Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Der Sturm nach der Nachtflugruhe

Keine Nachtflüge mehr? Die Lufthansa denkt über einen Investitionsstopp am Frankfurter Flughafen nach. Der Flughafenbetreiber Fraport sieht das Leipziger Urteil gelassener, anderen Unternehmen der Region geht die Lärmdämpfung nicht weit genug.

Von Ludger Fittkau | 04.04.2012
    Ein schwerer Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland, das sei das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, so die Reaktion von Lufthansa und Lufthansa Cargo. Damit werde eines der größten Luftdrehkreuze Europas im internationalen Wettbewerb zurückfallen, so Christoph Franz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG:

    "Für Frankfurt bedeutet dieses Urteil, dass wir uns hier heute an einer Weichenstellung befinden, von der aus sich die Entwicklungslinien des Flughafens langsam in eine andere Richtung entwickeln als ohne eine derartige Einschränkung. Denn eine Milliardeninvestition, ein Produktionsmittel wie den Flughafen Frankfurt für ein Viertel des Tages vollständig stillzulegen, das gibt es an keinem anderen der Top-Ten-Flughäfen dieser Welt, zu denen Frankfurt immer noch gehört. Und wir müssen leider befürchten, dass sich diese Position von Frankfurt in einem Weltwachstumsmarkt langsam verschlechtern wird."

    Für unrechtmäßig erklärte das Bundesverwaltungsgericht nicht nur die 17 Nachtflüge, sondern auch jeweils durchschnittlich 17 Flüge in den sogenannten "Nachtrandstunden" zwischen 22 – 23 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr morgens. Das sind also insgesamt mehr als 50 Flüge weniger in der Nacht. Doch Lufthansa und Lufthansa Cargo wollen im ergänzenden Planfeststellungsverfahren, das jetzt durchgeführt werden muss, ihren Bedarf für Nachtflüge erneut deutlich machen. Christoph Franz:

    "Wir werden versuchen, in dem vom Bundesverwaltungsgericht angedeuteten Ergänzungsverfahren unsere Meinung zur Notwendigkeit von Nachtflügen dort vorzubringen und zu argumentieren, um wenigstens eine minimale Anzahl von Nachtflügen durchzusetzen."

    Doch in den Anhörungen zu den jetzt anstehenden zusätzlichen Planfeststellungsverfahren werden sich wohl auch große Arbeitgeber der Region zu Wort melden, die unter dem Fluglärm leiden. So die Uniklinik Mainz, mit rund 7500 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe der Region nach dem Frankfurter Flughafen. Professor Thomas Münzel, Leiter der kardiologischen Klinik der Mainzer Unimedizin, hält das heute in Leipzig beschlossene Nachtflugverbot längst nicht für ausreichend. Er verlangt Flugrouten, die die Mainzer Uniklinik unberührt lassen:

    "Dass eigentlich nur das Offenbacher Stadtkrankenhaus jetzt geklagt hat, die Uniklinik Mainz, das katholische Klinikum oder auch die DRK-Schmerzklinik nicht, ich hoffe, dass das noch geändert wird, und dass die rheinland-pfälzischen Krankenhäuser hier nachziehen."

    Auch für Michael Ebling, den neuen sozialdemokratischen Oberbürgermeister der Stadt Mainz, ist mit dem Nachtflugverbot die Auseinandersetzung um den Fluglärm in der Region noch nicht zu Ende. Ebling hat in den letzten Monaten mehrmals selbst an der Montagsdemo der Flughafengegner im Terminal des Rhein-Main-Fughafens teilgenommen Der Mainzer Stadtchef will die Flughafen-Ökonomie und den lärmbelasteten Alltag der Anwohner auch tagsüber langfristig wieder in eine Balance bringen:

    "Mit der neuen Landebahn ist auch eine neue Qualität der Belastung erreicht. Viele Bürger halten die Belastung für unerträglich. Sich mit allen Mitteln dagegen zu wehren, ist legitim. Auch die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die erträglich sind."

    Immerhin: Ab 23 Uhr ist nun Ruhe – sechs Stunden lang. Die Wirtschaft am Frankfurter Flughafen muss sich darauf einstellen.


    Flughäfen - Wirtschaftsfaktor mit Schönheitsfehlern: Sechsteilige Serie über die Airportlandschaft in Deutschland