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Der Telekom ein Schnippchen schlagen

Informationstechnik. - Das normale Telefonieren, heute Festnetztelefonieren genannt, hat hundert Jahre benötigt, um einigermaßen einfach zu funktionieren. Verglichen mit den 100 Jahren sind die zehn Jahre, die die Internettelefonie inzwischen hinter sich hat, ein verschwindend kleiner Zeitraum. Und jetzt, genau jetzt, Ende 2004, beginnt Internettelefonie interessant zu werden.

Von Maximilian Schönherr | 23.12.2004
    Übers Internet zu telefonieren lohnt sich für jeden, der eine Breitband-Verbindung zum Internet hat. ISDN ist zu wenig, ein Modem erst recht. Der DSL-Surfer kann sofort loslegen. Und wenn er eine Flatrate, also eine Pauschale zahlt, wird es ihm gar nicht weh tun. Um drei Dinge muss er sich allerdings kümmern: um einen Provider, also einen Anbieter von Internettelefonie, mit dem er irgendwie abrechnet. Dann darum, dass er in die Soundkarte seines PCs reinsprechen und etwas hören kann; ein Headset zum Auf-den-Kopf-Setzen, das Mikro direkt vorm Mund, wäre da die billigste Lösung. Und drittens lädt er sich eine Internettelefonsoftware aus dem Netz herunter. In die gibt er die Zugangsdaten ein, die er von seinem Provider bekommen hat, wählt mit der Maus die Nummer von Lucy in Sydney und telefoniert mit ihr eine halbe Stunde lang für einen Euro. Es klingt wie normales Telefon.

    Generell ist zur Qualität zu sagen, dass eigentlich das Festnetz nicht das Qualitätsmaß für Internettelefonie sein muss. Es spricht nichts dagegen, dass die Qualität erheblich besser wird, als wir das vom herkömmlichen Telefon kennen. Und wir gehen fest davon aus, dass das in den nächsten Jahren ganz klar kommen wird.

    Thilo Salmon, Chef eines der größten deutschen Internettelefoniebetreiber, Sipgate in Düsseldorf. Für jeden, der einen schnellen Netzzugang hat, rechnet sich die Internettelefonie schon jetzt. Die Preise sind konkurrenzlos niedrig. Null Cent innerhalb des Internets, je nach Anbieter zum Beispiel ein oder zwei Cent pro Minute ins Festnetz, drei bis fünf Cent nach Australien. Call-Center und Internetcafés, die inzwischen diese Dienste anbieten, schlagen natürlich noch etwas drauf. Vermittlungstechnisch gesehen verlässt ein Internettelefonat sehr rasch über ein so genanntes Gateway das Internet und läuft dann wie ein konventionelles Telefonat zu den Festnetz- oder Handy-Kunden weiter. Salmon:

    Prinzipiell ist es so, dass die Qualität besser wird, wenn der Weg vom Kunden zum Gateway über keine zu große geografische Distanz erfolgt. Das liegt einfach daran, dass die zeitliche Verzögerung bei Telefonaten im Internet größer als im herkömmlichen Telefonnetz ist. Die Frage ist also: Wie lang ist die Internetstrecke? An der Stelle muss man schon sehen, dass das klassische Telefonnetz schon die Regeln bestimmt.

    Bei langen Internetstrecken sind die Verzögerung als Echos unserer Stimme zu hören. Sehr irritierend! Auch dann noch, wenn die Internettelefoniesoftware Echo-Unterdrückungs-Algorithmen eingebaut hat. Diese Problematik betrifft auch Hardware-Internettelefone. Das sind interessante Geräte, weil sie uns nicht zwingen, den Computer einzuschalten, um zu telefonieren. Man steckt sie einfach ins DSL-Modem oder besser: in den Router. Das Telefon verhält sich dann wie ein eigenständiger Rechner im Netzwerk. Wer übers Internet telefonieren und gleichzeitig in der Wohnung herumlaufen will, kauft sich ein zigarettenschachtelgroßes Kästchen, in das er die alten drahtlosen Telefone einstecken kann. Und schließlich gibt es PC-Steckkarten speziell für Internettelefonie, mit diversen Anschlussmöglichkeiten; hier kann man sogar wählen, ob man nun analog oder übers Internet telefonieren will. Womit uns die Technik unversehens zu einem politisch brisanten Punkt führt, nämlich der Schwierigkeit, einen herkömmlichen Telefonanschluss zu kündigen, aber weiter mit DSL surfen zu können. Thilo Salmon:

    Ein Kunde, der einen Internet-Telefonanschluss nutzen möchte, muss ganz normal seinen herkömmlichen Anschluss weiter bezahlen. Das halten wir für völlig unakzeptabel. Zum einen ist es natürlich eine Frage von Marktmissbrauch einer Markt beherrschenden Stellung, die wettbewerbsrechtlich sehr fragwürdig ist. Zum anderen hat der Gesetzgeber gesagt, dass ein Kunde, der seine Telefongesellschaft wechselt, eigentlich seine Rufnummer behalten kann. Das unterwandert an dieser Stelle de facto die Deutsche Telekom, weil sie die Rufnummer nicht zur Verfügung freigibt, so lange der Anschluss nicht gekündigt ist - was sie im Grunde nicht erlaubt.

    Apropos Rufnummer: Zur Zeit herrscht da Wildwuchs. Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation hat nicht nur bei der Entflechtung von Telefonie und Internet geschlafen, sondern will Anfang 2005, also sehr spät, mit einer speziell für die Internettelefonie reservierten Vorwahl herauskommen, der 032. Ende 2005 werden vermutlich Millionen von deutschen Internet-Nutzern unter dieser Vorwahl zu erreichen sein. Und dann dauert es nicht mehr sehr lange, bis das analoge Telefon verschwindet. Man telefoniert unterwegs übers Handy, zu Hause und im Büro aber übers Internet.