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Der Teufelsgeiger

Seine Konzerte lösten unter den Zuhörern eine wahre Hysterie aus. Frauen fielen reihenweise in Ohnmacht, auch Männer fühlten sich von seiner Ausstrahlung angezogen. Niccolo Paganini versetzte zwischen 1820 und 1840 das Publikum mit seinem Geigenspiel in eine Art Trance.

Von Renate Hellwig-Unruh | 27.10.2007
    "Mittwoch. Paganinis erstes Concert. Ich werde mir Zeit nehmen, mehr über dieses höchst wunderbare, unbegreifliche Talent, über diesen Menschen, der das Aussehen eines wahnsinnigen Mörders und die Bewegungen eines Affen hat [zu schreiben]. Ein übernatürliches, wildes Genie. Er ist höchst aufregend und pikant."

    Die Äußerungen Fanny Mendelssohns über Niccolo Paganini, der im Frühjahr 1829 einige Konzerte in Berlin gab, hören sich äußerst seltsam an. In Zeitungen, Tagebüchern und Briefen der Zeit kann man jedoch Ähnliches lesen. Die hochmusikalische, ebenfalls komponierende Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy stand nicht alleine da mit ihren Einschätzungen. Paganini, der kreuz und quer durch Europa reiste und Konzerte gab, wurde überall mit Spannung erwartet. Sein Ruf eilte ihm voraus. Und dieser war nicht der Beste, was die Spannung deutlich erhöhte. Der Geigenvirtuose wurde zeitweise sogar des Mordes bezichtigt. Einer, der die Geige spielte wie er, musste ja mit dem Teufel im Bunde stehen.

    "Auf der Bühne kam eine Gestalt zum Vorschein, die der Unterwelt entstiegen zu sein schien. Das war Paganini in seiner schwarzen Gala. Der schwarze Frack und die schwarze Weste von einem entsetzlichen Zuschnitt. [...] Ist das ein Lebender, der im Verscheiden begriffen ist und der das Publikum in der Kunstarena, ein sterbender Fechter, mit seinen Zuckungen ergötzen soll? Oder ist es ein Toter, der aus dem Graben gestiegen, ein Vampir mit der Violine, der uns, wo nicht das Blut aus dem Herzen, doch auf jeden Fall das Geld aus der Tasche saugt?","

    fragte Heinrich Heine 1830 nach einem Konzert in Hamburg. Dass Paganini weder ein Mörder noch ein Vampir war, konnte sein Biograf Edward Neill später unmissverständlich klarstellen. Doch das Geld "saugte" der Virtuose in der Tat seinen Zuhörern aus den Taschen, er war ein guter Geschäftsmann: Die Eintrittskarten zu seinen Konzerten ließ er sich teuer bezahlen. Alle wollten Paganini hören, denn mit seinem feurigen Spiel ging er fast an die Grenzen des menschlich Vorstellbaren. Er spielte die Geige anders als bis dahin, er hielt sie nach unten geneigt und benutzte mit seinen extrem biegsamen Händen viele neue Kunstgriffe, die ihm den Namen Teufelsgeiger einbrachten. Er konnte beispielsweise Tierlaute täuschend echt auf der Geige nachahmen. Für eigene Zwecke komponierte Paganini zahlreiche Werke, darunter Violinkonzerte, Variationen, Sonaten und Quartette, von denen viele verloren gegangen sind. Seine 24 Capricci für Violine, die lange Zeit als unspielbar galten, gehören heute zum Standardrepertoire.

    Paganini - eine Figur wie sie E.T.A. Hoffmann nicht besser hätte erfinden können. Hector Berlioz über den Geiger, den er in Paris traf:

    ""Paganini kündigte das Unmögliche an - und verwirklichte es dann."

    Niccolo Paganini, der am 27. Oktober 1782 in Genua geboren wurde, war größtenteils Autodidakt. Der Vater zwang den Knaben, stundenlang Geige zu spielen, mit neun Jahren trat er bereits regelmäßig auf und machte dank seiner brillanten Spieltechnik schon bald eine kometenhafte Karriere. Zwischen 1805 und 1809 hatte er eine Festanstellung als Konzertmeister bei der Fürstin Elisa Baciocchi von Lucca, einer Schwester von Napoleon. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt ausschließlich als reisender Virtuose. Er schaffte es trotz kränklicher Konstitution innerhalb eines einzigen Jahres 150 Konzerte in wechselnden europäischen Städten zu geben. Das allein schon war ein Rekord, denn man reiste noch mit der Kutsche.

    Obwohl Niccolo Paganini zeitweise dem Glücksspiel verfallen und in zahlreiche Frauen-Affären verwickelt war, konnte er sich mit der Geige ein Vermögen erspielen. Sein Lebenswandel und vor allem sein schlechter Ruf waren dann allerdings der Grund dafür, dass man ihm nach seinem Tod am 27. Mai 1840 ein kirchliches Begräbnis verwehrte. Präpariert und einbalsamiert wurde sein Leichnam über Jahrzehnte in diversen Kellerräumen aufbewahrt. Erst 36 Jahre nach seinem Tod fand Paganini dann auf dem Friedhof von Parma seine wohlverdiente letzte Ruhe - und zwar erst, nachdem sein einziger Sohn Achille einen großen Teil des väterlichen Vermögens an die Kirche abgetreten hatte.