Wasser- und Stromversorgung verbessert. Auch dank großzügiger Schecks aus Brüssel, aus dem EU-Nachbarschaftsfonds. Mit dem Geld will die EU in den Nachbarländern erklärtermaßen auch Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu fördern.
Nach Meinung der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik hat Marokko aber nicht nur in Sachen Rechtstaat große Defizite. In einer Studie kommt sie auch zu dem Schluss: Marokko ist keine Demokratie. Tatsächlich gibt es zwar viele Parteien – und auch ein Parlament mit Regierungschef. De facto wird die Politik aber vor allem im Königspalast bestimmt. Ferran Sales:
"‘Ein Land, das dabei ist abzuheben - in Richtung Demokratie‘. Diesen Spruch hat man mir gegenüber damals immer wieder gesagt. Und er wird mir auch heute noch von Seiten der marokkanischen Verwaltung präsentiert - immer, wenn ich mich nach der Lage des Landes erkundige. Ich frage mich: Ein Land, dass seit zehn Jahren dabei ist, abzuheben in Richtung Demokratie - warum ist es denn immer noch nicht gelandet?"
Nach zehn Jahren ist Mohammed VI. unangefochtener Herr, im Haus Marokko. Er hat das Land in der Hand. Nicht nur politisch. Mit seinen zahlreichen Unternehmen und Beteiligungen ist er der wichtigste Banker des Landes, der wichtigste Unternehmer, der wichtigste Versicherer. Das marokkanische Königshaus ist nach Angaben des amerikanischen Magazins "Forbes" das siebtreichste der Welt – deutlich reicher jedenfalls als das britische. Dennoch gilt Mohammed VI. er als König der kleinen Leute – denn über seine eigene Stiftung verteilt er Wohltaten an die Ärmsten. Im Fernsehen ist er vor allem dann zu sehen, wenn er Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen einweiht. Telquel-Chef Ahmed Benchemsi:
"Der König hat die absolute Macht. Die einzige Begrenzung ist Artikel 19 der Verfassung. In ihm ist festgelegt, dass nur der König selbst seine Macht begrenzen kann. Anders gesagt: Wenn sich die Herrschaftsform in Marokko ändern soll, dann beschließt das der König ganz allein."
Darauf deutet nichts hin. Politische Opposition muss er derzeit kaum fürchten. Auch dank seines Vertrauten, dem ebenso medienscheuen, ehemaligen Innenminister Foaud Ali El Himma. Erst vor fünf Monaten hat er eine neue Partei gegründet, in der er Eliten und lokale Größen hinter sich versammelt hat. Damit ist es der Partei gelungen, aus den Kommunalwahlen im Juni als Sieger hervorzugehen – und sich gegen die starken Islamisten durchzusetzen. Kritiker sagen: Vor allem deswegen, weil El Himma als "Freund des Königs" gilt.
"Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie" steht in der Verfassung. Davon ist das Land aber weit entfernt. Bisher jedenfalls, so Abdellatif Felk, Soziologe aus Rabat:
"Sie kann schnell kommen - oder noch Jahre auf sich warten lassen. Aber sie wird kommen. Denn nur so kann das Land wirklich von all seinen Stärken profitieren. Sehen Sie, wir sind gerade mal 13 Kilometer von der spanischen Demokratie entfernt. 13 Kilometer Das ist ein historisches Schicksal – aber ein gutes Schicksal, wenn man das so sagen darf."
"Das Interview hatte einen langen und komplizierten Vorlauf, in dem die Fragen abgesprochen wurden. Beim Interview hat der Prinz dann so gewirkt, als hätte er alle Antworten auswendig gelernt. Das einzig Interessante waren die Fotos von ihm, die mein Kollege geschossen hat. Eines zeigt einen traurigen Prinzen, einen Prinzen, der uninteressiert wirkt. Für mich seine wahre Geisteshaltung in dieser Zeit."
Man weiß nicht viel über den König. Er soll eine harte Kindheit gehabt haben – sein Vater Hassan galt als sehr streng. Marokkanische Zeitungen erzählen, wie Hassan seinem Sohn eines Tages eines seiner liebsten Hobbies verboten hat: Mit seinem Auto mit Höchstgeschwindigkeit durch Rabat zu rasen. Polizeibeamte hatten für dieses Vergnügen Straßen der Hauptstadt gesperrt. Heute zieht der es vor, mit Jetski übers Meer zu brettern. Das hat den marokkanischen Komiker "Bziz" dazu veranlasst, ihn "Sa Majetski" zu nennen – anstatt "Sa Majesté" – Ihre Majestät. Früher hatte Bziz Auftrittsverbot. Das ist lange vorbei. Und auch das verrät einiges über König Mohammed. Ahmed Benchemsi, Chef der einflussreichen Wochenzeitung "TelQuel":
"Heute fragt man sich, welche Themen verboten sind – vor zehn Jahren hat man sich gefragt, welche Themen genehmigt würden. Da hat sich also ganz schön was verändert. Was die Pressefreiheit angeht, die freie Meinungsäußerung, öffentliche Versammlungen –da hat sich die Lage enorm verbessert."
Allerdings hat auch Benchemsi schon die andere Seite des Palastes kennengelernt. Wegen eines kritischen Artikels über eine Rede des Königs wurde er verhört und angeklagt. Der Prozess steht noch aus, bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahren Haft.
Den König in seiner Autorität anzugreifen, ist in Marokko noch immer ein Strafbestand. Denn der König ist nicht nur Staatsoberhaupt, sondern als erklärter Nachkomme des Propheten Mohammed auch religiöses Oberhaupt des Landes. Damit ist ein Angriff auf ihn auch ein Angriff auf die Grundfeste des Landes. Deswegen wurde auch im Winter ein Schüler festgenommen, der an eine Wand "Gott, Vaterland, FC Barcelona" gesprayt hatte. Und nicht: Gott, Vaterland, König. Eine Lappalie, könnte man meinen. Aber der Palast versteht da keinen Spaß.
Dennoch hat Marokko in den letzten Jahren eine kulturelle Blüte erlebt. Museen haben geöffnet, Hip Hop-Gruppen sich formiert, die Filmbranche boomt. Musiker, Regisseure, Schriftsteller gehen mit ihrem Land oft hart ins Gericht. Und rühren - fast – jedes Tabu an. In Marokko herrscht heute ein gesellschaftliches Klima, das vieles möglich macht. André Azoulay, Berater des Königs:
"Seine Majestät Mohammed VI hat etwas Tolles geschafft: Alle Errungenschaften, die er vorgefunden hat, zu optimieren, zu stabilisieren, zu festigen. Und gleichzeitig eine Vision zu entwerfen, die noch ambitionierterer ist, noch gewagter, kreativer und fortschrittlicher. Die Herausforderung für Marokko ist die: Je besser wir werden, je mehr wir reformieren, nach vorn kommen, desto höher sind die Erwartungen. Das ist logisch."
Unter Mohammed VI. wurde das Familienrecht reformiert. Damit haben Ehefrauen mehr Rechte bekommen - und es leichter, sich scheiden zu lassen. Dafür hat der König international viel Beifall bekommen. Modernisiert wurde auch die Infrastruktur Marokkos: Autobahnen wurden geschaffen, schnelle Internetverbindungen gelegt, die Wasser- und Stromversorgung verbessert. Auch dank großzügiger Schecks aus Brüssel, aus dem EU-Nachbarschaftsfonds. Mit dem Geld will die EU in den Nachbarländern erklärtermaßen auch Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu fördern.
Nach Meinung der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik hat Marokko aber nicht nur in Sachen Rechtstaat große Defizite. In einer Studie kommt sie auch zu dem Schluss: Marokko ist keine Demokratie. Tatsächlich gibt es zwar viele Parteien – und auch ein Parlament mit Regierungschef. De facto wird die Politik aber vor allem im Königspalast bestimmt. Ferran Sales:
"‘Ein Land, das dabei ist abzuheben - in Richtung Demokratie‘. Diesen Spruch hat man mir gegenüber damals immer wieder gesagt. Und er wird mir auch heute noch von Seiten der marokkanischen Verwaltung präsentiert - immer, wenn ich mich nach der Lage des Landes erkundige. Ich frage mich: Ein Land, dass seit zehn Jahren dabei ist, abzuheben in Richtung Demokratie - warum ist es denn immer noch nicht gelandet?"
Nach zehn Jahren ist Mohammed VI. unangefochtener Herr, im Haus Marokko. Er hat das Land in der Hand. Nicht nur politisch. Mit seinen zahlreichen Unternehmen und Beteiligungen ist er der wichtigste Banker des Landes, der wichtigste Unternehmer, der wichtigste Versicherer. Das marokkanische Königshaus ist nach Angaben des amerikanischen Magazins "Forbes" das siebtreichste der Welt – deutlich reicher jedenfalls als das britische. Dennoch gilt Mohammed VI. er als König der kleinen Leute – denn über seine eigene Stiftung verteilt er Wohltaten an die Ärmsten. Im Fernsehen ist er vor allem dann zu sehen, wenn er Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen einweiht. Telquel-Chef Ahmed Benchemsi:
"Der König hat die absolute Macht. Die einzige Begrenzung ist Artikel 19 der Verfassung. In ihm ist festgelegt, dass nur der König selbst seine Macht begrenzen kann. Anders gesagt: Wenn sich die Herrschaftsform in Marokko ändern soll, dann beschließt das der König ganz allein."
Darauf deutet nichts hin. Politische Opposition muss er derzeit kaum fürchten. Auch dank seines Vertrauten, dem ebenso medienscheuen, ehemaligen Innenminister Foaud Ali El Himma. Erst vor fünf Monaten hat er eine neue Partei gegründet, in der er Eliten und lokale Größen hinter sich versammelt hat. Damit ist es der Partei gelungen, aus den Kommunalwahlen im Juni als Sieger hervorzugehen – und sich gegen die starken Islamisten durchzusetzen. Kritiker sagen: Vor allem deswegen, weil El Himma als "Freund des Königs" gilt.
"Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie" steht in der Verfassung. Davon ist das Land aber weit entfernt. Bisher jedenfalls, so Abdellatif Felk, Soziologe aus Rabat:
"Sie kann schnell kommen - oder noch Jahre auf sich warten lassen. Aber sie wird kommen. Denn nur so kann das Land wirklich von all seinen Stärken profitieren. Sehen Sie, wir sind gerade mal 13 Kilometer von der spanischen Demokratie entfernt. 13 Kilometer Das ist ein historisches Schicksal – aber ein gutes Schicksal, wenn man das so sagen darf."