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Der Streit um Thälmanns Erbe

Der Kommunistenführer Ernst Thälmann hat sich an diesem Ort mit anderen Spitzen der Partei getroffen, um zum Sturz der Nazis aufzurufen. Nun ist das Denkmal ein Trümmerhaufen. Aber der Streit um Ausstellungsstücke geht weiter.

Von Joachim Hildebrand | 02.09.2010
    Ein Trümmerhaufen. Mehr ist nicht geblieben von dem leicht heruntergekommenen Flachbau mit den grünen Pfeilern. Bis vor Kurzem beherbergte der noch die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte. Hier hatten sich die Spitzen der Kommunistischen Partei kurz nach der Machtergreifung der Nazis getroffen. Hier hatte Ernst Thälmann vom gewaltsamen Sturz Hitlers gesprochen.

    Der Ort wurde in der DDR zum Kultort der antifaschistischen Erziehung. Jetzt musste er weichen. Bald soll hier eine Reihe neuer Stadt-Villen entstehen. Bevorzugte Wohnlage. Seegrundstück.

    Vorausgegangen war ein langer Rechtsstreit. Jahrelang hatte der neue Eigentümer des 4.650 m² großen Grundstücks – ein ehemaliger Mitarbeiter des Potsdamer Bauministeriums – prozessiert, um den Abriss des denkmalgeschützten Hauses durchzusetzen. Die Stadt und auch der Kreis waren dagegen – vergeblich:

    "Letztlich hat der Abriss etwas damit zu tun, dass das brandenburgische Denkmalschutzgesetz nicht Denkmäler schützt, sondern das Vermögen der Eigentümer. Deshalb werden wir schauen, ob man das Gesetz so verändern kann, dass solche ähnlichen Schicksale in Zukunft nicht mehr möglich sind","


    sagt Stefan Ludwig. Bis zum letzten Jahr war er Bürgermeister von Königs Wusterhausen und ist jetzt Abgeordneter der Linken im Landtag Brandenburg.

    ""Wir haben versucht, dass die Gedenkstätte gar nicht erst ausgeschrieben wird. Der Verkauf kam dann zustande, bei dem es Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll, die aber kein Gericht bisher dazu gebracht hat, das rückabzuwickeln oder in irgendeiner Art zu beanstanden."

    Für das Gebäude ist es nun ohnehin zu spät. Was bleibt, ist das Inventar. Und auch um das wird gestritten. Im letzten Jahr wurde vor dem Oberverwaltungsgericht der Kompromiss erzielt, dass der Käufer das Inventar an die Stadt zu übergeben habe, bevor er über das Areal frei verfügen könne. Neben Wimpeln, Fotos, Tischen, Stühlen und Hunderten anderen Objekten wurde auch das Motorboot "Charlotte" an die Stadt übergeben. Heute liegt es unter einer Plane auf einem Hinterhof. Mit diesem Boot flohen einige Mitglieder des Geheimtreffens am 7. Februar 1933 mit Thälmann, kurz bevor die SA eintraf, weil das Treffen aufgeflogen war.

    "Dieses Boot ist Bestandteil des Denkmals. Auch die gesamte Ausstellung, wie sie dort in den Denkmalräumen installiert war, diese Ausstellung selbst ist noch 1990 unter Denkmalschutz gestellt worden, auch die Glaskästen, in denen einige Exponate präsentiert wurden, also was in den Ausstellungsräumen war, ist komplett durch die Stadt eingelagert worden, weil der Eigentümer das vor dem Abriss zur Verfügung stellen musste."

    Die Stadt Königs Wusterhausen will die Ausstellungsstücke der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen. Allerdings erhebt auch der Verein "Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" Anspruch auf die Gegenstände. Der Verein hatte sich jahrelang im Auftrag der Stadt um die Pflege des Hauses gekümmert.

    Trotz mehrmaliger Kontaktaufnahme hat sich der Verein nicht zu einem Interview bereitgefunden. Aber in einer E-Mail verweist der Vorsitzende Max Renkl auf den nach dem Abriss des Grundstücks gefassten Beschluss für die Neuausrichtung der weiteren Arbeit. Darin heißt es, der Verein wolle einen Teil der Exponate reproduzieren und für eine Wanderausstellung zusammenstellen. So einfach will sich die Stadt aber nicht von den Ausstellungsstücken trennen. Stefan Ludwig:

    "Eigentumsfragen sind insoweit geklärt, als dass der Freundeskreis sowohl die Behörden als auch das Gericht nicht davon überzeugen konnte, ihm einige Teile zuzusprechen. Wenn es ihm gelingt, nachzuweisen, dass es seine denkmalgeschützten Gegenstände waren, dann wird er sie sofort bekommen."

    Mindestens auf ein Exponat müssen jedoch wohl alle verzichten: die Bronzebüste Thälmanns, die im Ehrenhof stand. Sie ist seit vier Jahren verschwunden. Spuren haben die Diebe damals im verschneiten Hof nicht hinterlassen. Eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung stieg in jenem Winter sogar in den See, weil sie vermutete, dass die Büste vom nahen Steg aus ins Wasser geworfen worden sein könnte. Doch auch ihre Suche blieb erfolglos.