Kühler Kalkstein, kolossale Betonsäulen. Das Verkehrsrauschen der Prinzregentenstraße umhüllt das "Haus der Kunst" in München. Reduzierter Klassizismus - edle Einfalt, stille Größe. Das hallende Foyer, der glatte Marmorboden mit verspielten Mustern - am Eingang der Ausstellung "ECM. Eine kulturelle Archäologie" läuft der Film "See the music" von Theodor Kotulla - Schwarz-Weiß, aus dem Jahr 1971 - die Aufzeichnung einer Musik-Session.
Altsaxofon, Cello, Perkussion, Trompete. Unter den Avantgarde-Musikern steht Manfred Eicher und zupft den Kontrabass. Damals noch aktiver Jazz-Musiker. Heute: Produzenten-Legende und Label-Chef von ECM. Charismatisch und mit wachen Augen schreitet er ganz in sich ruhend durch die Ausstellung.
"Ich bin gerne im Hintergrund und habe trotzdem den Überblick und weiß, wohin ich möchte mit meiner Arbeit. Und spreche auch mit den Musikern, dann wenn es sein muss. Als einer, der vielleicht ein wichtiges Korrektiv ist, für die ästhetische Richtung, die eingeschlagen ist. Man muss ja nicht immer in der ersten Reihe stehen. Trotzdem kann man beobachten und hören wohin die Reise geht."
Die Reise von Manfred Eicher beginnt 1943 in seiner Geburtsstadt Lindau. Er studiert Kontrabass, spielt zunächst bei den Berliner Philharmonikern, bis er 1969 in München ein Musik-Label für improvisierte Jazzmusik, später auch für notierte Klassikaufnahmen, gründet: ECM (Edition of Contemporary Music). Mit mehr als Tausend Musikproduktionen in den letzten 40 Jahren gilt ECM wohl als das renommierteste Label für zeitgenössische Musik. Mit Sternstunden der Musikgeschichte. Darunter: Das millionenfach verkaufte "Köln Concert" von Keith Jarrett aus dem Jahr 1975: Oder "Walking By Your Side", eine ganz aktuelle Aufnahmen des französischen Jazz-Schlagzeugers Manu Katché:
Ein steiler, steinerner Treppenaufgang führt in den ersten von sieben Räumen der ECM-Ausstellung im "Haus der Kunst". Die Wände: in mattem Anthrazit getüncht. Der Boden: mit weichem, grauen Teppich ausgelegt. Glasvitrinen mit Partituren. Stellwände mit Konzert-Fotografien. Ein überdimensional großes Wandregal ist bestückt mit beschrifteten Pappkartons - dick wie Aktenordner, im Format einer Schallplatte. Mehrspur-Bandaufnahmen von Studio- und Live-Konzerten - umweht vom Geist des Produzenten. Mit bedächtigen Gesten schweift der Blick von Manfred Eicher über die zu einer Wand drapierten Tonbänder.
"Wenn man gerade die Treppe hoch kommt und in diesen Raum tritt. In diesen schönen stillen Raum mit den Bildern. Dann möchte man auch näher kommen. Und schaut sich das an und sieht, was da für Inhalte geparkt sind - kann man schon fast sagen. Denn sie sind ja nicht für immer da. Sie sind nur für kurze Zeit hier, dann werden sie wieder anders geordnet und eines Tages gehe ich vielleicht die ganzen Archive durch und mische das eine oder andere Band ab."
Archivmaterial aus klimatisierten Kellerräumen der Plattenfirma wird im strukturierten Kontext der Ausstellung zu einer leisen, bildenden Kunst mit klangvollem Inhalt. Hinter den Oberflächen: die emotionalen ECM-Aufnahmen - voller Ausdruck, Klarheit und Präsenz. Mittendrin: Der Klang-Regisseur Manfred Eicher, der die Töne im Musik-Studio beobachtet, einfängt und konserviert. Der erklingende Ton wird dabei schon mal vor seinem inneren Auge zum Kometenschweif - den Sternen gleich.
""Es entscheidet sich am Anfang, wie du den Ton modulierst oder anschlägst oder spielst, wie der Ton sich entwickelt. Ob er abstirbt. Oder, ob er glüht. Oder, ob er eine längere Nachbrennkraft entwickelt - aus dem Glühen heraus. Eine Fermate, die dann bleibt und in der man sich aufhalten möchte."
Eintauchen in den Ton, versinken in Harmonien. Für den einen: Klangpoesie. Für den anderen: Musikesoterik. Die Ausstellung "ECM. Eine kulturelle Archäologie" im "Haus der Kunst" in München ist ein Spaziergang durch einen beachtlichen Fundus an musikalischen Zeitdokumenten. Hörstationen mit Kopfhörern, Musikkabinen mit Lautsprechern. Tonbänder, Schallplatten und Coverzeichnungen. Eine Sammlung an Relikten aus einer Zeit der analogen Musik. Für manchen Besucher mag das in unserer digitalisierten Welt auch etwas verklärend wirken. Doch dieses Wandeln in der Musikgeschichte ist eine Geste der Verbeugung an den Schönklang - den Musikgenuss zwischen Hören und Stille.
"Es gibt auch im Englischen ein Anagramm, das 'listen' und 'silent' miteinander verbindet. Beziehungsweise 'Hören' und 'Stille'. In der Musik ist Stille unheimlich wichtig. Weil: die Konzentration vor der Musik sollte aus der Stille kommen. Und Musik ist in Zeiten eingeteilt, sie ist immer in Bewegung. Und führt, wenn es glückt, zur Stille zurück."
Die Ausstellung "ECM. Eine kulturelle Archäologie" findet vom 23.11.12 bis zum 10.02.13 im "Haus der Kunst" in München statt und wird begleitet von einer Konzert- und Filmreihe.
http://www.hausderkunst.de
Altsaxofon, Cello, Perkussion, Trompete. Unter den Avantgarde-Musikern steht Manfred Eicher und zupft den Kontrabass. Damals noch aktiver Jazz-Musiker. Heute: Produzenten-Legende und Label-Chef von ECM. Charismatisch und mit wachen Augen schreitet er ganz in sich ruhend durch die Ausstellung.
"Ich bin gerne im Hintergrund und habe trotzdem den Überblick und weiß, wohin ich möchte mit meiner Arbeit. Und spreche auch mit den Musikern, dann wenn es sein muss. Als einer, der vielleicht ein wichtiges Korrektiv ist, für die ästhetische Richtung, die eingeschlagen ist. Man muss ja nicht immer in der ersten Reihe stehen. Trotzdem kann man beobachten und hören wohin die Reise geht."
Die Reise von Manfred Eicher beginnt 1943 in seiner Geburtsstadt Lindau. Er studiert Kontrabass, spielt zunächst bei den Berliner Philharmonikern, bis er 1969 in München ein Musik-Label für improvisierte Jazzmusik, später auch für notierte Klassikaufnahmen, gründet: ECM (Edition of Contemporary Music). Mit mehr als Tausend Musikproduktionen in den letzten 40 Jahren gilt ECM wohl als das renommierteste Label für zeitgenössische Musik. Mit Sternstunden der Musikgeschichte. Darunter: Das millionenfach verkaufte "Köln Concert" von Keith Jarrett aus dem Jahr 1975: Oder "Walking By Your Side", eine ganz aktuelle Aufnahmen des französischen Jazz-Schlagzeugers Manu Katché:
Ein steiler, steinerner Treppenaufgang führt in den ersten von sieben Räumen der ECM-Ausstellung im "Haus der Kunst". Die Wände: in mattem Anthrazit getüncht. Der Boden: mit weichem, grauen Teppich ausgelegt. Glasvitrinen mit Partituren. Stellwände mit Konzert-Fotografien. Ein überdimensional großes Wandregal ist bestückt mit beschrifteten Pappkartons - dick wie Aktenordner, im Format einer Schallplatte. Mehrspur-Bandaufnahmen von Studio- und Live-Konzerten - umweht vom Geist des Produzenten. Mit bedächtigen Gesten schweift der Blick von Manfred Eicher über die zu einer Wand drapierten Tonbänder.
"Wenn man gerade die Treppe hoch kommt und in diesen Raum tritt. In diesen schönen stillen Raum mit den Bildern. Dann möchte man auch näher kommen. Und schaut sich das an und sieht, was da für Inhalte geparkt sind - kann man schon fast sagen. Denn sie sind ja nicht für immer da. Sie sind nur für kurze Zeit hier, dann werden sie wieder anders geordnet und eines Tages gehe ich vielleicht die ganzen Archive durch und mische das eine oder andere Band ab."
Archivmaterial aus klimatisierten Kellerräumen der Plattenfirma wird im strukturierten Kontext der Ausstellung zu einer leisen, bildenden Kunst mit klangvollem Inhalt. Hinter den Oberflächen: die emotionalen ECM-Aufnahmen - voller Ausdruck, Klarheit und Präsenz. Mittendrin: Der Klang-Regisseur Manfred Eicher, der die Töne im Musik-Studio beobachtet, einfängt und konserviert. Der erklingende Ton wird dabei schon mal vor seinem inneren Auge zum Kometenschweif - den Sternen gleich.
""Es entscheidet sich am Anfang, wie du den Ton modulierst oder anschlägst oder spielst, wie der Ton sich entwickelt. Ob er abstirbt. Oder, ob er glüht. Oder, ob er eine längere Nachbrennkraft entwickelt - aus dem Glühen heraus. Eine Fermate, die dann bleibt und in der man sich aufhalten möchte."
Eintauchen in den Ton, versinken in Harmonien. Für den einen: Klangpoesie. Für den anderen: Musikesoterik. Die Ausstellung "ECM. Eine kulturelle Archäologie" im "Haus der Kunst" in München ist ein Spaziergang durch einen beachtlichen Fundus an musikalischen Zeitdokumenten. Hörstationen mit Kopfhörern, Musikkabinen mit Lautsprechern. Tonbänder, Schallplatten und Coverzeichnungen. Eine Sammlung an Relikten aus einer Zeit der analogen Musik. Für manchen Besucher mag das in unserer digitalisierten Welt auch etwas verklärend wirken. Doch dieses Wandeln in der Musikgeschichte ist eine Geste der Verbeugung an den Schönklang - den Musikgenuss zwischen Hören und Stille.
"Es gibt auch im Englischen ein Anagramm, das 'listen' und 'silent' miteinander verbindet. Beziehungsweise 'Hören' und 'Stille'. In der Musik ist Stille unheimlich wichtig. Weil: die Konzentration vor der Musik sollte aus der Stille kommen. Und Musik ist in Zeiten eingeteilt, sie ist immer in Bewegung. Und führt, wenn es glückt, zur Stille zurück."
Die Ausstellung "ECM. Eine kulturelle Archäologie" findet vom 23.11.12 bis zum 10.02.13 im "Haus der Kunst" in München statt und wird begleitet von einer Konzert- und Filmreihe.
http://www.hausderkunst.de