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Der tschechische Konzern Agrofert
Frühstückshörnchen vom Finanzminister

Seit Februar ist der Milliardär Andrej Babis Vizepremier und Finanzminister in Tschechien unter dem Sozialdemokraten Bohuslav Sobotka. Eine nicht ganz alltägliche Konstellation, zumal Kritiker Babis einen tschechischen Berlusconi nennen. Sein Konzern Agrofert gehört zu den größten Unternehmen des Landes.

Von Andreas Kolbe |
    Das Logo des Konzerns Agrefort vom tschechischen Finanzminister Andrej Babis.
    Das Logo des Konzerns Agrofert vom tschechischen Finanzminister Andrej Babis. (picture alliance / dpa / CTK / Marin Sterba)
    Kurz nach sieben Uhr morgens ist das Hauptgeschäft schon vorbei. Nur noch vereinzelt halten die rot-weißen Lieferwagen an der Laderampe der Penam-Großbäckerei. Leere Plastikkisten raus - Platten mit frischen Rohliky rein - und schon sind die typisch tschechischen Frühstückshörnchen auf dem Weg zur Kundschaft:
    "Rohliky sind zum Frühstück so wichtig wie die Knödel zum Mittagessen", erklärt Vlastimil Smejkal, der Direktor der Bäckerei. "Man kann sie mit Wurst essen oder Käse, oder wer es süß mag, nimmt Konfitüre. Rohliky gehören zum Frühstück einfach dazu."
    Die Bäckerei in Herink bei Prag gehört zu den größten Rohliky-Fabriken des Landes. 30.000 Stück werden hier produziert pro Stunde, dazu Weißbrot und Brötchen. Kaum ein Supermarkt oder Dorfladen in Tschechien, in dem die Backwaren aus Herink oder den anderen Penam-Fabriken des Landes nicht zu finden sind.
    251 Tochtergesellschaften
    Die Bäckerei auf der grünen Wiese ist nur eine von insgesamt 251 Tochtergesellschaften des tschechischen Agrofert-Konzerns. Die Zentrale am Stadtrand von Prag ein graues dreistöckiges Bürogebäude umgeben von kommunistischen Plattenbauten. Hier ist eines der größten Unternehmen Mittel- und Osteuropas zuhause.
    "Begonnen hat alles im Jahr 1993, gleich nach der Trennung der Tschechoslowakei", sagt Konzernsprecher Karel Hanzelka. "Aber es war keine Privatisierung, sondern Andrej Babis hat das Unternehmen auf der grünen Wiese gegründet. Er hat mit Dünger gehandelt und hatte gerade einmal vier Mitarbeiter. Heute sind es 34.000 überall in Europa."
    Vom kleinen Düngerlieferanten zum internationalen Großkonzern - und das in nicht einmal 20 Jahren. Der Gründer Andrej Babis pflegt das Image eines Vorzeigeunternehmers, eines tschechischen Selfmademans.
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    Der tschechische Milliardär und Finanzminister Andrej Babis (picture alliance / dpa / Filip Singer)
    "Mit einem Kredit ausländischer Banken konnte er den Hersteller der Düngemittel übernehmen. Das war der erste Schritt zum Wachstum, der Einstieg in die Agrarchemie. Die Firma war erfolgreich und konnte weitere Fabriken kaufen. So hat Herr Babis begonnen, auch landwirtschaftliche Betriebe zu übernehmen, und ist in die Tierzucht eingestiegen: Schweine, Rinder, Geflügel und so weiter. Und so hat sich das bis heute fortgesetzt."
    Jahresumsatz umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro
    Inzwischen ist der Agrofert-Konzern ein komplexes Gebilde, das bei nahezu allen Stufen der Lebensmittelproduktion mitmischt: Das Mehl für die Penam-Großbäckereien kommt - selbstverständlich - aus Agrofert-eigenen Mühlen. Das Korn von eigenen Feldern, die mit Dünger aus den eigenen Chemiewerken bewirtschaftet werden. Mähdrescher und Traktoren verkauft die Konzern-Tochter Agrotech. Dazu kommen Forstbetriebe, Schlachthöfe, Molkereien und Eierfarmen - Jahresumsatz umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro. Längst landen die Produkte des Konzerns nicht nur auf tschechischen Frühstückstischen. Vor gut einem Jahr hat Agrofert die deutsche Bäckereikette Lieken übernommen.
    Einziger Aktionär des Unternehmens ist noch immer Andrej Babis. Gern gesehener Talkshow-Gast, Multimilliardär - und inzwischen in der Politik. Im Herbst 2011 gründete er die Protest-Partei ANO, die schon zwei Jahre später bei den Parlamentswahlen aus dem Stand zweitstärkste Kraft wurde. Seit Jahresbeginn ist der 59-jährige nun Vizepremier und Finanzminister. Ein Job, in dem er genauso agieren will wie in seiner Firma.
    "Ich führe meine Firma zugunsten von meiner Firma. Und auch Politiker sollten den Staat führen zugunsten von Staat und zugunsten von Bürgern."
    Zweifel an der Selbstlosigkeit des Unternehmers
    Dass Andrej Babis es auf sich nimmt, das Land zu retten, obwohl er als Multimilliardär es überhaupt nicht mehr nötig hätte, zu arbeiten - in der tschechischen Öffentlichkeit gibt es einige Zweifel an der Selbstlosigkeit des Unternehmers. Die Opposition fürchtet, dass sich Babis als Finanzminister selbst Aufträge zuschieben könnte. Und auch Vladan Broz von Transparency International in Prag sieht Interessenskonflikte:
    "Agrofert ist der größte Empfänger von Agrarsubventionen in Tschechien. Und es ist ausgerechnet das Finanzministerium, dass die Auszahlung dieser Subventionen überwacht. Babis kontrolliert sich also selbst."
    Babis wiederum sieht das ganz anders. Seit er Minister ist, habe er alle Ämter in seiner Firma niedergelegt, sagt er. Er beschränke sich auf die Rolle des Eigentümers. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack, vor allem seit Babis parallel zu seinem Einstieg in die Politik damit begonnen hat, auch Medienunternehmen in Tschechien aufzukaufen. Führende Tageszeitungen und Radiosender, Online-Medien und Magazine:
    "In erster Linie geht es da ums Geld verdienen", versichert Agrofert-Sprecher Karel Hanzelka. "Aber es ist kein Geheimnis, dass Herr Babis in den letzten Jahren auch sauer auf die Medien war. Er hat die Zeitungen gekauft, damit sie die Wahrheit schreiben und damit sich ihre Qualität verbessert - nicht, damit er in ihre Berichterstattung eingreifen kann."
    Der Milliardär Andrej Babis - ein tschechischer Berlusconi oder doch politischer Heilsbringer? Darüber lässt sich trefflich streiten. Eines jedoch haben Anhänger und Gegner gemeinsam: Eier, Wurst und frische Rohliky von Babis auf dem Frühstückstisch. Angesichts der Größe seines Imperiums ist daran in Tschechien nämlich kein Vorbeikommen.