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Der Star und die Stasi

Im Osten war sie ein Star, im Westen geriet sie durch Stasi-Vorwürfe in die Schlagzeilen: die Schauspielerin Jenny Gröllman. Regisseurin Petra Weisenburger hat ihr mit "Ich will da sein" ein sensibles Denkmal gesetzt.

Von Josef Schnelle |
    Jenny Gröllmann hat das Kino der DEFA geprägt wie keine andere Schauspielerin. Den meisten westdeutschen Zuschauern ist sie nur als Anwältin Isenthal an der Seite von Manfred Krug in der Fernsehserie "Liebling Kreuzberg” bekannt geworden und als Ex-Ehefrau von Ulrich Mühe, die verdächtigt wurde, als IM ihren Mann und Filmtraumpartner ausspioniert zu haben. 2006 ist sie an Krebs gestorben.

    Obwohl die Verdachtsmomente gegen Jenny Gröllmann nie ganz ausgeräumt werden konnten, ist doch auch nie nachgewiesen worden, dass sie tatsächlich diesen Vertrauensbruch begangen hat. Es steht allerdings auch der Verdacht im Raum, Florian Henckel von Donnersmarck habe die juristische Causa zu Propagandazwecken für seinen Film "Das Leben der Anderen” hochgejubelt, als noch nicht sicher war, dass sein Film eine beispiellose Karriere bis hin zum Oscar antreten würde.

    Mühe selbst, auch er starb kurz nach der Oscarnacht 2007 an Krebs, hat, so Petra Weisenburger, die Autorin dieses Dokumentarfilms über die DDR-Schauspielerin, nie behauptet, Jenny Gröllmann habe ihn ausspioniert:

    "Ich glaube Ulrich Mühe war sich dessen nicht bewusst, als er sagte: Ja, ich hab da in Akten gelesen, dass meine Ex-Frau für die Staatssicherheit gearbeitet hat. Er hat ganz bewusst gesagt, er hat immer gesagt: Sie hat mich nicht bespitzelt. Und das hat er durchgezogen. Da war er korrekt."

    Erst im letzten Drittel ihres Films "Ich will da sein - Jenny Gröllmann” beschäftigt sich Weisenburger mit den Stasi-Vorwürfen, die die letzten Lebensmonate der populären Schauspielerin vergiftet haben. Gröllmann wehrte sich ausdrücklich gegen die Vorwürfe und errang noch mitten in ihrem aussichtslosen Kampf gegen den Krebs einen juristischen Sieg.

    Es durfte auch im Audiokommentar der DVD "Das leben der Anderen” von Florian Henckel von Donnersmarck nun nicht mehr behauptet werden, ihre Tätigkeit als IM - angesetzt auf Ulrich Mühe - sei erwiesen. Natürlich ist dieser Konflikt ein wichtiges Thema, über das man sich Aufklärung von diesem Film erwartet, und wie so oft beim Thema Stasi lässt das Ergebnis den Zuschauer verwirrt zurück.

    Warum soll man der sterbenskranken Jenny Gröllmann nicht glauben, die man eine Stunde lang als Ostvariante der westdeutschen Romy Schneider lieb gewonnen hat. Petra Weisenburger hat ihren materialreichen und streckenweise ergreifenden Dokumentarfilm erst gar nicht als politische Dokumentation der Grabenkämpfen in den Künstlerfraktionen begriffen und widmet sich dem giftigen Thema erst ganz zum Schluss. Andere Filme werden dieses Thema vielleicht noch einmal aufgreifen müssen.

    Weisenburger will hauptsächlich zeigen, was für eine großartige Schauspielerin die Gröllmann in ihren rund 60 Filmen gewesen ist. In Konrad Wolfs Trümmerfilm "Ich war 19" hatte sie 1967 ihren ersten Auftritt und wurde dann als verträumtes Mädchen, als Verlorene, als Aufbegehrende und als Verführerin eine Ikone des DEFA-Films

    "Und die Füße, Superfüße, Riesenfüße."

    "Gutgelaunt, Gut drauf. Es war eben diese aufregende Zeit und da war Jenny, die Prinzessin."

    Der kleine Szenenausschnitt verrät das Strickmuster des Films, der ästhetisch kaum Überraschendes bietet. Freunde und Kollegen wie Henry Hübchen, Michael Gwisdeck, Uwe Kockisch, auch Anna Maria Mühe, ihre Tochter, inzwischen selbst Schauspielerin, dürfen nacheinander ihre Liebeserklärung abgeben, die zu den Filmausschnitten aus DDR Filmen montiert werden.

    Eine fremde Welt öffnet sich, die auch nach einer Retrospektive der Filme des DDR-Staatsfilmstudios DEFA letztes Jahr in New York, in Deutschland noch weitgehend unerreichbar sind. Insofern erschließt dieser Film ein gutes Stück deutscher Filmgeschichte, das in den Übernahmekämpfen der Wiedervereinigung verloren gegangen ist.

    Auch dieser Film wird verliehen von der Firma defa-spectrum, die die Archivschätze des DEFA-Studios momentan auswertet, und von der man sich mehr - vielleicht einmal eine DEFA-Retro bei der Berlinale - erwartet. Doch der Film ist mehr als nur eine zaghafte politische Enthüllung und eine filmhistorische Trailershow. Petra Weisenburger begleitete Jenny Gröllmann in ihren letzten beiden Lebensjahren bis zum bitteren Ende und der Film ist deshalb auch ein Wagnis.

    Nur in Wim Wenders "Nicks Film” über das Sterben des Filmregisseurs Nicholas Ray hat man solche Szenen gesehen, in denen noch in letzten Augenblicken eine ungeheure Lebenskraft aufscheint. Jenny Gröllmann wirkt lange gefasst. Klein werden ihre Wünsche. Sie möchte noch einmal die neuen Blüten des kommenden Frühlings sehen. Noch einmal lachen. Noch einmal weinen. Letzte Dinge. Letzte Weisheiten. Das ist es womit dieser Film dann doch packt.