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Der Traum vom Durchbruch

Wie wird man eigentlich Künstler? Dieser Frage widmet sich die Autorin Samantha Peale in ihrem Roman "Die amerikanische Malerin Emma Dial". Darin hat die Protagonistin damit zu kämpfen, dass sie zwar in der höchsten Liga der Kunst malt, allerdings nicht für sich selbst.

Von Marie Luise Knott | 30.07.2010
    Wir wissen, dass viele junge Menschen Kunst studieren; aber nur die wenigsten bleiben dran und noch weniger schaffen den Durchbruch. Dahinter steckt nach wie vor eines der größten Rätsel, das uns immer wieder beschäftigt: Wie überhaupt wird einer zum Künstler? So oft wir auch von Joseph Beuys gehört haben mögen, jeder Mensch sei ein Künstler – trotzdem stöbern wir immer wieder mit Hingabe in Tagebüchern, lesen Briefe und Autobiografien, um Spuren zu finden und in Kontakt zu kommen mit dem Wunder, wie ein Werk entsteht.

    Umso neugieriger nimmt man den Roman "Die amerikanische Malerin Emma Dial" in die Hand, der davon handelt, wie ein junges Talent sich auf die Suche nach seinem Weg zur eigenen Kunst begibt. Die Hauptfigur Emma Dial, 32 Jahre alt, hat längst einen komfortablen Platz im Kunstbetrieb gefunden: Vor sieben Jahren hat der äußerst erfolgreiche Maler Michael Freiburg sie in einem Auftragsatelier entdeckt und sie vom Gerüst weg als seine Assistentin engagiert. Seither herrscht eine klare Arbeitsteilung, wie man sie heute vielfach kennt: Er entwirft seine überdimensionalen Landschaftsbilder im Kopf, sie steht auf dem Gerüst und malt. Nebenbei ist sie seine Geliebte. Sie hat die Ausdauer, die ihm längst abgeht, er zahlt ihr ein fixes Gehalt dafür. Und doch liegt für sie etwas Unbefriedigendes in diesem Arrangement: Sie malt nur für ihn, nach seinen Inspirationen und nach seinen Anweisungen. Er, der Renommierte, ist ihr Entrébillet in die obersten Kunstkreise. Wer und Wo wäre sie heute ohne ihn? Aber: Was wird aus ihren eigenen Künstlerträumen?

    Stoff für einen Entwicklungsroman, möchte man meinen, sofern es den im 21. Jahrhundert noch gibt – guter, gewichtiger Stoff aus der Realität, und verkäuflich obendrein, denn der Hype um die Kunst hält trotz der Wirtschaftskrise hierzulande ungebrochen an. Und die im Roman mittransportierte Frage: "Wer alles fabriziert tatsächlich das Kunstwerk, das der Künstler am Ende signiert?" erregt immer noch einige Gemüter. Tatsächlich verfügt die Autorin Samantha Peale, eine ehemalige Assistentin des amerikanischen Bildhauers Jeff Koons, über alle notwendigen Kenntnisse und ihre Emma Dial ist durchweg glaubwürdig gezeichnet. Sie geht auf schrille Vernissagen, hält Sammler bei Laune und ist längst tief verstrickt in das betriebsinterne Gewebe von Seilschaften und Feindschaften.

    Jeder in der Kunstszene kennt das Personal des Romans: die egozentrischen Künstler, die begierigen Galeristen und die Studienfreunde, die immer eigentlich Konkurrenten sind. In kurzen Begegnungen nimmt der Kunstbetrieb durch die Beobachtungen der Ich-Erzählerin Konturen an. Emmas Selbstzweifel, ihre Träume vom eigenen Kunstwillen, ihre Versuche, sich einer eigenen Bild- und Formsprache zu widmen und ihre Ängste vor der Verlassenheit, wenn sie in Brooklyn plötzlich vor der eigenen Leinwand steht - all das hat die Autorin gekonnt eingefangen. Und man muss unwillkürlich daran denken, dass Jeff Koons beispielsweise über 120 Assistenten beschäftigt. Viele davon träumen wahrscheinlich wie "Emma" vom eigenen Coming Out – das war schon immer so und hat sich mit der Moderne radikalisiert.

    Doch Stoff allein macht noch keinen Roman. Es muss mehr hinzukommen. Peale spielt immer wieder bewusst mit Stereotypen, bleibt aber viel zu oft im Stereotyp hängen. Was fehlt, ist eine narrative und sprachliche Kraft und Gestalt. Vielleicht auch eine wohlgesetzte Ironie? Ein Dialog zwischen Meister und Assistentin zum Beispiel, der sicher parodistisch gemeint ist, lautet leblos:

    "Komm runter, Emma. Dabei lassen wir es für heute." Er zeigte auf die sechs Quadratzentimeter, an denen ich gearbeitet hatte, seit die Breslauers vor zwei Tagen aufgetaucht waren, und dann wies er herrisch mit dem Arm auf das ganze Bild.
    "Das hat Bestand."
    "In alle Ewigkeit."
    "Genau das wollte ich sagen."


    Da greift man als Leser am Ende lieber auf die Selbstaussagen der Künstler zurück, auch wenn man weiß, dass die meisten eben Künstler sind und sich nicht so beredt über ihre Kunst äußern. Aber authentisch.

    Samantha Peale: "Die amerikanische Malerin Emma Dial". Aus dem Amerikanischen von Robin Detje, Berlin Verlag, Berlin 2010, 304 Seiten, 22 Euro