Wir haben längst aufgehört, die Leichen zu zählen, die an einem normalen Wochenende im Fernsehen oder in den Kinos irgendeiner deutschen Stadt zu sehen sind. Wir wissen bloß: es sind mehr geworden. Mehr, weil die Zahl der zu empfangenden Programme und der darin abgespielten Filme zugenommen hat; mehr, weil nicht nur in Spielfilmen, sondern auch in Dokumentar- und Nachrichtensendungen Tote zuhauf und in grässlicher Deutlichkeit gezeigt werden; mehr, weil selbst in anspruchsvollen Filmen nicht nur eine oder zwei Figuren sterben, sondern Massaker zum Regelfall geworden sind. Vor allem aber nehmen Gewaltsamkeit und Grausamkeit der Darstellungen zu: Jede erdenkliche Tortur, jeder Abgrund des menschlichen Seins, jede Art und Abart physischer Vernichtung ist in Groß- und Nahaufnahme zu sehen, quälend lang und hyperrealistisch.
Man braucht sicherlich keine Museumsausstellung zu besuchen, um sich dieser Tatsachen zu vergewissern. Doch die Schau des Düsseldorfer Filmmuseums will nicht bloß Gänsehaut erzeugen, sondern die Phänomene historisch ergründen. Und da kommt man um ein paar Szenenausschnitte bekannter Filme nicht herum, die in einer zehnminütigen Endlosschleife laufen: Lauter Sterbeszenen, die in dieser schnellen Folge schon fast lächerlich wirken. Ansonsten ist die Ausstellung thematisch klug gegliedert: Da gibt es Parallelbetrachtungen zu Todesmotiven in der Malerei - von mittelalterlichen Totentänzen bis zu den Untoten zahlloser Horrorfilme, es gibt ein Panorama der Ikonografie des Todes: eine zerbrochene Brille oder ein leerer Teller auf einem gedeckten Tisch sind dann ebenso symbolträchtig wie eine bestimmte anschwellende Musik, und schließlich gibt es noch eine Abteilung, die sich mit der Vergänglichkeit des Filmmaterials als solchen befasst.
Am Anfang der Düsseldorfer Ausstellung steht jedoch die filmgeschichtliche Perspektive, und sie zeigt, dass die zunehmende Brutalisierung des Kinos keine zufällige Entwicklung und schon gar keine Entartung ist, sondern zum Wesenskern dieses Mediums gehört. Die Kamera war ursprünglich Bestandteil der Militärtechnologie; bis heute haben sich martialische Reste dieser Verbindung in der Sprache erhalten, denn Bilder werden "geschossen", die Kamera wird wie eine Waffe "gezückt" und der Auslöser "abgedrückt". Es ist eine alte, in anderen Weltgegenden noch weit verbreitete Vorstellung, dass das Fotografieren auch ein Akt des Zerstörens sei: Mit jedem Klick geht ein Stück Seele des Geknipsten ab. Auch manche Filmemacher haben diesen Zusammenhang thematisiert und beispielsweise die Kamera als Mordinstrument oder zum Morden wesentliches Accessoire vorgeführt.
Die innere Affinität des Films zum Tod hat allerdings noch einen anderen Grund, und der wird nirgendwo in dieser Ausstellung explizit genannt; man kann ihn aber während des durchaus nervenbelastenden Rundgangs deutlich spüren: Der Tod ist das wohl stärkste Bild überhaupt. Während sich die Seele instinktiv abwendet, wendet sich der Blick unaufhaltsam hin. Man hat Angst vor dem Tod und möchte ihn deswegen im Auge behalten. Mit moralischen Kategorien ist diese Schaulust nicht zu fassen; sie kommt einfach von der Möglichkeit des schadlosen Betrachtens. Der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer sprach deshalb vom Kino als von dem mythischen Spiegel, in dem man das furchtbare Haupt der Medusa ansehen könne, ohne selber zu erstarren.
Ob das aber so stimmt, ist die vielleicht wichtigste Medienfrage unserer Zeit. Die Frage nämlich, ob die behauptete Distanz des Blicks überhaupt funktioniert oder ob wir nicht bis in die Tiefenschichten unserer Persönlichkeit visuell involviert werden durch das, was unsere Augen sehen. Dass in den Filmen immer mehr Tode gestorben werden, immer mehr Leichen gezeigt werden, deutet ja gerade darauf hin, dass von den Bildern eine Wirkung, ein Verhaltenstraining ausgeht. Es ist nicht nur der technische Fortschritt, die trickreiche Machbarkeit anatomischer Detailtreue bei der Zerstörung von Leibern, dem Zerreißen von Fleisch und Gliedern, dem Hervorquellen von Blut und Eingeweiden, der die gegenwärtige Situation kennzeichnet, es ist das gesteigerte Blickverlangen eines durch Bilder abgestumpften Publikums. Die Ausstellung klammert dieses Problem jedoch säuberlich aus, und dementsprechend bleibt die Frage, wie die Todesbilder im Film die Menschen weiterhin verändern werden, unbeantwortet.
Man braucht sicherlich keine Museumsausstellung zu besuchen, um sich dieser Tatsachen zu vergewissern. Doch die Schau des Düsseldorfer Filmmuseums will nicht bloß Gänsehaut erzeugen, sondern die Phänomene historisch ergründen. Und da kommt man um ein paar Szenenausschnitte bekannter Filme nicht herum, die in einer zehnminütigen Endlosschleife laufen: Lauter Sterbeszenen, die in dieser schnellen Folge schon fast lächerlich wirken. Ansonsten ist die Ausstellung thematisch klug gegliedert: Da gibt es Parallelbetrachtungen zu Todesmotiven in der Malerei - von mittelalterlichen Totentänzen bis zu den Untoten zahlloser Horrorfilme, es gibt ein Panorama der Ikonografie des Todes: eine zerbrochene Brille oder ein leerer Teller auf einem gedeckten Tisch sind dann ebenso symbolträchtig wie eine bestimmte anschwellende Musik, und schließlich gibt es noch eine Abteilung, die sich mit der Vergänglichkeit des Filmmaterials als solchen befasst.
Am Anfang der Düsseldorfer Ausstellung steht jedoch die filmgeschichtliche Perspektive, und sie zeigt, dass die zunehmende Brutalisierung des Kinos keine zufällige Entwicklung und schon gar keine Entartung ist, sondern zum Wesenskern dieses Mediums gehört. Die Kamera war ursprünglich Bestandteil der Militärtechnologie; bis heute haben sich martialische Reste dieser Verbindung in der Sprache erhalten, denn Bilder werden "geschossen", die Kamera wird wie eine Waffe "gezückt" und der Auslöser "abgedrückt". Es ist eine alte, in anderen Weltgegenden noch weit verbreitete Vorstellung, dass das Fotografieren auch ein Akt des Zerstörens sei: Mit jedem Klick geht ein Stück Seele des Geknipsten ab. Auch manche Filmemacher haben diesen Zusammenhang thematisiert und beispielsweise die Kamera als Mordinstrument oder zum Morden wesentliches Accessoire vorgeführt.
Die innere Affinität des Films zum Tod hat allerdings noch einen anderen Grund, und der wird nirgendwo in dieser Ausstellung explizit genannt; man kann ihn aber während des durchaus nervenbelastenden Rundgangs deutlich spüren: Der Tod ist das wohl stärkste Bild überhaupt. Während sich die Seele instinktiv abwendet, wendet sich der Blick unaufhaltsam hin. Man hat Angst vor dem Tod und möchte ihn deswegen im Auge behalten. Mit moralischen Kategorien ist diese Schaulust nicht zu fassen; sie kommt einfach von der Möglichkeit des schadlosen Betrachtens. Der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer sprach deshalb vom Kino als von dem mythischen Spiegel, in dem man das furchtbare Haupt der Medusa ansehen könne, ohne selber zu erstarren.
Ob das aber so stimmt, ist die vielleicht wichtigste Medienfrage unserer Zeit. Die Frage nämlich, ob die behauptete Distanz des Blicks überhaupt funktioniert oder ob wir nicht bis in die Tiefenschichten unserer Persönlichkeit visuell involviert werden durch das, was unsere Augen sehen. Dass in den Filmen immer mehr Tode gestorben werden, immer mehr Leichen gezeigt werden, deutet ja gerade darauf hin, dass von den Bildern eine Wirkung, ein Verhaltenstraining ausgeht. Es ist nicht nur der technische Fortschritt, die trickreiche Machbarkeit anatomischer Detailtreue bei der Zerstörung von Leibern, dem Zerreißen von Fleisch und Gliedern, dem Hervorquellen von Blut und Eingeweiden, der die gegenwärtige Situation kennzeichnet, es ist das gesteigerte Blickverlangen eines durch Bilder abgestumpften Publikums. Die Ausstellung klammert dieses Problem jedoch säuberlich aus, und dementsprechend bleibt die Frage, wie die Todesbilder im Film die Menschen weiterhin verändern werden, unbeantwortet.