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Der tiefe Blick in leere Kassen

Morgen legt der Bundesrechnungshof seine jährlichen Bemerkungen vor. Was so lapidar klingt, ist – bildlich ausgedrückt - der öffentlich gelegte Finger in der Wunde der Haushälter. Denn was in diesen sogenannten Bemerkungen dargestellt wird, ist nichts anderes als die Kassenprüfung des Bundes.

Von Constanze Hacke |
    "Der Bundesrechnungshof, der prüft doch irgendwie so die Ausgaben des Bundeshaushalts, ja glaube ich schon, kontrolliert die / weiß ich jetzt nicht im Moment, ja, habe ich schon gehört, aber fällt mir jetzt nicht ein / das ist vielleicht ein Büro, wo Daten gesammelt werden zu verschiedenen Bereichen und eine Auswertung stattfindet / Der kontrolliert meiner Meinung nach zum Beispiel Forschungseinrichtungen, deren Finanzabteilung und Einkauf, ob das alles ordentlich abgerechnet wurde und sowas / Das ist eine Behörde / Der prüft die ganzen großen Firmen, Betriebe, ob da alles seine Ordnung hat finanziell / Die bringen immer ihren Jahresbericht über die Verschwendungen der behördlichen Einrichtungen."

    Morgen ist es wieder soweit. Der Bundesrechnungshof legt seine jährlichen Bemerkungen vor. Was so lapidar klingt, ist – bildlich ausgedrückt - der öffentlich gelegte Finger in der Wunde der Haushälter. Denn was in diesen sogenannten Bemerkungen dargestellt wird, ist nichts anderes als die Kassenprüfung des Bundes. Jedes Jahr kontrolliert der Bundesrechnungshof die Abrechnung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Haushalt auf Euro und Cent.

    Der Bundesfinanzminister muss nicht nur dem Bundestag und dem Bundesrat, sondern auch dem Bundesrechnungshof gegenüber Rechenschaft ablegen. Sein Haus muss sich darüber hinaus in mehr als 900 jährlichen Prüfungen Stichproben bei allen öffentlichen Ausgaben und Einnahmen gefallen lassen. Dieses Recht ist im Grundgesetz verankert, und zwar in Artikel 114. Dort steht in Absatz 2:

    Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten.

    Die Behörde ist damit weisungsfrei zwischen Legislative und Exekutive angesiedelt. Und sie schaut genau hin, ob der Etat entsprechend der gesetzlich festgelegten Haushaltsgrundsätze geführt wurde. Das heißt zum Beispiel, dass es keine Nebenhaushalte geben darf und dass der Haushaltsplan für alle Ausgaben die erforderliche Deckung aufweisen muss. Das bedeutet aber auch, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. Genau das aber ist häufig das Problem.

    Die üblichen Verdächtigen.

    Uwe Rosauer leitet beim Bundesrechnungshof das Prüfgebiet Gesetzliche Krankenversicherung. Erst seit drei Jahren darf die Behörde die Kassen überhaupt prüfen. Denn seitdem erhalten die Krankenkassen Steuergelder, der Bundeszuschuss beläuft sich in diesem Jahr immerhin auf 15,7 Milliarden Euro. Davor konnten die Kassen dank der gesetzlich vorgesehenen Selbstverwaltung nach eigenen Vorgaben schalten und walten. Nun durchleuchten knapp 30 Prüfer der Abteilung von Uwe Rosauer die Krankenkassen – und stoßen dabei nicht immer auf kooperatives Verhalten:

    "Das lag daran, dass sich die Krankenkassen erst einmal daran gewöhnen mussten, dass der Bundesrechnungshof hier prüfen kann und darf. Das hat sich aber gegeben, sodass wir sagen müssen, die Unterlagen werden uns ohne größere Schwierigkeiten zur Verfügung gestellt. Im Einzelfall mag das mal anders sein, insbesondere dann, wenn es um Verwaltungsausgaben geht oder um Vorstandsgehälter. Da ist vielleicht naturgemäß etwas Zurückhaltung da. Aber in aller Regel kriegen wir die Unterlagen ohne Probleme."

    Dazu sind die geprüften Instanzen auch verpflichtet. Genauso, wie sie den Kassenprüfern Rede und Antwort stehen müssen. Diese wiederum haben sich zuvor tief in die Thematik eingearbeitet, haben sich über die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Gesetzes informiert und in allgemein zugänglichen Quellen recherchiert. Geprüft werden Verwaltungsausgaben genauso wie Sachleistungen – und nicht immer muss ein Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit vorliegen. Die Leitfrage der Überprüfung lautet, ob die Ausgabenpraxis dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

    Aus diesem Grund hat der Bundesrechnungshof nicht nur ein Auge auf Geldverschwendung, sondern schaut auch darauf, ob Steuergelder richtig eingesetzt werden. Das gilt für soziale Leistungen wie Kindergeld, Wohngeld oder Elterngeld. Und es betrifft natürlich auch die Ansprüche der gesetzlich Krankenversicherten. Just zum 60-jährigen Bestehen des Müttergenesungswerkes kam daher die Bitte aus dem Parlament, sich einmal die Mutter-Kind-Kuren genauer anzusehen. Uwe Rosauer:

    "Es gibt bei den Beratungsstellen von Mutter-Vater-Kind-Kuren den Eindruck, dass die Kassen flächendeckend rechtswidrig Anträge ablehnen. Jede Beratungsstelle hat ja Einzelfälle, wo sie der Auffassung ist, hier hätte eigentlich die Krankenkasse eine Kur bewilligen müssen. Und wir wollen bei der Prüfung der Frage nachgehen, stimmt das eigentlich. Lehnen die Krankenkassen rechtswidrig solche Anträge ab oder ( ... ) ist das eine subjektive Wahrnehmung der Beratungsstellen – oder ist es etwas, was sich als Befund flächendeckend ergibt?"

    Ein anderer Befund aus dem Prüfgebiet Gesetzliche Krankenversicherung steht seit den Bemerkungen des Bundesrechnungshofs aus dem vergangenen Jahr bereits fest: Die Gehälter der hauptamtlichen Vorstände der Kassen übersteigen bei Weitem das, was der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände empfohlen hatten. Zudem würden Abfindungen zu großzügig bemessen.

    "Uns geht es eigentlich darum, dass man mal politisch die Frage stellt, wie hoch könnten oder müssten eigentlich Vorstandsgehälter sein? Da gibt es noch kein abschließendes Ergebnis, sondern das Ministerium ist aufgefordert, bis zum Frühjahr dort entsprechende Maßnahmen zu ergreifen."

    Hinweise auf solche Missstände kommen von allen Seiten, und nicht nur aus dem Bundestag. Immer wieder gehen beim Bundesrechnungshof anonyme Tipps ein – aus den unterschiedlichsten Gründen: Da ist der Konkurrent, der bei einer öffentlichen Auftragsvergabe nicht zum Zug gekommen ist. Oder der Angestellte, der sich über seinen Vorgesetzten geärgert hat. Viele anonyme Informanten aber haben noch eine idealistische Vorstellung davon, wie Steuergeld verwendet werden sollte.

    Damit sie wissen, was sie tun ...

    Einer, der von den Prüfungsergebnissen des Bundesrechnungshofes profitieren soll, ist Norbert Barthle. Der CDU-Politiker ist Obmann im Haushaltsausschuss des Bundestags. Die Haushälter haben jedem einzelnen Etat einen Berichterstatter zugeordnet, der sich intensiv mit dem jeweiligen Ministerium und dessen Ausgaben auseinandersetzt. Und in jeder Ausschusssitzung sitzt ein Vertreter des Bundesrechnungshofes mit am Tisch – als Ansprechpartner und als Berater. Die Entscheidungen jedoch muss die Politik treffen, sagt der Haushaltsexperte Barthle:

    "Ich will mal ein Beispiel nennen. Da stellt der Bundesrechnungshof fest, dass es bei der Bundeswehr ein Munitionslager gibt, das erhalten wird, das bewacht wird, das auch Kosten verursacht, in dem aber Munition gelagert wird, die gar nicht mehr verschossen werden kann, weil die Schießvorrichtungen nicht mehr existieren. Darauf wird dann die Politik tätig und sagt dann, dieses Munitionslager muss sofort geschlossen werden, da dürfen keine Kosten mehr anfallen. Entsprechende Beschlüsse führen wir dann herbei; dann gibt es einen Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses, der lautet, der Rechnungsprüfungsausschuss fordert die Bundesregierung auf, bis zu dem und dem Datum dieses und jenes Problem zu beseitigen."

    Der Rechnungsprüfungsausschuss ist der politische Sparringspartner des Bundesrechnungshofs. Das Gremium ist ein Unterausschuss des Haushaltsausschuss, beschäftigt sich mit den Prüfergebnissen und erteilt neue Prüfungsaufträge.

    "Der Rechnungshof an sich ist zunächst einmal eine nicht politisch tätige Behörde, die natürlich ihre Prüfergebnisse zwar mitteilen kann, aber im Grunde nicht durchsetzen und umsetzen kann. Und dazu braucht es den verlängerten Arm der Politik. Das wiederum macht der Rechnungsprüfungsausschuss oder der Haushaltsausschuss, der dann die Prüfergebnisse auch in politisches Handeln umsetzt."

    Manchmal entwickeln die Berichte des Bundesrechnungshofs auch eine eigene Dynamik. Bei der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit monierten die Kassenprüfer Beraterverträge, was 2004 den Rücktritt des damaligen BA-Chefs Florian Gerster nach sich zog. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen den früheren Agenturchef zwar ein, weil Gerster sich nicht persönlich bereichert habe. Die Ermittler stellten aber ebenfalls Pflichtverletzungen und hierdurch verursachte Vermögensschäden bei der Behörde fest. Aber nicht allen Prüfergebnissen folgen Taten. Dies zeigt unter anderem das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21, das bereits mehrfach vom Bundesrechnungshof unter die Lupe genommen wurde. 2008 legte die Behörde den ersten umfangreichen Bericht vor – und zweifelte die geplanten Kostenschätzungen als zu niedrig an, wie sich der Präsident des Bundesrechnungshofs, Dieter Engels, erinnert:

    "Wir sind damals zu dem Ergebnis gekommen, nein, es ist nicht die Zahl, von der man ausgehen sollte, weil a) bestimmte Teile des Projektes überhaupt nicht berücksichtigt waren, 2. bestimmte Baukostensteigerungen dieses Projekts außen vorgelassen wurden und 3. die normalen Kostensteigerungen, die allein durch Zeitablauf eintreten, auch nicht berücksichtigt waren. Darüber haben wir einen Bericht gemacht, diesen Bericht an den Haushaltsausschuss geschickt, und wir kamen zu wesentlich höheren Zahlen als Bundesverkehrsministerium und Bahn. Dass wir damit nicht gern gehört wurden, war klar. Aber ich muss auch ganz klar sagen, uns ging es nicht darum Stuttgart 21 zu verhindern oder madig zu machen, sondern es geht nur um ein Ziel: Das Besteht darin, dass die Politikerinnen und Politiker auf einer richtigen Tatsachengrundlage entscheiden können und dann genau wissen, was sie tun."

    Zahnloser Tiger?

    Der Bundesrechnungshof prüft, übt Kritik – und liefert über einzelne Gutachten Vorschläge für Einsparungsmöglichkeiten, für mehr Effizienz oder Vereinfachung. Viel mehr ist jedoch nicht möglich, erläutert der Leipziger Finanzwissenschaftler Professor Thomas Lenk:

    "Er kann kontrollieren, er kann Mängel äußern, aber ich persönlich bin auch der Meinung, dass die Sanktionsmöglichkeiten zu gering ausgestattet sind. Ich würde mir wünschen, dass ein Rechnungshof vielleicht die Möglichkeit eingeräumt bekommt, bei sehr schwerwiegenden Vergehen, wenn er die aufdeckenden sollte, hier durchaus auch Anklage zu erheben."

    In anderen Staaten werden den nationalen Kassenprüfern solche Möglichkeiten durchaus an die Hand gegeben. Präsident Engels ist jedoch der Auffassung, dass seiner Behörde mangels demokratischer Legitimation ein solches Hineinregieren nicht zusteht:

    "Man kann sich natürlich Modelle vorstellen – die gibt es auch in Frankreich oder Spanien und Portugal -, dass man verbindliche Entscheidungen trifft. Ich denke aber, das passt in unsere grundgesetzliche Struktur überhaupt nicht hinein. Denn wenn wir solche verbindlichen Anweisungen treffen würden, beispielsweise sagen würden, da muss Schadenersatz geleistet werden oder ( ... ) Gelder zurückgefordert werden, da müsste gegen solche Anordnungen auch gerichtliche Gegenwehr möglich sein – das ist in unserem Staat halt so. Damit hätten wir die Verwaltungsgerichte im Spiel, und damit wären wir aber in einer Vielzahl der Fälle damit befasst, diese gerichtlichen Verfahren zu führen. Und das würde dazu führen, dass unsere Arbeitskraft letztlich in solche Prozesse gesteckt werden müsste und ging verloren fürs normale Prüf- und Beratungsgeschäft."

    Ein weiterer Knackpunkt ist die mangelnde öffentliche Wahrnehmung. Im Gegensatz zum Bund der Steuerzahler, der alljährlich mit dem Schwarzbuch die Schlagzeilen bestimmt, ist für den Bundesrechnungshof Zurückhaltung das oberste Gebot. Einzig die jährlichen Bemerkungen, in denen besonders bedeutsame Prüfungsergebnisse zusammengefasst sind, dürfen medial präsentiert werden. Der Großteil der jährlich rund 900 Prüfungen findet weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Für Bundesrechnungshof-Präsident Engels ein unbefriedigender Zustand:

    "Jenseits der Prüfungen würde ich mir wünschen, dass wir offensiver die Öffentlichkeit unterrichten dürften. Dass wir es können, steht außer Frage. Wir dürfen es derzeit nicht, sondern dürfen nur einen eingeschränkten Kreis über unsere Ergebnisse unterrichten: Das ist die geprüfte Stelle, das ist die vorgesetzte Stelle, und das ist der Haushaltsausschuss des Bundestages und der Bundestag selber, dazu dann vielleicht noch die Bundesregierung und den Bundesrat. Aber die Öffentlichkeit können wir nie aktiv informieren, sondern reaktiv. Und in manchen Dingen würde ich mir wünschen, dass wir aktiv informieren könnten."

    Um einen einmal eingeschlagenen Weg schneller korrigieren zu können, wäre möglicherweise eine systematischere Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse sinnvoll. Manchmal aber ist es durchaus hilfreich, wenn die Arbeit des Bundesrechnungshofs nicht so sehr im Rampenlicht steht. Vor allem, wenn es um die Zusammenarbeit mit dem Parlament geht. Der Haushälter Norbert Barthle nennt ein aktuelles Beispiel dafür:

    "Wir hatten in einem geheim tagenden Gremium vor Kurzem beschlossen, doch mal die Bundesregierung zu bitten, ob es sinnvoll wäre, unter Kosteneinsparungsgesichtspunkten den MAD und den BND zusammenzulegen. Das war drei Tage später in den Medien. Das ist dann schädlich, wenn so etwas in die Medien gerät, von wem auch immer. Das ist dann einfach schädlich, weil vorschnell Gräben aufgerissen werden, Fronten aufgebaut werden, die einer einvernehmlichen Lösung nicht zuträglich sind."

    Einmischung in innere Angelegenheiten.

    Trotzdem geraten immer wieder Berichte des Bundesrechnungshofs an die Öffentlichkeit. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die kritischen Bemerkungen an das Bundesarbeitsministerium, in dem die Vergabepraxis der Ein-Euro-Jobs moniert wird. Ein Streit zwischen Prüfern und Politik ist vor Kurzem auch um die neue Schuldenbremse entbrannt. In einem Schreiben an den Haushaltsausschuss hatte der Bundesrechnungshof kritisiert, dass die Planungen der Bundesregierung zu großen Spielraum für neue Kredite in den kommenden Jahren ließen. Hintergrund ist, dass laut Schuldenregel die Neuverschuldung 2010 die Grenzen für die nächsten Jahre festsetzt. Das Bundesfinanzministerium verbat sich umgehend derartige Kritik. Für den Finanzwissenschaftler Thomas Lenk ist dieser Streit ein Beispiel dafür, dass die Kontrollmöglichkeiten noch nicht ausgereift sind:

    "Wenn Bundesbank und der Bundesrechnungshof, wenn beide das äußern und die Regierung das relativ brüsk abwehrt, dann zeigt das ja eigentlich genau diese Diskrepanz zwischen den Wirkungsmöglichkeiten und dem, was wir uns eigentlich erhoffen. Sie fordern ja nichts Abstruses, sondern sie fordern ja lediglich, dass die neuen Regeln, die man sich letztes Jahr gegeben hat, auch in ihrem eigentlichen Sinne jetzt Anwendung kriegen und dass man nicht am Anfang jetzt durch eine günstige Interpretation sich wieder Haushaltsspielräume eröffnet, die man eigentlich verringern will."

    Ein ähnlicher Eindruck entsteht, wenn man auf die aktuellen Gutachten des Bundesrechnungshofs schaut. Im Sommer legte die Behörde beispielsweise einen umfassenden Bericht vor, der eine grundlegende Reform und Vereinfachung der Umsatzsteuer anmahnte. Das Echo in den Medien war groß, die Reaktion in der Politik eher mager. Der Haushaltspolitiker Barthle zu den Gründen:

    "Der Bundesrechnungshof kann sehr leicht sagen, nehmen wir mal das Beispiel Mehrwertsteuer, da gibt es Unstimmigkeiten, die müssen bereinigt werden. Und da hat er natürlich recht. Die Politik muss aber abwägen, ob bei einem solchen Vorhaben Aufwand und Ertrag zusammenpassen und ob das Ganze eingefügt ist in ein Gesamtkonzept. Wenn man etwas verändert an den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen, dann ist es sicherlich klug, das in einem Gesamtzusammenhang so zu tun, dass die Verärgerung bei den Menschen in einer gewissen Relation zum politischen Ertrag steht. Und genau diese Entscheidung kann der Bundesrechnungshof nicht treffen, das muss die Politik tun."

    Manchmal, so scheint es, fehlt tatsächlich der Handlungsspielraum. Bisweilen ist einfach der politische Wille nicht da. Und manchmal sind auch die jeweiligen Regierungskoalitionen noch nicht reif dafür. Für die Umsetzung eines Ratschlags braucht es stets den richtigen Zeitpunkt. Der Bundesrechnungshof selbst sieht seine Arbeit daher eher langfristig angelegt. Präsident Dieter Engels:

    "Wir können nie genau definieren, wann es zum Erfolg führt. Aber es gibt schon eine Reihe von Dingen, die dann letztlich doch realisiert werden. Beispielsweise ist der Steuervollzug arg reformbedürftig. Das wissen wir seit ungefähr zwölf Jahren ziemlich genau, und wir haben da auch Reformvorschläge unterbreitet, die schrittchenweise verwirklicht werden. Noch lange nicht genug, wie wir meinen, aber es gibt Schritte in die Richtung, die wir auch vorgeschlagen haben."

    Letztlich ist dem Bundesrechnungshof per Finanzverfassung neben der Kontrolle und dem Rechnen mit dem spitzen Bleistift vor allem die Beratung zugedacht. Aber wer sich in die Niederungen der Politik begibt, macht sich unter Umständen selbst politisch angreifbar. Das weiß auch Engels sehr genau: Der frühere Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion kam auf Vorschlag des ehemaligen CSU-Finanzministers Theo Waigel in das Präsidium des Bundesrechnungshofs. Sein heutiges Fazit: Die Prüfungsergebnisse legt der Bundesrechnungshof vor, abwägen müssen dann die Politiker. Und damit entscheiden, was sinnvoll ist und was nicht.

    "Wir schauen uns nur die Zahlen an. Und das ist auch unser Bewertungsmaßstab, wenn wir eine Empfehlung abgeben, indem wir sagen: Macht die Zahlen bitte vollständig, schreibt sie korrekt. Der Bewertungsmaßstab eines Politikers ist ein anderer: Er sieht zwar auch auf die Zahlen, aber er sieht auch auf strukturelle Fragen, er sieht auf die Fragen, wie sich die Region entwickelt, er sieht auf Zukunftsfragen der Technologie usw. und hat alle diese Dinge mit zu berücksichtigen. Das ist ja das Wesentliche der Politik, dass viele Interessen mit berücksichtigt werden. Und wenn dann anders entschieden wird, als wir vielleicht vorgeschlagen haben, dann nehmen wir das hin. Das liegt auch in der Natur unserer Rolle: Wir beraten, wir entscheiden nicht."