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Der tickende Mythos

Am Montag beginnt der 18. internationale Uhrensalon in Genf, eine der weltweit führenden Messen für Luxusuhren. Einen großen Auftritt wird dort auch A. Lange & Söhne aus Glashütte in Sachsen haben. Deutschlands mit Abstand führende Uhrenmanufaktur wird dort eine neue Weltpremiere präsentieren.

Von Alexandra Gerlach |
    Dresden 13. März, internationale Pressepräsentation im mathematisch-physikalischen Salon im weltberühmten Zwinger. Fabian Krone, Geschäftsführer der Uhrenmanufaktur, begrüßt die Gäste, die von weither angereist sind, für eine "Weltpremiere". Zum ersten Mal ist es gelungen, den Wirbelwind, wie der "Tourbillon" wörtlich übersetzt heißt, mit einem Sekundenstopp zu zähmen. Damit lässt sich die Uhr, deren Unruh sich in einem Käfig normalerweise unablässig um sich selbst dreht, kurz anhalten, um sie genau zu stellen. Innovative Uhrmacherkunst in höchster Perfektion, made in Sachsen. Die neue Uhr mit zahlreichen Gravuren, 25 Rubinen und 2 Diamanten, hat ihren ganz großen Auftritt noch vor sich - auf der Internationalen Uhrenmesse in Genf.

    Doch bis potenzielle Käufer die Uhr am Handgelenk tragen können, müssen sie mitunter mehrere Monate Geduld mitbringen, die Manufaktur in Glashütte kann gar nicht so schnell liefern, wie die Nachfrage es verlangt.

    Andreas Müller sitzt an der Polierscheibe. Der 48-Jährige Uhrmachermeister arbeitet seit gut zehn Jahren bei Lange & Söhne:

    "Ich muss jetzt hier an der Polierscheibe die Buchse von einem Fly-Back-Hebel hier polieren, die wird gepresst, gestaucht und dadurch hat die Eindrücke auf der Oberfläche, und die Oberfläche muss also glatt sein, sauber sein, und deshalb werde ich jetzt hier an der rotierenden Scheibe ausgleichen."

    Uhrmachermeister Andreas Müller war früher selbständig. Wie viele andere seiner Kolleginnen und Kollegen träumt auch er von einer eigenen Lange Uhr:

    "Von der hier, vom Chrono, weil ich diese Uhr von Anfang an mit begleitet habe, seit 1999, und ich kann mich noch gut erinnern, als wir damals die ersten Uhren fertig hatten, wie wir uns gefreut hatten."

    Der Anfang dieser Geschichte, die durchaus den Titel "das Wunder von Glashütte" tragen könnte, geht zurück in das Jahr 1845. Da gründete Ferdinand Adolph Lange im verarmten Glashütte an der Müglitz eine Uhrenmanufaktur, die schnell weltberühmt wurde. Sein Urenkel, Walter Lange, erzählt:

    "Mein Urgroßvater Ferdinand Adolf Lange hat bei dem königlichen Hofuhrmacher Gutkaes gelernt. Gutkaes war Mechanikus am mathematisch-physikalischen Salon hier."

    Glashütte erlebte eine märchenhafte Blütezeit zahlreiche Werkstätten siedelten sich rund um die Manufaktur an. Und die hier gefertigten Zeitmesser galten als so präzise, dass sie auch als Instrumente für astronomische und physikalische Messungen sowie zur Navigation eingesetzt wurden.

    Diese Blütezeit endete kurz vor Kriegsende, als die Rote Armee wenige Stunden vor der Kapitulation das Hauptgebäude der Manufaktur sprengte. Der Untergang der Marke Lange, so Pressesprecher Christian Engelbrecht, war besiegelt:

    "Zu DDR-Zeiten existierte sie nicht. 1948 ist die Familie Lange enteignet worden, 1951 sind dann in Glashütte alle Marken, die es damals noch gab, zwangskollektiviert worden, das heißt, in einem Kombinat zusammengefasst worden und die Marken wurden dann nicht mehr fortgeführt, sie war nur noch ein Mythos in Sammlerkreisen."

    Am 7. Dezember 1990, nur wenige Wochen nach der Wiedervereinigung, schlug die zweite Geburtsstunde für die Uhrenmanufaktur. Walter Lange, der Urenkel des Firmengründers, verließ die westdeutsche zweite Heimat und trat an, um die Familiengeschichte und damit auch Uhrengeschichte in Glashütte fortzuschreiben:

    "Ich habe in einem Alter wieder angefangen, wo sich andere zur Ruhe setzen. Ich hatte mein Geld zusammengekratzt, ich brauchte ja für eine GmbH ein Grundkapital, meine 100.000 Mark habe ich da eingesetzt. Damit ging es los wir brauchten dann natürlich viel, viel mehr Geld, also bis die erste Uhr fertig war, da haben wir 20 Millionen in die Hand nehmen müssen."

    Heute gehört die Manufaktur zur Schweizer Luxusfirmengruppe Richemont. Rückblickend ist sich Walter Lange sicher, dass die Entscheidung, von Anfang an auf höchste Qualität und zugleich auf das hochpreisige Sortiment zu setzen, richtig und ausschlaggebend für den späteren Erfolg war. Die erste Kollektion jedenfalls, die 1994 öffentlich präsentiert wurde, war heiß begehrt. Ein verloren geglaubter Mythos war zurückgekehrt:

    "120 Uhren gab es damals, also die gesamte Kollektion, die innerhalb von Minuten ausverkauft war."

    Über Umsatzzahlen spricht Christian Engelbrecht der Pressesprecher der Manufaktur grundsätzlich nicht gerne, allenfalls Anhaltspunkte will er geben:

    "Also genaue Produktionszahlen geben wir nicht bekannt, etwas über 5000 Uhren pro Jahr stellen wir her."

    Diese Zahl an sich sagt nicht viel aus. Schließlich variieren die Preise pro Uhr zwischen rund 12.500 Euro für das Einsteigermodell und 390.000 für das teuerste Stück. Sicher ist, dass die Manufaktur ihre Firmen und Kapazität räumlich etwas erweitern wird, in diesem und im nächsten Jahr.