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Der Stoff, aus dem die Kicker sind

Sport.- Wenn heute die Fußball-Nationalmannschaft zum Spiel gegen Frankreich aufläuft, werden wohl auch viele Talent-Scouts aufmerksam zuschauen. Doch nicht wenige Talente werden von diesen erst gar nicht erkannt. Davon gehen zumindest australische Forscher aus, die untersucht haben, welche Fußballspieler besonders effektiv sind.

Von Michael Stang |
    Fußball sei immer schon ihr Leben gewesen, zumal sie selber eine Weile aktiv gespielt habe, sagt Gwendolyn David von der University of Queensland. Auch fiebere sie gerade mit ihrer australischen Frauennationalmannschaft bei der WM mit, die nach dem 3:2 Sieg am Sonntag gegen Äquatorial-Guinea weiter Chancen auf das Erreichen des Viertelfinales hat. Normalerweise forsche sie an Tieren, so die australische Verhaltensbiologin, etwa an Raubkatzen und schaue, wie effizient diese jagen. Doch kürzlich ergab sich, auch dank ihres Fußballverrückten Chefs, die Chance, diese sonst nur in freier Wildbahn erprobten Methoden auch auf dem Fußballplatz anzuwenden.

    "Wir wollten herausfinden, wie sich ein bestimmtes Verhalten auf den Erfolg bei einem Fußballspiel auswirkt. Unsere These war, dass nicht in erster Linie einzelne Eigenschaften wie Sprintstärke oder Passgenauigkeit für den Erfolg entscheidend sind, sondern eher das Zusammenspiel dieser Fähigkeiten."

    Um das systematisch zu untersuchen, nahm Gwendolyn David Kontakt zum semiprofessionellen Fußballteam der Universität auf, das in der australischen Premier League spielt. 27 Spieler im Alter von 21 bis 31 Jahren wurden vor Saisonbeginn auf zwölf fußballspezifische Eigenschaften wie Schussstärke, Schussgenauigkeit, Zweikampfstärke, Kopfballstärke oder etwa auch Passgenauigkeit hin untersucht. Während der Saison wurden alle Spieler regelmäßig auf diese Eigenschaften getestet. Zudem werteten die Forscher von jedem Ligaspiel rund acht Stunden Videomaterial aus.

    "Dabei sahen wir, dass die Geschicklichkeit, also das Zusammenspiel diverser Eigenschaften, tatsächlich Aussagen über den Erfolg bei einem Spiel ermöglicht – im Gegensatz zu athletischen Einzelmerkmalen wie Kraft oder Schnelligkeit. Diese sind kaum aussagekräftig. Und das ist wirklich überraschend, denn die ganze Fachliteratur und die Fußball-Scouts richten die Talentsuche ausschließlich nach athletischen Eigenschaften, und eben nicht nach Geschicklichkeit aus."

    Demnach waren für den Erfolg einer Mannschaft, der in vielen Faktoren wie Ballbesitz, gewonnene Zweikämpfe, erfolgreich angekommene Pässe etc. gemessen wurden, weniger einzelne hervorstechende Eigenschaften verantwortlich als vielmehr die Summe dieser Merkmale bei einem Spieler. Daher sei es wahrscheinlich, dass bis heute viele potenzielle Talente von den Scouts schlichtweg übersehen wurden, eben weil sie eher Generalisten als Spezialisten waren.

    "Ein weiteres Ergebnis war, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um im Spiel erfolgreich zu sein. Spieler, die etwa bei der Passgenauigkeit zuerst ineffizient waren, konnten dies durch verstärkten Laufeinsatz im Laufe des Spiels wettmachen. Erstaunlich war auch, dass erfolgreiche Spieler nicht nur in bestimmten Bereichen gut waren, sondern vor allem, dass sie in den anderen Bereichen keine großen Defizite aufwiesen."

    Typische "Kopfballungeheuer" – also Spieler, die ein exzellentes Kopfballspiel praktizieren, aber technisch oder taktisch eher Defizite aufweisen – bringen demnach keiner Mannschaft den gewünschten Erfolg - auch wenn sie noch so viele Kopfballduelle gewinnen.