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Der Streit um die Studienkollegs am Beispiel Köln

Viele ausländische Studenten dürfen mit ihrem heimischen Abschluss nicht direkt ein Studium in Deutschland beginnen. Vorher müssen sie eine zusätzliche Prüfung ablegen, die so genannte Feststellungsprüfung. Und auf diese Prüfung soll das Studienkolleg sie vorbereiten. Doch damit soll in Nordrhein-Westfalen - als einzigem Bundesland - jetzt Schluss sein. Das Land hat entschieden, sämtliche seiner Studienkollegs zu schließen.

Von Svenja Üing | 20.12.2008
    "Ich hab hier die Liste mit den Themen. Frau Abbas, sie sind die erste im Alphabet und haben uns auch noch relativ wenig zu ihrer Vorbereitung bisher mitgeteilt. Sie haben sich für das Thema Babylon entschieden."

    Babylon, das ist eines der Referatsthemen, auf die sich die Kölner Studienkollegiaten hier im Deutschkurs gerade vorbereiten.

    "Dann gucken wir mal weiter. Der Herr Abdalamea. Klimawandel, wie weit ist das denn gediehen?"

    Die 16 jungen Frauen und Männer sollen lernen, ihr Wissen frei vor einer Gruppe vorzutragen. Das wird später im Studium wichtig sein. Außerdem können so ihr Deutsch verbessern. Denn keiner von ihnen ist in Deutschland aufgewachsen:

    "Ich bin Sahar Torkaman, ich komme aus dem Iran, bin 29 Jahre alt und lebe seit ungefähr fünf Jahren in Deutschland. Ich würde gerne in medizinischer Richtung an der Uni Düsseldorf studieren."

    "Ich heiße Reza Khojasten, ich bin 28 Jahr alt und komme aus dem Iran. ich wohne in Düsseldorf und ich möchte dort Medizin studieren."
    Sahar Torkaman und Reza Khojasten haben ihr Abitur im Iran gemacht. Mit ihrem Abschluss dürfen sie hierzulande nicht direkt ein Studium beginnen. Vorher müssen sie eine zusätzliche Prüfung ablegen, die so genannte Feststellungsprüfung. Und auf diese Prüfung soll das Studienkolleg sie vorbereiten. An den staatlichen Studienkollegs ist diese Vorbereitung aufs Studium kostenfrei. Die Teilnehmer müssen lediglich den für alle Studierenden obligatorischen Semesterbeitrag zahlen. Die Vorbereitung am Kolleg dauert insgesamt ein Jahr, mit rund 30 Unterrichtsstunden in der Woche. Dabei belegen die Teilnehmer unterschiedliche Schwerpunktkurse, den T-Kurs zum Beispiel für mathematisch-naturwissenschaftliche und technische Studiengänge, den S-Kurs für Sprachen.
    "Das ist eine sehr gute Vorbereitung für das Studium, weil das Studiensystem in Deutschland ist viel anders, würde ich sagen, im Vergleich zum Iran. Das Studienkolleg ist so gut, dass man die ganze Regelung in Deutschland auf jeden Fall kennen lernen kann und diese Vorbereitung fürs Studium, diese Grundkenntnisse, die man auch braucht. Und ohne das, glaube ich, könnte ich kein Studium beginnen oder überhaupt Erfolg in einem Studium haben."
    Eine Studie des Hochschulinformationssystems HIS in Hannover bestätigt das. Demnach brechen die Absolventen der Studienkollegs ihr Studium deutlich seltener ab als alle anderen Ausländer. Doch damit soll in Nordrhein-Westfalen - als einzigem Bundesland - jetzt Schluss sein. Das Land hat entschieden, sämtliche seiner Studienkollegs zu schließen. Von bundesweit knapp 5.000 Plätzen fielen damit 1.200 weg. Harald Klingel, Leiter der beiden Kölner Studienkollegs an FH und Uni und Vorsitzender des Arbeitskreises der Studienkollegs- Leiterinnen und -Leiter, kritisiert die Pläne:

    "Das ganze ist für unsere Begriffe, und uns heißt in diesem Fall der Arbeitskreis der Leiterinnen und Leiter der Studienkollegs an deutschen Hochschulen, ein absolut nicht durchdachter Schritt."

    Leidtragende seien vor allem die so genannten Free Movers, also diejenigen, die individuell fürs Studium nach Deutschland kommen:

    "Auf unser Klientel bezogen sind das Leute aus Entwicklungsländern, aber längst nicht nur. Auch wer in den USA den Schulabschluss gemacht hat oder in Kanada muss auch die Feststellungsprüfung ablegen, und man stellt einfach fest, einzelne Bewerber aus diesen Ländern werden einfach sagen, Nordrhein-Westfalen ist für uns kein Studienstandort mehr, denn die anderen Bundesländer bieten das ja nach wie vor an."

    Sahar Torkaman und Reza Khojasten würden ohne ihr Kölner Studienkolleg den Ort wechseln:

    "Wenn es keine Studienkollegs in Nordrhein-Westfalen gäbe, würde ich dann auf jeden Fall in einem anderen Bundesland das Studienkolleg besuchen, ja. Dann würde ich auch wahrscheinlich da bleiben, weil man das System dann da kennt."

    "Dann würde ich in ein anderes Bundesland gehen. Oder wenn es in Deutschland kein Studienkolleg gibt, gehe ich auf jeden Fall in ein anderes Land, Österreich vielleicht."

    Und nicht nur das. In Bonn zum Beispiel bedeutet die Schließung des Kollegs auch das Aus für den Verein "Nothilfe für ausländische Studierende" in seiner jetzigen Form. Seit den 1980ern hat der Verein ausländischen Studierenden bei gravierenden finanziellen Problemen geholfen, sagt Monika Simon, die 20 Jahre lang am Bonner Studienkolleg unterrichtete und jetzt in Köln ist:

    "Wenn zum Beispiel von Zuhause plötzlich kein Scheck mehr kam, weil zuhause politische Unruhen waren, wenn der Vater krank geworden ist, wenn er den Job verloren hat. Plötzlich kam kein Geld mehr von Zuhause und dann war Not am Mann und dann haben wir schon mal Miete übernommen oder ein Darlehen gewährt bis das wieder funktionierte."

    Mit der Schließung der Studienkollegs, so argumentieren die Kritiker, wird NRW also nicht nur unattraktiver für ausländische Studierende. Mit diesem Schritt verabschiedet sich das Land letztlich auch aus der bildungspolitischen Entwicklungshilfe, die jahrzehntelang Tradition hatte.